Das Widerrufsrecht – einfach erklärt

Veröffentlicht: 25.07.2024
imgAktualisierung: 25.07.2024
Geschrieben von: Sandra May
Lesezeit: ca. 6 Min.
25.07.2024
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Ein Pop-Art-Bild zeigt eine Geschäftsfrau im Anzug mit nachdenklichem Gesichtsausdruck, umgeben von dezenten Fragezeichen und einem gedämpften Hintergrund.
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Das Widerrufsrecht birgt einige Herausforderungen. Wir erklären hier die Grundlagen anhand von sechs typischen Fällen.


Das Widerrufsrecht gehört zum Standard im Fernabsatzhandel und damit zum Tagesgeschäft eines jeden Online-Shops. Gleichzeitig ist die Ausübung dieses Rechts oft auch mit Konflikten behaftet. Wir zeigen hier anhand von sechs Fällen typische Konstellationen und deren Lösung auf.

Vorab: Was ist eigentlich das Widerrufsrecht?

Das Widerrufsrecht ist eine gesetzliche Möglichkeit, die Käufer:innen eines Produkts oder einer Dienstleistung unter bestimmten Bedingungen gewährt wird, um sich von einem Vertrag zu lösen. Es handelt sich dabei um ein Verbraucherschutzrecht.

Schließen zwei Parteien einen Kaufvertrag im Fernabsatz, so hat die Kundschaft in der Regel das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen den Widerruf zu erklären. Diese Frist beträgt in der Europäischen Union normalerweise 14 Tage ab Erhalt der Ware. Innerhalb der Widerrufsfrist darf die Ware auf die Beschaffenheit geprüft werden.

Flutsch und weg: Wenn das Paket bei der Retoure verloren geht

Der Fall: Annika bestellt bei Marianne Wanderschuhe. Obwohl sie sich genau an die Größenempfehlungen des Shops hält, sitzen die Schuhe nicht richtig. Sie nutzt das Formular im Shop, um den Widerruf anzumelden und sendet die Schuhe mit dem Retourenetikett zurück. Die Schuhe kommen allerdings nie an. Marianne fragt sich nun, ob sie die Kosten trotzdem erstatten muss.

Lösung: Nach dem Verbraucherschutzrecht trägt Marianne als Unternehmerin das Transportrisiko für den Hin- und Rückweg. Relevant ist also nur, dass Annika das Paket auch wirklich abgeschickt hat, was sie in diesem Fall durch den Versendungsbeleg nachweisen kann. Marianne muss den Kaufpreis also erstatten, hat aber möglicherweise einen Anspruch gegen das Logistikunternehmen.

Hinweis: Im Falle eines Widerrufs muss der Kaufpreis erstattet werden, sobald die Ware beim Shop angekommen ist oder die Ware von der Kundschaft versendet wurde. Weist die Kundschaft den Versand nach, muss der Kaufpreis also erstattet werden. Geht die Ware verloren, müssen im B2C-Handel die Verkäufer:innen haften. Das gilt auch für Transportschäden. Geht die Ware auf der Retoure kaputt, weil die Kundschaft sie nicht ausreichend verpackt hat, so haftet allerdings nicht der Händler oder die Händlerin.

Die kostenlose Leihgabe: Wenn Produkte benutzt wurden

Der Fall: Tobias bestellt bei Mareike ein teures Tafelservice. Nach einer Woche erklärt er den Widerruf. Gleichzeitig gibt er eine positive Produktbewertung ab. Das Service habe sich ganz wunderbar auf der Geburtstagsfeier seines Ehemanns gemacht. Auch Lob von den Gästen habe es gegeben. Das erweckt bei Mareike nun natürlich den Eindruck, als habe Tobias das Service nur „leihweise“ für die Feier bestellt. Sie stellt sich nun die Frage, ob sie den Widerruf überhaupt akzeptieren muss. Schließlich ist ihr Shop kein Partyservice, bei dem man kostenlos Ausstattung leihen kann.

Lösung: Ein Widerruf darf nur in engen, gesetzlichen Grenzen abgelehnt werden. Eine Ausnahme besteht allerdings, wenn das Widerrufsrecht ausgenutzt wird. So eine Ausnutzung liegt dann vor, wenn die Bestellung getätigt wurde, obwohl von Anfang an klar war, dass keine echte Kaufabsicht besteht. Tobias' Bewertung ist schon ein sehr starkes Indiz dafür, dass hier das Widerrufsrecht in rechtswidriger Art und Weise ausgenutzt wurde. Ob das allerdings reicht, ist zweifelhaft. Letzten Endes kann es ja auch sein, dass der Farbton nicht gepasst hat. Allein aus dem Umstand, dass Tobias das Geschirr tatsächlich verwendet hat, lässt sich nicht ableiten, dass er es von Anfang an nicht kaufen wollte. Hinzu kommt noch der Umstand, dass ein Widerruf nicht allein deswegen abgelehnt werden darf, weil die Ware benutzt wurde. Dazu im nächsten Beispiel mehr.

Hinweis: In der Praxis ist der Nachweis eines solchen Rechtsmissbrauchs nicht einfach. Der Widerruf muss nicht begründet werden und wenn die Kundschaft nicht gerade freimütig zugibt, gar keine echte Kaufabsicht besessen zu haben, wird es schwer. Ebenfalls kein Grund für eine Ablehnung ist es, wenn die Kundschaft das Widerrufsrecht dazu nutzt, einen besseren Preis auszuhandeln.

Einmal Party und dann zurück: Wenn Produkte beschädigt zurückkommen

Der Fall: Luise bestellt bei Robert ein Hochzeitskleid. Dieses trägt sie auch am großen Tag. Nach der Hochzeit erklärt sie den Widerruf und schickt das Kleid zurück. Robert fällt aus allen Wolken: Das Kleid riecht nach Rauch und Schweiß, die Schleppe ist deutlich abgenutzt und Rotweinflecke sind auch darauf. So kann er das Kleid auf keinen Fall weiterverkaufen. Er spielt mit dem Gedanken, die Retoure einfach abzulehnen, aber: Darf er das?

Die Lösung: Robert darf den Widerruf nicht ablehnen, da die Benutzung der Ware keinen gesetzlichen Grund darstellt. Allerdings hat er einen Anspruch auf Wertersatz, da das Kleid eindeutig über die Beschaffenheitsprüfung hinaus benutzt und sogar beschädigt wurde. Als Wertersatz kann er sogar einhundert Prozent geltend machen, wenn das Kleid wirklich nur noch für die Tonne ist. Im Ergebnis hat er also den Kaufpreis und das Kleid, während Luise nichts hat.

Hinweis: Ein Anspruch auf Wertersatz besteht nicht, wenn Produkte im Rahmen einer vernünftigen Beschaffenheitsprüfung beschädigt wurden. So kann es sein, dass an einem Möbelstück durch den Aufbau Kratzer entstehen. Diesen möglichen Wertverlust müssen Händler:innen hinnehmen.

Nur für dich: Ausschluss des Widerrufsrechts bei individualisierter Ware

Der Fall: Marius bestellt bei Karla ein bedrucktes Kissen. Er schickt ihr ein Familienfoto und sie druckt das ganze auf den Stoff seiner Wahl. Als er das Kissen in den Händen hält, stellt er fest, dass das Kissen kleiner ist, als in seiner Vorstellung. Er schreibt Karla und will das Produkt zurückschicken. Karla weist ihn darauf hin, dass das Kissen exakt die im Shop angegebenen Maße hat und überdies kein Widerrufsrecht bestehe. Zu Recht?

Die Lösung: Karla hat recht. Bei dem Kissen handelt es sich um ein individualisiertes Produkt. Nimmt sie es zurück, könnte sie es aus unterschiedlichen Gründen nicht verkaufen. Zum einen wird es kaum Interessenten geben; zum anderen besteht da auch noch das datenschutzrechtliche Problem. Immerhin sind Fotos von Personen auch geschützt. Hinzu kommt auch noch das urheberrechtliche Problem. Selbst wenn sie wollte, sie dürfte das Kissen auch gar nicht verkaufen. Entsprechend ist es vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.

Schneckenpost: Retoure kommt nach Monaten zurück

Der Fall: Klaus bestellt bei Peter ein Handy und erklärt noch am Tag der Zustellung den Widerruf. Danach passiert erst mal monatelang nichts. Nach fast einem Jahr schickt Klaus das Handy dann doch zurück. Peter fragt sich, ob er den Widerruf annehmen muss. Immerhin war das Handy schon zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr das aktuelle Modell. Es nun noch zum ursprünglichen Preis loszuwerden, dürfte kaum möglich sein.

Die Lösung: Peter muss das Handy dennoch annehmen. Es kommt lediglich darauf an, ob der Widerruf rechtzeitig erklärt wurde. Das ist hier passiert. Aber welchen Sinn hat es, dass im Gesetz auch eine Frist für die Rücksendung verankert ist? Durch die zu späte Rücksendung ist Klaus in Verzug geraten und hat sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig gemacht. Der Schaden beruht hier in dem Fall auf dem Fakt, dass die Zeit das Handy überholt hat.

Och nö, doch nicht: Annahme verweigert, und nun?

Der Fall: Maria bestellt bei Annabell neues Werkzeug für ihren Hobbyraum. Als der Paketbote klingelt, überlegt Maria es sich kurzerhand anders und verweigert einfach die Annahme. Das Paket geht zurück und Annabell muss mehr Kosten tragen. Sie fragt sich, was jetzt konkret zu tun ist. Immerhin hat sie auch nichts von Maria gehört.

Die Lösung: Die Annahmeverweigerung an sich ist noch kein Widerruf. Zum Widerruf gehört immer auch eine Widerrufserklärung. Kommt diese nun nicht innerhalb der Widerrufsfrist, kann Annabell Maria dazu auffordern, die Ware auf ihre Kosten wieder abzunehmen. Auch die Kosten für die Annahmeverweigerung müsste Maria dann zahlen. 

Veröffentlicht: 25.07.2024
img Letzte Aktualisierung: 25.07.2024
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Sandra May

Sandra May

Expertin für IT- und Strafrecht

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