Jeff Bezos’ nächste große Wette? – So soll Gedankensteuerung möglich werden

Veröffentlicht: 20.09.2024
imgAktualisierung: 20.09.2024
Geschrieben von: Tina Plewinski
Lesezeit: ca. 5 Min.
20.09.2024
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Digitalisierung des Gehirns: So soll Gedankenkontrolle möglich werden
sdecoret / Depositphotos.com
Das Start-up Synchron hat sich darauf spezialisiert, gelähmten Menschen mit hochmoderner Technik zu helfen. Schritt für Schritt werden dabei immer neue Potenziale ausgelotet.


Es klingt wie eine Mischung aus hochmoderner Wissenschaft und Science-Fiction-Film: Das US-amerikanische Jungunternehmen Synchron hat sich auf ein sogenanntes Brain-Computer-Interface, also eine Schnittstelle zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern, spezialisiert.

Einfach formuliert: Das Start-up arbeitet an einer Möglichkeit, dass Menschen künftig Computer auf neuen Wegen steuern können – und zwar mithilfe ihrer Gedanken. Möglich wird dies durch den Einsatz hoch entwickelter Implantate, die den Menschen ins Gehirn eingesetzt werden. Mit diesem Konzept ist Synchron bereits auf größeres Interesse bei Investoren gestoßen: Unter ihnen ist kein Geringerer als Amazon-Gründer Jeff Bezos.

So funktioniert die PC-Steuerung per Gedanken

Von den Geräten sollen Patientinnen und Patienten mit Beeinträchtigungen beziehungsweise Lähmungen profitieren, die bisher nicht in der Lage waren, Technologien wie Computer ohne fremde Hilfe zu nutzen. Mithilfe von Implantaten werde es ihnen dann möglich, etwa Mauszeiger von Computern via Gedankenkontrolle zu steuern, heißt es bei t3n.

Die Implantate von Synchron besitzen Sensoren, mit denen Gehirnsignale erfasst werden können. Sie werden den Probanden ohne Gehirnoperation eingesetzt: Ähnlich wie ein Koronarstent bei herzkranken Patientinnen und Patienten wird das Gerät in eine Vene implantiert, von wo es sich mithilfe des Blutkreislaufs ins Gehirn bewegt. Dort angekommen, soll sich das Gerät dann mit einem Implantat verständigen, welches in die Brust des Trägers integriert wurde. Dieses wiederum ist dann in der Lage, mit dem gewünschten Endgerät, also beispielsweise dem Computer, zu kommunizieren.

Video: E-Mails und Online-Shopping – möglich durch Gehirnimpulse

Entsprechende Tests gibt es schon etwas länger. Im Herbst 2020 gab Synchron Einblicke in eine erste Studie am Menschen, bei der es Patientinnen und Patienten mit schwerer Lähmung ermöglicht wurde, SMS und E-Mails zu schreiben oder Online-Shopping und Bankgeschäfte durchzuführen – ohne ihre Hände zu nutzen. Stattdessen wurden die entsprechenden Gehirnimpulse der Probanden drahtlos übertragen, sodass sie damit digitale Geräte steuern konnten. Wie das Ganze schon damals funktionierte, zeigt ein entsprechendes Video.

[Hinweis: Über die Funktionsleiste von YouTube lassen sich im Video nicht nur automatisch Untertitel einstellen. Diese können über das Zahnrad-Symbol „Einstellungen“ auch automatisch ins Deutsche übersetzt werden.]

Neue Chancen durch KI

Seit den ersten Tests am Menschen hat sich allerdings viel getan. Die Zahl der Patientinnen und Patienten, die die Möglichkeiten der Hirnimplantate im Rahmen klinischer Studien ausloten, ist nach Angaben von CNBC auf mittlerweile zehn gestiegen (Stand: Ende Juli). Darüber hinaus ist der Hype um den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) auch an Synchron nicht vorbeigegangen. Ganz im Gegenteil: Wie so viele andere Unternehmen glaubt offenbar auch das Start-up, dass sich durch diese neue Technologie weitere Potenziale ergeben.

Enorm seien solche Potenziale zum Beispiel für Menschen, die sich verbal nicht äußern können und auf technische Hilfsmittel angewiesen sind: Obwohl sich das Gehirn-Computer-Interface bisher bereits als große Hilfe in Kommunikationssituationen bewies, ist ein Wort-für-Wort-Eintippen von Nachrichten mittels Gedankenübertragung noch immer recht aufwendig. Indem das System mit dem bekannten KI-Chatbot ChatGPT gekoppelt wird, sollen sich die Verwenderinnen und Verwender noch schneller und einfacher äußern können.

KI übernimmt Gewohnheit des Fluchens

Als Beispiel für einen verbesserten Austausch zieht Synchron in einem aktuelleren Video aus dem Sommer 2024 die Kommunikation mit medizinischem Fachpersonal heran. Auf die Nachricht einer Arztpraxis kann ChatGPT etwa passende Antworten generieren – bei einer Terminanfrage beispielsweise eine Zu- oder Absage –, aus denen dann frei gewählt werden kann. Bei der Erstellung der Antworten berücksichtige die künstliche Intelligenz nicht nur den Kontext der Gesprächssituation, sondern auch den bisherigen Gesprächsverlauf, heißt es weiter. 

Die Wahl der vorgeschlagenen Antwort passiert dann wieder mithilfe der Gedankenkontrolle, wie im nachfolgenden Video zu sehen. Übrigens: Sollte einmal keine der vorgeschlagenen Antworten passen, können neue KI-Antworten generiert oder eine individuelle Antwort erstellt werden.

In einem Interview habe der dargestellte Proband außerdem davon berichtet, dass die KI in vorgeschlagene Antworten ab und zu sogar ein Schimpfwort einstreut, das er selbst hin und wieder nutze. Daran zeige sich, dass sie immer besser darin werde, „Antworten zu geben, die eher zu dem passen, was er sagen könnte“, heißt es bei CNBC weiter.

Die Tests geben Hoffnung, dass vielen Betroffenen schon bald geholfen werden kann. Bis die Technik massentauglich werde, dürfte es allerdings noch ein Weilchen dauern. Kostentechnisch soll sie sich auf ähnlichem Niveau wie Herzschrittmacher oder Cochlea-Implantate, also elektronische Hörprothesen, befinden: 50.000 bis 100.000 US-Dollar werden voraussichtlich für ein solches Gehirn-Computer-Interface von Synchron verbucht.

Namhafte Investoren schon vor der KI-Erweiterung

Auch namhafte Branchenplayer zeigen sich offenbar beeindruckt von Synchrons Konzept und einer womöglich fruchtbringenden Tech-Zukunft des Unternehmens. Ende 2022, also noch vor der aktuellen KI-Implementierung, wurde der Abschluss einer Finanzierungsrunde verkündet – in Höhe von 75 Millionen US-Dollar. Neben Amazon-Gründer Jeff Bezos, der sich über seine Investmentfirma Bezos Expeditions beteiligte, war unter anderem auch Microsoft-Mitbegründer Bill Gates über Gates Frontier mit an Bord.

Als milliardenschwere Unternehmer und Gründer führender Tech- und Cloud-Anbieter dürften beide Promis jedenfalls einiges Interesse an entsprechender Technik haben, die zukunftsweisend und womöglich befähigt ist, die Welt grundlegend zu verändern. Denn theoretisch muss eine Steuerung alltäglicher elektrischer Geräte wie Computer, Fernseher, Smart-Home-Produkte oder sonstiger Gadgets natürlich nicht ausschließlich Menschen mit Beeinträchtigung vorenthalten sein. Die Potenziale sind also grundsätzlich riesig und eine Investition könnte sich langfristig lohnen.

Mit Gehirnimplantaten in die Zukunft

Das mögliche Potenzial von Gehirnimplantaten sieht beispielsweise auch Elon Musk, der mit seiner Firma Neuralink ebenfalls in diesem Bereich aktiv ist. Erst vor wenigen Wochen hatte er in einem Podcast mit dem Informatiker und YouTuber Lex Fridman von einem Patienten mit Rückenmarksverletzung erzählt, dem ein Gehirnchip eingesetzt wurde. Es handele sich bereits um den zweiten Testpatienten, wobei im Zuge klinischer Studien acht weitere Menschen ein entsprechendes Hirnimplantat erhalten sollen.

„Der erste Patient kann mit dem Gehirnchip mittlerweile Videospiele spielen, im Internet surfen und einen Cursor bewegen. Langfristig will Musk mithilfe solcher Chips Kranken helfen, die unter Parkinson, Demenz oder Depressionen leiden“, heißt es dazu in einer Reutersmeldung

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 20.09.2024
img Letzte Aktualisierung: 20.09.2024
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Tina Plewinski

Tina Plewinski

Expertin für Amazon

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