Nach langem Hin und Her wurde am 1. April 2024 das Hanf freigegeben. Seitdem ist der Besitz und Anbau von Cannabis für den Eigenkonsum unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Für den kommerziellen Gebrauch gelten allerdings andere Vorschriften. Ein Unternehmen, das bereits länger mit Cannabisprodukten handelt, ist Marry Jane. Der Schweizer Händler kultiviert sowohl THC- als auch CBD-haltiges Cannabis und verfügt über die Lizenz, europaweit THC-haltiges Medizinalcannabis zu vertreiben.
Im Interview spricht CEO Rico Üslük über die Herausforderungen der Branche, wie sich eine sichere Lieferketten aufbauen lässt, welche Marketingstrategien wirklich funktionieren und inwieweit Händler von Cannabisprodukten Aufklärung über einen verantwortungsvollen Konsum leisten müssen.
Gesetzliche Entwicklungen eröffnen neue Räume
Erzählen Sie uns etwas über Ihr Unternehmen. Wie lange gibt es Marry Jane schon und was genau verkaufen Sie? In welchen Ländern verkaufen Sie Ihre Produkte? Bauen Sie selber Cannabis an oder verkaufen Sie die Produkte nur?
Rico Üslük: Marry Jane wurde 2017 in Breitenbach, Schweiz, gegründet und zählt zu den ersten und führenden Akteuren der europäischen Cannabisindustrie. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die vertikale Integration vom Anbau über die Produktion bis zum Einzelhandel. Das Unternehmen kultiviert sowohl THC- als auch CBD-haltiges Cannabis und verfügt über die Lizenz, THC-haltiges Medizinalcannabis zu vertreiben. Zu den Produkten gehören THC-Samen, bald auch THC-Stecklinge, CBD-Blüten, Öle, Vapes und Sportgels, die alle mit den höchsten Schweizer Qualitätsstandards hergestellt werden und mehrfach ausgezeichnet sind. Wir bieten unsere Produkte in nahezu allen europäischen Ländern an, der Fokus liegt aktuell jedoch vor allem auf unserem Heimatmarkt, der Schweiz, sowie auf Deutschland. Die gesamte Produktion erfolgt in der unternehmenseigenen Indoor-Kultivierungsanlage in Breitenbach, Schweiz, welche die größte ihrer Art in Europa ist. Dort können wir über 20 Tonnen Cannabis jährlich produzieren.
Welche gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften müssen Sie beachten, um Cannabisprodukte in Ihrem Markt zu verkaufen? Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Verkaufs- und Marketingpraktiken den örtlichen Gesetzen und Vorschriften entsprechen?
Wir halten uns selbstverständlich an alle gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften, darunter u.a. die GACP-Vorschriften (Good Agricultural and Collection Practice) der European Medicines Agency (EMA) oder die Vorgaben seitens Swissmedic zur Lizenzierung des Vertriebs von THC-haltigem Medizinalcannabis. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird mitunter durch strenge interne Qualitätskontrollen und die Implementierung eines Track-and-Trace-Systems gewährleistet, das die Nachverfolgbarkeit jedes Produkts vom Einpflanzen bis zum Verkauf ermöglicht. Zudem setzen wir im Umgang mit den öffentlichen Behörden auf vollständige Transparenz. Und darüber hinaus haben wir den eigenen Anspruch, die höchsten Qualitätsstandards, die es in der Branche gibt, umzusetzen, um für unsere Kunden die bestmögliche Qualität zu liefern.
Mit dem gleichen Ernst und Ehrgeiz behandeln wir etwaige Auflagen bzgl. Vertrieb, Marketing und Kommunikation – so würden wir beispielsweise in unserer Kundenansprache niemals Kinder oder Jugendliche adressieren.
Wie hat sich die jüngste gesetzliche Entwicklung in Deutschland auf Ihr Unternehmen und Ihre Betriebsabläufe ausgewirkt? Haben Sie bereits Änderungen vorgenommen oder planen Sie diese in bestimmten Bereichen?
Die jüngsten gesetzlichen Entwicklungen in Deutschland haben Marry Jane die Möglichkeit eröffnet, THC-haltiges Medizinalcannabis zu kultivieren und auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen hat bereits die Lizenz dafür erhalten und im April mit der Kultivierung verschiedener THC-Sorten begonnen. Wir planen, im Spätsommer die erste Charge zu liefern. Zudem haben wir die Möglichkeit, unseren Kunden in der Schweiz seit dem 1. April THC-Samen und Stecklinge anzubieten.
Die neuen Entwicklungen ermöglichen es uns zudem, dank der Forschungslizenz, über die wir verfügen, weiter in Forschung und Entwicklung zu investieren und fortwährend innovative THC-Genetiken zu entwickeln. Inwiefern sich weitere Möglichkeiten auftun, werden wir anhand weiterer Gesetzgebungsprozesse mit Blick auf die Säule 2 sehen.
Rasant steigende Kundennachfrage
Haben Sie seit der Bestimmung zur Legalisierung Änderungen im Kaufverhalten ihrer Kunden erlebt?
Ja. Ein gutes Beispiel sind hier THC-Samen zum Eigenanbau. Wir haben mittlerweile 20 verschiedene THC-Strains für den Eigenanbau im Angebot und die Nachfrage nach diesen Samen steigt rasant. Wir beobachten diese Entwicklungen genau und passen unsere Produktionskapazitäten entsprechend an, um den wachsenden Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden.
Wie verwalten Sie den Verkauf von Cannabisprodukten an Personen über dem gesetzlichen Mindestalter? Welche Vorkehrungen treffen Sie, um den Verkauf an Minderjährige zu verhindern?
Wir setzen auch hier auf strenge Standards, um sicherzustellen, dass unsere Produkte nur an Personen über dem gesetzlichen Mindestalter gehen. Bevor man überhaupt auf unseren Shop auf marryjane.com zugreifen kann, erfolgt die erste Altersabfrage. Darüber hinaus arbeiten wir intensiv mit unseren Vertriebspartnern zusammen, um die Einhaltung der Altersgrenzen sicherzustellen.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Einrichtung einer kommerziellen Lieferkette für Cannabisprodukte?
Wir verfügen ja bereits über eine kommerzielle Lieferkette für Cannabisprodukte, deren Vertrieb mit der aktuellen Gesetzeslage konform ist. Grundsätzlich erfordert die Einrichtung einer solchen Lieferkette die Einhaltung strenger gesetzlicher Vorschriften, den Aufbau eines zuverlässigen Logistiknetzwerks und die Sicherstellung einer konstant hohen Produktqualität. Wir begegnen diesen Herausforderungen durch den Einsatz modernster Trace- & Tracking-Technologien, strenger Qualitätskontrollen und der Zusammenarbeit mit erfahrenen Logistikpartnern.
Wie gehen Sie mit den Herausforderungen der Werbung für Cannabisprodukte um, insbesondere in Bezug auf gesetzliche Beschränkungen?
Wir setzen voll und ganz auf verantwortungsvolle Marketingstrategien, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Dies umfasst die klare Kennzeichnung der Produkte, die Einhaltung von Werbebeschränkungen und die Aufklärung der Verbraucher über den sicheren und verantwortungsvollen Gebrauch von Cannabisprodukten. Als Unternehmen arbeiten wir eng und transparent mit Regulierungsbehörden und externen Partnern zusammen, um sicherzustellen, dass alle Marketingmaßnahmen konform sind. Zudem gibt es andere Produktkategorien, die bereits vorgemacht haben, dass eine regulierte Form der Abgabe und Werbung funktionieren kann. Denkt man an Alkohol in Gaststätten, so ist es in der Gesellschaft etabliert, dass keine Abgabe an Minderjährige erfolgt. Auch die Tabak- und Nikotinindustrie lebt mit Einschränkungen – betreiben aber ihr Geschäftsmodell erfolgreich. Ich vergleiche wirklich nur ungern Cannabis mit diesen signifikant unterschiedlichen Branchen, aber man kann sehen, dass auch die Cannabis-Branche reguliert wachsen – und damit den Schwarzmarkt signifikant einschränken kann.
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