Gerade die Logistik hat mit hohen Krankenständen zu kämpfen. Branchenexperten haben in einem Workshop des Händlerbund und der eCONment GmbH wichtige Fragen zum Thema erläutert. In unserem Bericht halten wir nochmal die wichtigsten Ergebnisse für unsere Leser fest.

Die Krankenstände in den gewerblichen Bereichen des E-Commerce sind in den Unternehmen, als auch in der Presse, ein stetiges Thema. Während dieser Watchblog Beitrag aus Dezember 2014 Ansätze, sowie mögliche Vorgehensweisen bei einer Umsetzung eines Gesundheitsmanagements aufgriff, haben wir am 23.03.2015 in einem Workshop in Frankfurt bei der BLG Logistics Group die Gelegenheit gehabt, dieses Thema umfassender und zudem unter weiteren Gesichtspunkten zu beleuchten.

 

Hier finden Sie noch weitere Details sowie die Inhalte zu dem durchgeführten Workshop, der erstmalig gemeinsam vom Händlerbund und der eCONment GmbH angeboten wurde.

Workshop von Händlerbund und eCONment GmbH  

Die Teilnehmer und Referenten nutzten die Gelegenheit des Austauschs untereinander, und diskutierten aktuelle Trends und mögliche Ansätze in den Paketfabriken.

 

Hierbei war es im Rahmen einer Einführung durch Herrn Bernd Kratz (Geschäftsführer der EMA GmbH) zum einen spannend zu sehen, wie das Internet durch seine rasante Entwicklung Menschen und somit Käufer und Unternehmen beeinflusst hat. Gleichzeitig gab es diesbezüglich Ausblicke auf was wir uns einstellen, und wo uns die Entwicklungen zukünftig hinführen könnten.

 

Auch war es interessant zu verfolgen warum u.a. gerade diese Entwicklungen eine zunehmende Belastung für die Unternehmen sowie die Mitarbeiter in der Intralogistik darstellen. Denn die heute geforderte „Sofortness“, also die Liefergeschwindigkeit, und die Erwartungshaltung an Qualität und Service, lassen den stetigen Erfolgsdruck im Handel nicht wegdiskutieren.

 

Natürlich kostet Qualität, Service und Geschwindigkeit auch Geld. Gerade hier zeigt die Praxis, dass daraus gleichzeitig ein nicht unerheblicher Kostendruck in den Unternehmen entsteht.

Und wenn wir hierbei mal den Blick fokussiert auf die Logistik richten, wird häufig versucht Einsparungen in den größten Kostenblöcken

 

  • Verbrauchsmaterialen (Verpackungsmaterial etc.)
  • Frachtführerkosten
  • Logistikausstattung / Arbeitsmaterialien
  • Personalkosten

 

zu erzielen. Rein kaufmännisch betrachtet macht dies, in Hinblick der größten Hebelwirkung, ja auch durchaus Sinn. Gleichzeitig zeigt dies aber auch auf, dass sich diese Vorgehensweise auf die Human Resources wenig positiv auswirkt. Zumindest dann nicht, wenn bestimmte Faktoren aussen vorgelassen werden, und es Unternehmen versäumen die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Menschen auch ermöglichen oder sie dabei unterstützen eine konstante hohe Leistung abzurufen.

 

Diese Ansätze wurden durch die Referenten Ralf Büchner (Director Global Management - Swisslog AG), Adrian Siegler (Geschäftsführer - Grenzebach Automation GmbH) sowie Herrn Andreas Oy (Leiter Business Development - SSI Schäfer Noell GmbH) aufgegriffen, denn sie zeigten in ihren Vorträgen die heutigen technischen Möglichkeiten auf.

 

Hierbei gab es z.B. interessante Einblicke im Rahmen von Ergebnissen aus Studien die sich mit der Arbeitsbelastung in der Intralogistik befassen. Gleichzeitig wurden die Entwicklungen der heutigen Systeme aufgezeigt.

 

Hier scheint es einen Trend zu geben, weg vom „Person zur Ware“ - Prinzip (Früher „Mann zur Ware“), also der manuellen Kommissionierung, hin zum „Ware zur Person“-Prinzip, gleichzeitig waren aber auch die modernen Arbeitsplatzgestaltungsmöglichkeiten ein großes Thema.

 

Auch stand ein weiterer Treiber von Krankenständen im Fokus dieses Workshops.

 

Frau Nathalie Tenckhoff (Event-Expertin und Gesundheitscoach - dellian-consulting) referierte über den unterschätzen Einfluss der Führungskräfte auf die Gesundheit der Mitarbeiter in Unternehmen. Dies wurde durch empirische Studien untermauert, gleichzeitig wurden erste Ansätze gezeigt, welche Verhaltensmuster sich positiv auf das Wohlbefinden und somit die Leistungsbereitschaft auswirken, und ergänzend ging Frau Tenckhoff eindrucksvoll auf die Zusammenhänge von Führungsverhalten und Krankenstand ein, und zeigte Wege eines gesundheitsförderlichen Führungsstils auf.

 

Um Ihnen eine adäquate Berichterstattung zu liefern, und um auf die einzelnen Themen detaillierter eingehen zu können, möchten wir hierzu im Rahmen des Watchblogs eine kleine Serie starten.

 

Dies unterstreicht auch gleichzeitig die Wichtigkeit dieses Themas, das auch der Arbeitskreis Logistik, den der Händlerbund Ende 2014 ins Leben gerufen hat, auf seine Agenda gesetzt hat.

 

Schnelligkeit, hohe Qualität und Kostendruck - Zwischen Jammern und Begeisterung - Bernd Kratz EMA GmbH

 

Deutschland ist im „Jammern“, so Kratz, Weltmeister und verweist in seinem Vortrag mit einem Augenzwinkern auf einen Bericht der Bild-Zeitung.

 

Gemeint ist hier also eher unsere Herangehensweise das Glas, statt halbvoll auch mal eher gerne halbleer zu sehen. Dies kann eine Grundhaltung darstellen, und kann somit auch gleichzeitig zu der Diskussion führen, wie kann ich denn meine Mitarbeiter motivieren? Gerade bei monotonen Tätigkeiten kann dieses Vorhaben durchaus eine große Herausforderung darstellen.

Und oftmals ist dies auch nicht über die Aufgabe als solches realisierbar. Ein Paradigmenwechsel ist erforderlich, denn die einzige Motivation die nachhaltig wirkt, ist die intrinsische Eigenmotivation.

 

Bernd Kratz spricht im Zuge dessen von einem Begeisterungs-Transfer, und verweist gleichzeitig auf einen gut und schnell zu konsumierenden Klassiker in der Führungsliteratur. Ein kurzes Buch mit dem Titel „The Fish Philosophy“, das in einem kurzen Videoausschnitt angespielt wird.

 

Sicherlich sollte hier nicht der Fehler begangen werden zu generalisieren

Die Erfahrung zeigt, dass der kulturelle Unterschied eine relevante Rolle spielt. Übertragen auf Unternehmen bedeutet das, dass nicht jede Vorgehensweise zur gelebten Unternehmenskultur passt.

 

Dennoch ist dies ein sehr plakatives Beispiel welche alternativen Sichtweisen, auch unter widrigen Umständen (hier die Arbeitsbedingungen) eingenommen werden können. Wenn dann noch die Rahmenbedingungen passen, fördern diese zusätzlich den Spaß der Mitarbeiter und unbeliebte Tätigkeiten, die eben auch erledigt werden müssen, gehen leichter von der Hand.

 

In welchen Branchen sind die Krankenquoten am höchsten?

 

Zusammenfassend lässt sich hierzu festhalten, dass es kaum Branchen gibt, die prozentual vergleichbar hohe oder gar höhere Krankenquoten aufweisen, als die der gewerblichen Mitarbeiter in den Logistikzentren.

 

Zu nennen wären hier noch Reinigungsberufe, oder auch nichtmedizinische Gesundheits- oder Wellnessberufe. Diese Branchen weisen ebenfalls Quoten bis zu 22,8% auf, so Kratz.

Das Internet als Treiber von krankheitsbedingten Fehlzeiten?

 

Auch wenn in der E-Commerce Branche Amazon häufig als Treiber neuer Standard gesehen wird, entwickelt sich bei genauerem Hinsehen ein Gigant eines völlig anderen Ausmaßes.

 

Das geht nicht?

 

Die Alibaba Group zeigt gerade, dass es doch geht! Mit einem Rekordumsatz am 11.11.2014 von 9,3 Milliarden US-Dollar und an diesem Tag verschickten Paketen von 278,5 Millionen Stück, legt das Unternehmen eine rasante Entwicklung vor und wird damit zukünftig weitere Maßstäbe setzen. Hinzu kommt ein völlig anderes kulturelles Umfeld. Auch hier ist zu vermuten, dass die dort vorzufindenden Werte, Sitten, Bräuche, das soziales Verhalten und die Arbeitsmoral eine Auswirkung auf die bestehende globale kulturelle Dynamik haben könnten.

 

Gleichzeitig muss die Frage gestellt werden, ob der bestehende Entwicklungs- und Veränderungsdruck dem sich die Unternehmen ausgesetzt sehen, der „Null-Fehler“ - Logistikansatz, und die zunehmende Leistungsanforderungen wie höhere Paketmengen, Pickquoten, Durchlaufzeiten der Aufträge etc. ein wesentlicher Grund für die psychische und physische Belastung der Logistikmitarbeiter sind.

 

Herr Kratz führt hier im Rahmen seiner weiteren Präsentation ein Cluster der Krankheitsursachen auf. Demnach sind psychische Störungen als auch die Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes die zwei häufigsten Erkrankungen die zu Fehlzeiten führen.

 

Hinzu kommt, dass diese meist zu längeren Ausfallzeiten und aufwändigen Wiedereingliederungsmaßnahmen führen. Gleichzeitig ist der Zeitrahmen der Genesung als auch die spätere Belastbarkeit des Mitarbeiters für alle Beteiligten so gut wie nicht kalkulierbar.

Hier einige der gezeigten Charts (Quelle: EMA GmbH)

Krankheiten in der Logistik.
© Randy Meinhard
© Randy Meinhard
© Randy Meinhard

Neben der Darstellung der Erkrankungen, der Belastungsschwerpunkte, wirft die in diesem Chart dargestellte Altersstruktur, im Vergleich 2006-2012, eine weitere Frage auf:

 

Droht uns eine Überalterung in den Paketfabriken?

 

Die Verschiebung innerhalb der dort dargestellten sieben Jahre, lässt sich sehr gut an den hellen sowie den dazugehörigen grünen Balken erkennen. Die Situation des demographischen Wandels wird ja häufig diskutiert, doch welche Rückschlüsse lassen sich u.a. in diesem Kontext daraus ziehen?

 

Herr Kratz verweist hier auf den bereits jetzt klar zu spürenden Mangel an Arbeitskräften eben nicht nur in den Fachbereichen, sondern auch im gewerblichen Bereich. Das Thema Altersarmut das im Rahmen dessen ebenfalls genannt und diskutiert wurde , könnte zukünftig verstärkt dazu führen, dass Logistikmitarbeiter länger in Ihrem Beruf aktiv sein müssen.

 

Eine Spirale die zwingend zu neuen Lösungen führen müsste, um Unternehmen und deren Mitarbeiter im Rahmen dieser Herausforderung zu unterstützen!

 

Science Fiction oder mögliche Ansätze?

 

Exoskelett für die Logistik.
© Randy Meinhard

Exosklett = Unterstützung der Bewegungen des Menschen

 

Gesteuert durch eine Kombination aus einem biosensorischem System (Bio-Cybernic Control System) und einem autonomen robotischen Steuerungssystem. Will sich der Mensch bewegen, sendet das Gehirn schwache elektrische Signale an die Muskeln, die auf der Haut messbar sind. Diese Signale werden von im Anzug integrierten Sensoren erfasst und in Steuerungsdaten übersetzt.

 

Die Erfahrung zeigt, dass sich neue Ansätze selten so schnell entwickelt haben, wie in der heutigen Zeit.

 

Same Day Delivery, Kommissionierung durch Roboter, Drohnenzustellung all diese Themen wurden vielleicht zuerst spontan belächelt, jedoch ist es bereits heute Realität, dass an diesen Entwicklungen gearbeitet wird, oder diese verstärkt realisiert werden und sich zu einem zukünftigen Standard entwickeln.

 

Und auch eine Entscheidung gegen Drohnenflüge in den USA wird ein Unternehmen wie z.B. Alibaba nicht davon abhalten, sich mit solchen Dingen zu befassen und diese bereits heute realisieren. Im Februar 2015 gab es dazu bereits einige Pressemeldungen, wie z.B. diese hier die auf heise.de zu finden war.

 

Unter der Annahme der These, dass durch all diese Entwicklungen die Belastungen in den Unternehmen tendenziell weiter zunehmen werden, ist es auch wenig verwunderlich, dass Anbieter für Lagertechnik, die Themen Automatisierung , ergonomische Arbeitsplatzgestaltung mit dem Fokus einer Entlastung für die Mitarbeiter in der Intralogistik sehr ernst nehmen und verstärkt Lösungen dafür anbieten.

 

Gleichzeitig ist ein Trend zu einem höheren Flexibilisierungsgrad unter der bestmöglichen Einbindung der Menschen zu erkennen.

 

Ergänzend kommt hinzu, dass Themen wie die Vertragslaufzeiten für Logistikimmobilien, eine tendenziell unsichere Geschäftsentwicklung, oder eine kaum kalkulierbare Produktvielfalt, weitere Herausforderungen darstellen.

 

Eine Herausforderung die die Unternehmen im Rahmen Ihrer Entwicklung der Lagertechnik erkannt haben, und über die ich gerne im nächsten Teil eingehen möchte.

 

Hier finden Sie die weiteren Teile unserer Themenreihe:

Krankenstand in der Logistik - Teil 2

Krankenstand in der Logistik - Teil 3