Was kann man als Unternehmen machen, wenn die Mitarbeiter überdurchschnittlich oft krank sind? Dieses Phänomen kommt gerade in der Logistik oft vor und sollte von Unternehmen mit Bedacht angegangen werden. Wir zeigen in unserem Bericht, was es dabei zu beachten gilt.


„Druck und Hetze machen Amazon-Mitarbeiter krank“. Diese Headline war am 08.12.2014 auf Focus Online zu lesen und auch weitere ähnlich lautende Pressemeldungen ließen am gleichen Tag nicht lange auf sich warten. Von Krankenquoten zwischen 11% und 25% je nach Standort für die gewerblichen Unternehmensbereiche wurde dort berichtet. Das lässt bei uns Logistikern gleich mehrere Fragen aufkeimen.

Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass die Krankenstände in den gewerblichen Bereichen meist über dem Bundesdurchschnitt von 3,8% (2013) liegen. Dennoch sollten derartige Zahlen oder stetig steigende Krankenstandszahlen in Unternehmen generell als alarmierend angesehen werden.

Natürlich: Die Gründe warum in gewerblichen Bereichen mit einer erhöhten Krankenquote kalkuliert wird, sind aufgrund der höheren körperlichen Belastung vielschichtig. Doch auch in den anderen Unternehmensbereichen ist ja heute ein steigender Leistungsdruck zu verzeichnen.

Der unternehmensweite Blick als wichtiger Bestandteil

Denn es gibt knappe zeitliche Vorgaben und eine Diversität an unterschiedlichen Aufgaben. Das Erreichen von Kennzahlen und die einhergehende stetige Steigerung und Optimierung der Performance sind stetige Ziele, eine herausfordernd hohe Anzahl an Mitarbeitern für Führungskräfte, gleichzeitig eine vielfältige Informationsflut und die erwartete „Sofortness" in den Responsezeiten von E-Mails, sowie eine permanente Erreichbarkeit etc.

Das Alles stellt Mitarbeiter, Führungskräfte und Management täglich und unternehmensweit vor viele neue Herausforderungen. Diese Entwicklungen sind es somit auch, welchen Mediziner immer häufiger zu Recht bescheinigen, nicht gerade als lebensverlängernde Maßnahmen zu agieren. Die Praxis zeigt dabei gleichzeitig, dass die genannten Argumente inhaltlich natürlich richtig sind, sich jedoch auch nicht immer wirtschaftlich sinnvoll vermeiden lassen.

Arbeitgebermarkt vs. Arbeitnehmermarkt

Zusätzlich bewegen wir uns in einem immer schneller werdenden Markt, dessen rasante Entwicklung sich nur schwer stoppen lässt. Und für die Unternehmen bedeutet diese Herausforderung gleichzeitig an Ihrer eigenen Attraktivität zu arbeiten, denn der Arbeitsmarkt hat sich bereits heute schon von einem Arbeitgebermarkt in einen Arbeitnehmermarkt gewandelt.

Heute ist dies unter dem Begriff „Fachkräftemangel“ ein bekanntes und stetiges Thema, jedoch ist in seiner Entwicklung auch immer stärker absehbar, dass sich dieser Prozess früher oder später in einen allgemeinen Mitarbeiterkräftemangel ausdehnen wird.

Die Frage die sich somit, stetig in gewissen Abständen, stellen und zur Kultur werden sollte ist die Folgende: „Wie schaffe ich es als Unternehmen meine Mitarbeiter bestmöglich in ihren Tätigkeiten zu unterstützen, wie können bessere Strukturen und ein optimales Umfeld geschaffen werden, und wie sehen die dazugehörigen Arbeitsmittel und Arbeitsplätze aus, damit die Leistungen die ich für mein gezahltes Gehalt auch einfordern möchte, dauerhaft geleistet werden können?“

Denn neben einem gesunden und leistungsfähigen, respektive willigen Team benötigen Unternehmen dafür in erster Linie zufriedene und intrinsisch motivierte Mitarbeiter! Wie schaffen Unternehmen ein Umfeld in dem gerne gearbeitet und somit auch Leistung erbracht wird, in dem auch über unbeliebte Aufgaben hinweggesehen wird mit dem Wissen, dass auch diese Tätigkeiten erledigt werden müssen?

Daher sollte die Frage nach Lösungskonzepten und stetigen Optimierungsmöglichkeiten zur Unternehmenskultur werden, denn der Antrieb zu Prozessoptimierungen und Unternehmensverbesserungen jeglicher Art ist ja auch ein stetiges Kernthema.

Nicht an den Symptomen arbeiten, sondern an den Ursachen

Die Erfahrung zeigt, dass eine unnötig hohe Krankenquote nicht nur ein hoher Kostentreiber als solches ist, sondern ergänzend dazu führt, dass diese Kosten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten alleine schon durch den demographischen Wandel überproportional zunehmen werden.

Somit sind heute diesbezüglich getätigte Einsparungen nicht nur zu kurz gedacht, sondern auch die Saat welche die Unternehmen in Zukunft ernten werden.

Aus psychologischer Sicht gibt es drei klassische Hauptgründe, die Mitarbeiter langfristig an Unternehmen binden können:

  1. 1. Die Unternehmenskultur (Qualität des Umgangs und der Führung, der Kommunikation, der Kollegen, inwieweit wird auf Mitarbeiterwünsche eingegangen etc.)
  2. 2. Der Spaß an der Aufgabe (Weiterbildungsmöglichkeiten, Arbeitszeiten, Qualität der Ausbildungsstände der Kollegen/Teams) etc.
  3. 3. Der monetäre Aspekt als Synonym für das regelmäßige Einkommen incl. sämtlicher Zusatzleistungen

Fehlt einer oder gar mehrere dieser Aspekte, oder sind diese nur unzureichend ausgeprägt vorhanden, keimen schnell Abwanderungsgedanken auf. Hinzu kommt, dass Unternehmen dadurch ungewollt sogar die Konkurrenz stärken können, sofern diese in genau diesen Disziplinen einfach einen besseren Job macht.

Gesundheitsmanagement als Teil der Unternehmenskultur

  1. 1. Die Unternehmensleitung sollte in Abstimmung mit der Personalabteilung und den Führungskräften, die Ziele der Maßnahmen festlegen. Was soll erreicht werden? Das Projekt wäre in diesem genannten Fall auch ideal im Personalbereich aufgehängt.
  2. 2. Ist ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden, ist es empfehlenswert diesen über die Absicht, hier zukünftig einen Schwerpunkt legen zu wollen, zu informieren und ins Boot zu holen. Er sollte sich aktiv einbringen und beteiligen können. Dies hat auch später in der Kommunikation an die Mitarbeiter einen nicht zu unterschätzenden Vorteil, und bringt aus Mitarbeitersicht immer einen „neutralen“ Blick ein.
  3. 3. Die Mitarbeiter sollten unmittelbar an diesem Prozess mitarbeiten und sich einbringen dürfen, z.B. im Rahmen einer Arbeitsgruppe, die Teil des gesamt Ausschusses ist.
  4. 4. Es ist sinnvoll sich den Fakten gleichzeitig sowohl empirisch (methodische Sammlung von Daten durch Umfragen, Auswertungen etc.), als auch auf Basis der Phänomenologie zu nähern.

 Also wo stecken die Gründe der hohen Krankenstände, ist dies schon länger zu beobachten, gab es Umstellungen (Prozesse, Arbeitszeiten, häufige Mehrarbeit etc.) oder schon bekannte „Baustellen“, wie einen chronischen Mangel an Mitarbeitern in bestimmten Bereichen oder auch eine Häufung von Arbeitsunfällen etc.  Auch muss die Frage gestellt werden, ob bestimmte vergleichbare Bereiche, einerseits besonders auffällige Ausfallzeiten haben, während der andere Bereich dieses Phänomen nicht aufweist. Denn auch die Führungsqualität ist ein nicht zu unterschätzender Treiber von Krankenständen! Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Führungskräfte gewechselt haben, und ein derartiger Effekt auftritt.

Hilfreich ist auch eine Aufstellung der die Anteile nach „Langzeit krank“ bzw. die Abwesenheit erfolgt zusammenhängend am Stück (Grippe etc.) oder sporadischen Fehltagen aufschlüsselt, wobei diese auch genau zeitlich definiert sein sollten.Gleichzeitig können die Gründe der Krankheit wertvolle Hinweise liefern, wenn sich z.B. Rückenleiden, Atemwegserkrankungen oder auch Arbeitsunfälle in bestimmten Bereichen häufen. Für den gesamten Punkt 4 gilt: Spätestens hier ist es wichtig, den Betriebsrat auf seiner Seite zu wissen!


  1. 5. Die Arbeit an der Basis ist ein weiterer wichtiger Schritt. Also eine Begehung der Arbeitsplätze in regelmäßigen Abständen mit einer Aufnahme der Arbeitsplatzsituationen vor Ort. Die Qualität der Arbeitsmittel und des Arbeitsumfelds sind in einem solchen Prozess somit ein Kernbestandteil!

Hierbei kann es auch hilfreich sein, eine externe Meinung z.B. durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit einzuholen. Diese kümmert sich eben nicht nur um klassische Themen wie Sicherheitsschuhe etc., sondern bringt auch seine Expertise in der Arbeitsplatz-Ergonomie (Qualität und Einstellungen der Stühle bei sitzenden Tätigkeiten, Ausrichtung, Einstellung und Qualität der Monitore etc.) mit ein. Auch hier werden oftmals durch kleine Maßnahmen große und positive Veränderungen erzielt.

  1. 6. Mit all diesem Wissen lässt sich dann ein individueller Maßnahmenkatalog erstellen, der monetär bewertet und vor der Umsetzung priorisiert werden sollte.

Die möglichen Maßnahmen sind also sehr vielfältig, als Beispiele für erfolgreiche Realisierungen, die gleichzeitig auch langfristige Ziele verfolgen, lassen sich somit folgende Punkte nennen:

Regelmäßige betriebsärztliche Untersuchungen, ideal in Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Diese Vorsorgeuntersuchungen sind abgestimmt auf die unterschiedlichen Beanspruchungen durch Bildschirmarbeitsplätze, einseitige Belastungen, Gefahrenstoffe, Lärm am Arbeitsplatz, Staplerfahrer und Firmenfahrzeugnutzer etc.

Regelmäßige Checks der Arbeitsplätze unter arbeitsmedizinischen und arbeitswissenschaftlichen Gesichtspunkten. An logistischen Packplätzen könnten z.B. Stehhilfen zum Einsatz kommen, oder antiermüdende Arbeitsplatzmatten die zudem rutschfest sind, sowie die Wirbelsäule und Gelenke entlasten.

Auch abseits der beruflichen Tätigkeit gibt es vermehrt sportliche Tätigkeiten, die durch Krankenkassen immer stärker gefördert werden, da generell erkannt wurde, dass begleitende sportliche Maßnahmen nur eben dann langfristig wirken, wenn sie in einer gewissen Regelmäßigkeit durchgeführt werden. Neben der in Unternehmen oft diskutierten Mitgliedschaft in den Fitnessstudios gibt es bereits ergänzende Alternativen. Hier sei nur beispielhaft ein angeleiteter Yogakurs genannt, den z.B. ein zertifizierter Trainer vor Ort oder auch im Studio mit Ihren Mitarbeitern durchführten kann. Diese können exakt auf die Beanspruchung der Mitarbeiter abgestimmt werden, und sie führen zu einer nachhaltigen Kräftigung und Flexibilität der Muskulatur und gleichzeitig kann es ein (Teambuilding-) Event für Ihre Mitarbeiter werden.

Kommunikation und nochmals Kommunikation

Egal für welche Maßnahmen Sie sich entscheiden: Frei nach dem Motto „stelle mir doch bitte auch nur dann eine Frage, wenn Du von mir eine Antwort hören möchtest“ möchte ein Mitarbeiter gerne über den Stand der Dinge über die er im Vorfeld befragt wurde, informiert werden. Auch wird grundsätzlich gut akzeptiert, wenn bestimmte Dinge z.B. aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden können. Wichtig ist auch hier eine entsprechend Begründung und diese sollte professionell und authentisch kommuniziert werden.

Die Praxis zeigt, dass solche sich fest etablierten und zur Unternehmenskultur gehörenden Maßnahmen, einen dauerhaften positiven Einfluss nehmen. Und zwar nicht nur auf den Krankenstand, was ja nicht nur naheliegt, sondern ein erklärtes Ziel war, sondern eben auch auf die Mitarbeiterzufriedenheit im Allgemeinen. Somit haben die stetig durchgeführten Präventivmaßnahmen von heute, einen großen positiven Hebel auf unser morgen.

Natürlich steht aus betriebswirtschaftlicher Sicht, häufig, das Argument der erhöhten Kosten für gesundheitsfördernde Maßnahmen und Modernisierungen im Raum. Dagegen spielen jedoch dauerhafte Schäden der Mitarbeiter, die immer schwerer zu kompensieren sein werden, vor allem dann, wenn sie irgendwann aus medizinischer Sicht chronisch und irreparabel sein werden, und eben auch Ihre Kosten aufwerfen. Und bei diesem letztem Argument ist gleichzeitig zu beachten: Es kann auch Ihre Besten Mitarbeiter treffen!