„Backofen auf Rädern“ – Amazon-Fahrer berichten von quälenden Zuständen in der Hitzezeit

Veröffentlicht: 22.07.2024
imgAktualisierung: 22.07.2024
Geschrieben von: Tina Plewinski
Lesezeit: ca. 4 Min.
22.07.2024
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ca. 4 Min.
Lieferung von Paketen: Ein Amazon-Fahrzeug im Einsatz.
oasisamuel / Depositphotos.com
Die sommerliche Hitze macht Paketboten jedes Jahr zu schaffen. Auch US-Zusteller von Amazon berichten von schwierigen Zuständen – trotz entsprechender Maßnahmen.


Die sommerliche Hitze macht Paketboten jedes Jahr zu schaffen. Auch US-Zusteller von Amazon berichten von schwierigen Zuständen – trotz entsprechender Maßnahmen.

Die Hitze macht im Sommer vielen Menschen zu schaffen. Doch gerade für jene, die nicht in gekühlten Büros oder klimatisierten Arbeitsstätten tätig sind, können hohe Temperaturen mit teils akuten Problemen einhergehen. Gerade auch Paketboten berichten immer wieder von schwierigen und extrem belasteten Situationen.

Konkrete Einblicke gab kürzlich beispielsweise Context. Das Medienportal, das aus der Thomson Reuters Foundation stammt, sprach mit verschiedenen Amazon-Lieferanten, die in den vergangenen Tagen mit rekordverdächtigen Temperaturen zu kämpfen hatten.

Prime Day als zusätzlicher Stressfaktor

„In Interviews mit Context beklagten sich Fahrer über kochend heiße Lieferwagen, unzureichende Pausenzeiten und Routen, die bei Temperaturen über 37 Grad gefährlich seien“, so der Bericht. Für zusätzliche Belastung habe überdies der Prime Day gesorgt: Aufgrund des alljährlichen Shopping-Events hätten die Mitarbeitenden noch mehr Pakete als üblich ausliefern müssen.

„Sie schicken mich in einem Backofen auf Rädern in die Wildnis“, kommentierte ein Fahrer aus New York. Seinen vollen Namen wollte er aus Angst vor Strafen nicht nennen. Gleiches gilt für einen Fahrer aus dem Raum Philadelphia: Er habe sich nach eigenen Angaben bei seinem Vorgesetzten krankgemeldet. Dass er sich aufgrund der Hitze nicht wohlfühlte und nicht in der Verfassung sah, ein Auto zu fahren, traute er sich nicht, zu sagen. Stattdessen habe er behauptet, „er sei ernsthaft krank“.

Amazon verweist auf umfangreiche Maßnahmen

Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen in Zeiten sommerlicher Hitze dürften Amazon zwar nicht gefallen, aber der Konzern ist sich der Lage und den entsprechenden Bedarfen offensichtlich bewusst. Über YouTube hatte er beispielsweise erst Mitte Juni eine Kampagne gestartet, in der zeigte, welche Sicherheitsmaßnahmen er für seine Fahrerinnen und Fahrer gegen Hitze unternimmt. Konkret werden dabei auch die Zustellerinnen und Zusteller in den Fokus gerückt, die über das Programm DSP („Delivery Service Partner“) eine Lieferpartnerschaft mit Amazon eingehen.

Im Video werden verschiedene Maßnahmen vorgestellt, mit denen die Mannschaft vor Wetterextremen geschützt werden soll: So stelle Amazon unter anderem Wasser, Trinkpakete und Thermoskannen, aber auch spezielle Arbeitskleidung wie Hüte oder kühlende Armstulpen zur Verfügung, um vor der Sonneneinstrahlung zu schützen. 

Mitarbeitende werden demnach auch darauf hingewiesen, ihr Mittagessen einzunehmen und Pausen auch tatsächlich einzulegen. Dabei sei es laut einem Logistik-Manager wichtig, zu verstehen, welche Routen die Lieferfahrerinnen und -fahrer nehmen und abzuklären, wo sie im Schatten parken und rasten könnten. Erzählt wird außerdem von aromatisiertem Eis, das dem Team als kleiner Höhepunkt am Ende einer schweißtreibenden Schicht an den Logistikzentren zur Verfügung stünde.

Amazon sieht sich als gut gerüstet

„Wir haben branchenführende Hitzeschutzprogramme und -technologien in unserem gesamten Netzwerk und viele andere Unternehmen fangen erst jetzt damit an, Dinge zu tun, die wir schon seit Jahren tun“, wird Amazon-Sprecher Steve Kelly in dem Bericht von Context zitiert. 

„Kein Unternehmen ist perfekt, aber wir arbeiten hart an der Sicherheit unserer Mitarbeiter und derjenigen, die in unserem Auftrag liefern, und wir sind stolz auf die Tausenden von Teammitgliedern, die zusammenarbeiten, um sich auf diese beispiellosen Hitzewellen vorzubereiten und darauf zu reagieren.“

Das System des Online-Riesen sieht beispielsweise vor, dass die Teams bei Temperaturen ab 46 Grad Celsius automatisch in die Lager zurückbeordert werden, um ihre Arbeit einzustellen. In Regionen mit extremen Verhältnissen seien außerdem Anforderungen rund um die Paketabwicklung oder den Betrieb von Klimaanlagen in den Vans gelockert worden. Auch die grundsätzliche Nachrüstung von Klimaanlagen in Lieferfahrzeugen oder die Einführung von mehr Pausen seien Bestandteil des Maßnahmenpakets.

Maßnahmen greifen nicht immer

Die Berichte von Fahrerinnen und Fahrern, die mit Context gesprochen haben, lassen erahnen, dass die Bemühungen von Amazon in der Praxis nicht immer greifen. Erzählungen zufolge habe Amazon beispielsweise einer Bitte, die Paketmenge und die Zahl der Lieferungen aufgrund einer Hitzewelle in Kalifornien zu reduzieren, nicht nachgegeben. Mehrere Fahrer hätten darüber hinaus Sorgen geäußert, dass sich eine Bitte um mehr Pausen oder weniger Lieferungen langfristig negativ auswirken oder womöglich auch zur Entlassung führen könne.

Amazon zufolge stehe es Fahrerinnen und Fahrern immer frei, „anzuhalten, wenn sie sich in der Hitze unsicher fühlen“. Dass manche Maßnahmen in der Praxis manchmal nicht so greifen, wie sie vielleicht sollen, wolle der Konzern offenbar eher nicht gelten lassen.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 22.07.2024
img Letzte Aktualisierung: 22.07.2024
Lesezeit: ca. 4 Min.
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Tina Plewinski

Tina Plewinski

Expertin für Amazon

KOMMENTARE
1 Kommentare
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Mathias Wegener
23.07.2024

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Die Auslieferungsfahrzeuge werden doch wohl auf einem halbwegs technisch aktuellen Stand sein, oder? Und wenn das so ist, haben sie natürlich eine Klimaanlage eingebaut. Nun sitzt so ein Auslieferungsfahrer wahrscheinlich deutlich weniger Zeit im Auto als dass er rumrennt. Aber dennoch würde die Klimaanlage im Transporter die Temperatur während des Fahrens ja auf normale Werte herunter kühlen. Und das wäre ja schon mal eine deutliche Erleichterung.