Amazon-Eigenmarken als Antwort auf Temu und Co.?

Veröffentlicht: 17.09.2024
imgAktualisierung: 17.09.2024
Geschrieben von: Gastautor
Lesezeit: ca. 4 Min.
17.09.2024
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ca. 4 Min.
Mann am Laptop beim Online-Shopping
AndrewLozovyi / Depositphotos.com
Billiganbieter wie Temu setzen Online-Händler zunehmend unter Druck. Eine mögliche Lösung gegen den Preiskampf kann der Aufbau von Amazon-Eigenmarken sein.


Der Online-Handel wird zunehmend durch chinesische Anbieter wie Temu, Shein und Aliexpress geprägt. Ihre Strategie, eine breite Palette von Produkten zu unschlagbar günstigen Preisen anzubieten, stellt etablierte Unternehmen vor immense Herausforderungen. Die Folge: Ein immer härterer Wettbewerb um die Gunst der Kunden. Doch wie können sich Unternehmen in diesem Umfeld behaupten und ihre Marktposition stärken? Eine vielversprechende Antwort liegt im Aufbau starker Eigenmarken. Das Modell von Amazon zeigt exemplarisch, wie sich durch Private-Labels ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erzielen lässt.

Die Verkaufsstrategien des Online-Marktplatzes Temu

Seit seiner Gründung 2022 hat insbesondere Temu stark an Popularität gewonnen und auch die mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Eigenen Angaben zufolge nutzen in der EU monatlich rund 75 Millionen Einkäufer den Marktplatz. Die Kombination aus niedrigen Preisen, innovativen Marketingstrategien und einer starken Präsenz in den sozialen Medien hat dazu geführt, dass Temu in kürzester Zeit zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für etablierte Online-Händler geworden ist.

Als „Multiexperience-Plattform“ schafft Temu seinen Kunden eine nahtlose Customer Experience. Dafür nutzt die Plattform einige interessante Verkaufsstrategien:

  • Customer-to-Manufacture (C2M): Temu vermittelt die Konsumenten an chinesische Hersteller, das heißt die Produkte stammen oft direkt aus der Fabrik. Dadurch kann der Anbieter seine Kosten niedrig halten und mit überzeugenden Schnäppchen locken, die oft unter einem Euro liegen.  
  • Gamification: Kaufanreize mit Mini-Spielen, wie zum Beispiel Glücksräder, und Gratisprodukte, sorgen dafür, dass Kunden möglichst viel Zeit auf dem Marktplatz verbringen. 
  • Rabatte: Kunden, die die Plattform weiterempfehlen, profitieren von Geldprämien und Rabatten – so stärkt Temu zusätzlich seine Kundenbindung und erhöht die Nutzerzahlen. 
  • Vermarktung: Durch die starke Eigenvermarktung, die etwa 78 Prozent des Umsatzes ausmacht, erhöht Temu seine Sichtbarkeit in den Suchergebnissen. Temu-Werbung erscheint auf allen relevanten Kanälen. 
  • Social Media: Darüber hinaus arbeitet der chinesische Anbieter mit Influencern in sozialen Netzwerken wie Instagram und TikTok zusammen. Ziel ist es, virale Inhalte zu schaffen, Produkte bekannter zu machen und die Reichweite zu steigern. 

Dennoch oder gerade aufgrund seiner Strategien ist Temu umstritten. Kritikpunkte sind unter anderem mögliche Datenschutzprobleme, das Fehlen europäischer Zertifizierungen, wie das CE-Zeichen, lange Lieferzeiten, ethische Bedenken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den Fabriken sowie manipulative Verkaufstaktiken. 

Qualität statt Quantität: Branding stärken mit Private-Labels

Als global führender Marktplatz setzt Amazon mit seinen Eigenmarken (Private-Labels) ein starkes Gegengewicht zu Billiganbietern wie Temu. Während beide Marktplätze mit attraktiven Preisen locken, unterscheiden sich die Geschäftsmodelle dennoch deutlich voneinander.

Amazon-Eigenmarken werden oft als verlässlich, sicher und qualitativ hochwertig wahrgenommen, was Amazon in Deutschland einen Vertrauensvorschuss sichert. So fungiert die Plattform für deutsche Verbraucher inzwischen auch als Suchmaschine: 74 Prozent beginnen dort ihre Suche nach einem Produkt, wie eine Studie der Agentur Remazing und des Marktforschungsunternehmens Appinio aus dem Jahr 2023 deutlich macht.

Ein entscheidender Vorteil des Eigenmarkenmodells gegenüber Wettbewerbern wie Temu liegt in der kombinierten Nutzung der globalen Reichweite Amazons und der Möglichkeit, eine individuelle Markenpräsenz zu schaffen. Hierbei profitieren Drittanbieter von zahlreichen Optionen:

  • Individueller Brandstore: Händler können einen eigenen, frei gestaltbaren Brandstore einrichten, der optisch einem unabhängigen Onlineshop ähnelt, jedoch die Reichweite und die Marketingtools von Amazon nutzt.
  • Infrastruktur und Tools: Darüber hinaus erhalten Händler Zugang zu Amazons umfangreichen Ressourcen. Sie können beispielsweise A+ Inhalte und Sponsored Brands erstellen, um die Reichweite ihrer Produkte zu erhöhen. 
  • Amazon Brand Registry: Das Programm unterstützt Händler dabei, ihre Marke auf Amazon zu registrieren und zu schützen. Durch die Registrierung erhalten sie Zugriff auf eine Vielzahl von Tools und Funktionen, wie zum Beispiel „Transparency“, das Fälschungen durch eine weitere Authentifizierung der Produkte verhindert.
  • Gestaltungsfreiheit: Amazon-Eigenmarken bieten Händlern eine hohe Autonomie bei der Gestaltung. Sie können eigene Produktdetailseiten mit personalisierten Texten, Bildern und Keywords bestücken. Solche Maßnahmen helfen, die Marke mit einer klaren Identität und zielgruppenrelevanten Inhalten zu versehen.

Jedoch birgt das Modell auch Herausforderungen. Händler, die ihre Produkte über Amazon verkaufen, sehen sich auch gleichzeitig in Konkurrenz zu Amazons eigenen Produkten. Denn diese profitieren häufig von den umfangreichen Ressourcen und Marketingstrategien des Unternehmens. Doch auch hier können die Amazon-Eigenmarken hilfreich sein, indem Händler mit Private-Labels sowohl ihre Markengeschichte als auch ihr Branding in den Vordergrund stellen – auch, um sich gegenüber Online-Marktplätzen wie Temu zu behaupten.

Markenbekanntheit strategisch verbessern und Kundenbindung stärken  

Während Temu oft durch aggressive Preisstrategien und ein geringes Qualitätsbewusstsein hervorsticht, setzt das Amazon-Eigenmarkenmodell auf eine klare Markenidentität und hohe Kundenorientierung. Händler können dem Preisdruck von Billiganbietern entgehen, wenn sie stattdessen auf folgendes achten:  

  • Qualität und Einzigartigkeit durch hochwertige Produkte und einzigartiges Design, um sich von der Masse abzuheben. 
  • Exklusive Produkte oder Produktlinien, die nur über Amazon Private-Labels erhältlich sind, erhöhen die Markenattraktivität. 
  • Amazons Werbeplattformen wie Sponsored Products, Sponsored Brands und Sponsored Display helfen, eigene Produkte hervorzuheben.
  • Amazon Vine Programm nutzen, um authentische Bewertungen von vertrauenswürdigen Rezensenten zu erhalten. 
  • Optimierte Produktseiten mit relevanten Keywords, ausführlichen Beschreibungen und hochwertigen Bildern verbessern die Auffindbarkeit von Produkten und die Conversion Rate.
  • Markengeschichten im Amazon Brandstore, die authentisch und ansprechend sind, steigern die Kundenloyalität. 
  • Exzellenter Kundenservice und kulante Rückgabemöglichkeiten stärken die Kundenzufriedenheit. 

Fazit: Erfolg mit starker Markenidentität

Temu hat durch günstige Preise und innovative Verkaufsstrategien schnell an Popularität gewonnen, zeigt aber deutliche Schwächen in den Bereichen Produktqualität, Datensicherheit und ethische Standards. Amazon hingegen nutzt sein Eigenmarkenmodell, um durch eine klare Markenidentität, verlässliche Produktqualität und umfassenden Kundenservice Vertrauen und Loyalität bei den Verbrauchern aufzubauen. Dies ermöglicht es Händlern, sich im hart umkämpften Markt erfolgreich zu positionieren und sich durch eine klare Differenzierung von Billiganbietern abzuheben.


Dirk Kall / Löwenstark Digital Group

Über den Autor
Dirk Kall ist CEO der Löwenstark Digital Group. Die Full-Service-Agentur entwickelt und betreut Omni-Channel-Kampagnen für Kunden aller Branchen.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 17.09.2024
img Letzte Aktualisierung: 17.09.2024
Lesezeit: ca. 4 Min.
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Gastautor

KOMMENTARE
2 Kommentare
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Ralf
18.09.2024

Antworten

All das kann man aber auch auf Temu machen zumindest bald. Von daher wo soll hier der Vorteil bei Amazon sein? Und selbst wenn es einer wäre..... wie lange? Temu sieht hier und da die Vorteile bei der Konkurrenz und zieht dann dort einfach nach. Zudem wenn starke Markenqualität so wichtig wäre, würde Temu niemand kennen.
Tanja
18.09.2024

Antworten

Klingt alles nett, aber wenn man die ganzen Möglichkeiten auf Amazon nutzt, geht die Marge gegen null.