Seit dem 7. Juni läuft „The World's Most Dangerous Show“ auf Amazon Prime. Was dem Titel und Protagonisten nach erstmal wie pure Unterhaltung klingt, ist ernster als gedacht. Ein Kommentar.

In der frischen Klima-Dokumentation von ProSieben-Star Joko Winterscheidt ist so ziemlich alles drin, was wir aktuell über das Thema Klimaschutz wissen sollten: Die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch fossile Brennstoffe, die Schrecken der Massentierhaltung, hoffnungsvolle Technologie, die uns zum Wandel führen könnte, Aktivist:innen, die sich unermüdlich durch Klagen und Protestaktionen einsetzen, Wissenschaft, Greenwashing, Ursachen, Klimagerechtigkeit. All das wird gepaart mit der komödiantischen Art des Unterhaltungskünstlers – und läuft auf Amazon Prime. So recht will das nicht zusammenpassen. Oder?

Klimaschutz, en vogue

Diese gefährlichste Show der Welt hat derzeit eine Staffel à sechs Folgen, jede davon dauert etwa 40 Minuten – und man kann sie tatsächlich mal eben kurzweilig „wegbingen“, wie es so schön heißt. Denn das Publikum ist ganz hautnah dabei, wenn Joko erstmals in das „größte Loch Europas“ blickt – schockiert, wie RWE den Kohleabbau zum Tourismus-Spot verkommen lässt, angeekelt vom Gestank der Müllhalden in Uganda. Aber auch, wenn er Bill Gates interviewt oder zu Gletschern in Afrika emporsteigt, durch hiesige Moore läuft oder in Island eine CO₂-Speicheranlage besucht.

Jaa, es ist eigentlich genau wie dieses Netflix-Format „Down To Earth With Zac Efron“ – die Serie, in der sich der Schauspieler mit Ideen rund um Nachhaltigkeit und Klimaschutz auseinandersetzt und dafür um die Welt reist. Nur als Amazon-Pendant. Klimaschutz-Dokus mit Berühmtheiten sind in.

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Das Ding mit der Doppelmoral

The World's Most Dangerous Show“ bringt wichtige Aspekte zur Klimakatastrophe auf den Punkt und zeigt vorhandene Ungerechtigkeiten auf. Bekannte Expert:innen und Aktivist:innen kommen zu Wort, darunter etwa Kathrin Hartmann oder Luise Neubauer – aber auch jene, die hierzulande kaum Wahrnehmung erfahren. Dazu zählen etwa Patience Nabukalu von Fridays for Future aus Uganda oder klimapolitische und feminstische Aktivist:innen aus Gambia. 

Viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent bekommen die Folgen der Erderwärmung deutlicher zu spüren als beispielsweise Deutschland – und das, obwohl ihr CO₂-Ausstoß im Vergleich sehr viel niedriger ausfällt. Während viele Menschen in den betroffenen Regionen keine Perspektive sehen und nach Europa flüchten, verschärfen wir hier gerade die Asylpolitik. Auch, dass der Kapitalismus mit seinen ständig auf endloses Wachstum ausgerichteten Strategien eben nicht zur echten Änderung taugt – während es gleichzeitig Firmen gibt, die mit grünen Technologien ihren Reibach machen oder andere uns einreden, dass uns individuelles, grüneres Konsumverhalten jetzt aus der Patsche helfen könne – wird offensichtlich.

Die Doppelmoral, die jeweils dahintersteckt, führen uns Joko und sein Team kritisch und eindeutig vor Augen. Ungünstigerweise ist er davon aber selbst nicht frei, schließlich ist die Sendung im Auftrag von Amazon entstanden. 

Amazon und das Klima

Folgerichtig bringt die Doku diese Ambivalenz auf den Tisch. Doch so sehr ich als Zuschauerin die von Herrn Winterscheidt in Szene gesetzten Gewissensbisse authentisch finde, so sehr enttäuscht es doch, dass die versprochene Konfrontation mit Amazon zum eigenen Klimaschutzverhalten eher zur Randbemerkung verkommt. Es wird zwar erwähnt, dass Amazon Klimaziele hat und mit dem Climate Pledge auch andere Firmen zum Klimaschutz verpflichten will, während der eigene CO₂-Ausstoß erstmal angestiegen ist. 

Doch anders als bei mehreren anderen behandelten Aspekten werden kritische Anmerkungen als Kabarett verpackt – der angepriesene kritische Blick wirkt damit eher wie ein Augenzwinkern. Amazon steht als großer Müllproduzent in der Kritik und hat Zahlen von Ende 2021 zufolge satte 71,54 Millionen Tonnen CO₂ erzeugt – und damit mehr als Marokko oder Österreich. Und Amazon ist und bleibt ein Online-Shopping-Konzern, der auch davon lebt, dass konsumiert wird und vom Narrativ profitiert, dass man sich zufrieden kaufen kann. Dass die Kritik also nicht noch tiefer geht, bleibt ein Versäumnis. Es wäre ja beispielsweise sehr spannend gewesen, was Amazon-Gründer Jeff Bezos so dazu sagt. Vielleicht in Staffel 2?

Zwischen lustig und lebenswichtig

Dennoch: Amazons Reichweite ist wohl etwas, das man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man „Werbung“ für den Klimaschutz machen möchte. Neu sind die Erkenntnisse und Themen in der Dokumentation alle zwar nicht – über so ziemlich alle Beiträge kann man bereits Informationen im Netz finden – doch sie erhalten selten so viel Aufmerksamkeit. Und so kommen die Informationen nun gar witzig aufbereitet, massentauglich, verständlich erklärt und ohne erhobenen Zeigefinger daher. 

Ein solch entspanntes Reportagen-Format und eine Prominenz wie diese sind genau das, was wir sehen müssen. Vor allem jene, die das Thema bisher irgendwie nicht so ernst genommen haben, nicht wissen, was in Lützerath oder in der Sahelzone passiert oder es nicht mal hinterfragen, wenn Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen, inhaftiert werden. 

Eine eindeutige Lösung für die Klimakrise bietet auch Joko Winterscheidt nicht. Aber es wird klar, dass nur ein Bündel aus Lösungen, Innovationen, Kämpfe um Projekte, Arterhaltung und viele Stimmen dazu führen, dass wir diesen Planeten weiterhin lebenswert erhalten. Und diese Dokumentation trägt genau dazu bei.

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