Ein Blick zurück auf die vergangenen zwölf Monate im Hause Amazon. 

Was waren 2023 die spannendsten Entwicklungen bei Amazon? Bei der Beantwortung der Frage steht man vor der Qual der Wahl, denn der Konzern ist auch in diesem Jahr mit unbändiger Macht weiter expandiert. Zwar ist auch Amazon um einige herbe Niederlagen nicht herumgekommen, doch die Innovations- und Schaffenskraft des Unternehmens lässt sich offenbar kaum aufhalten. Der Konzern drängt in immer neue Märkte, präsentiert immer wieder neue Tech-Services, reagiert auf veränderte Bedürfnisse und schaffte neue Angebote. Und auch von Firmengründer Jeff Bezos gab es zahlreiche spannende News zu hören.

Unsere Redakteurinnen und Redakteure werfen einen Blick auf die vergangenen zwölf Monate zurück und geben ihre ganz persönlichen Amazon-Top-Themen aus dem Jahr 2023 preis.

Der große Kahlschlag – von Christoph

Christoph Pech

Die Corona-Pandemie war eine schwierige, eine schlimme, eine einsame Zeit für viele Menschen auf der ganzen Welt. Für die Tech-Branche und für das Online-Business war es – so sehr die entsprechenden Unternehmen auch das Gegenteil behaupten – eine goldene Zeit. Eingeschlossen im eigenen Zuhause entdeckten mehr Menschen den E-Commerce für sich als jemals zuvor, die Wirtschaft setzte die digitale Transformation (notgedrungen) im Turbogang um. Amazon, mit seinem Marktplatz und seinem Cloudgeschäft, profitierte enorm und investierte – auch in Arbeitskräfte. Und das fiel dem Konzern, und vor allem den Arbeitskräften, in diesem Jahr auf die Füße.

Massenentlassungen waren 2023 nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das galt natürlich nicht nur für Amazon, sondern für fast alle Tech-Konzerne, die Größenordnung war beim Online-Riesen aber eine ganz eigene. Ende 2022 sprach man noch von 10.000 Stellen, die gestrichen werden müssen, was für sich schon, Pardon, krass genug wäre. Im Januar musste man die Zahl dann auf 18.000 nach oben korrigieren. 18.000 Menschen! Quer durch alle Branchenzweige. Im März kamen noch einmal 9.000 dazu. Und in den Folgemonaten gab es weitere solche Meldungen, auch wenn die Zahlen geringer waren. Trotzdem haben in diesem Jahr etwa 30.000 Mitarbeiter:innen bei Amazon ihren Job verloren – in der Cloudsparte AWS, bei Games-Streamingdienst Twitch, im Advertising oder bei der Alexa-Entwicklung.

Wirtschaftliche Gründe werden da dann stets genannt, eine angespannte wirtschaftliche Situation mache diese harten Einschnitte notwendig. Das mag sein, spricht aber für fehlenden Weitblick in den vergangenen Jahren. Wer massenhaft Leute einstellt, um wenig später Zehntausende zu entlassen, hat entweder schlecht geplant oder keine Wertschätzung für die Menschen in seinem Unternehmen. Denn Amazon tun die Massenentlassungen nicht weh, das zeigen allein die auch in 2023 außerirdischen Gewinne des Konzerns. Von denen können sich 30.000 Menschen, die plötzlich auf dem Trockenen sitzen, aber nichts kaufen. Dass das Wohl der Mitarbeiter:innen bei Amazon ein Reizthema ist, ist aber eben auch nichts Neues.

Amazon scheitert dort, wo der Konzern andere Firmen in den Ruin trieb – von Tina

Tina Plewinski

Bei seinen Kritikern gilt Amazon als der Zerstörer des stationären Handels. Zahllose Buchhandelsketten soll das Unternehmen im Laufe der Zeit in den Ruin getrieben haben. Auch in der Modebranche gab es zahlreiche Opfer, die dem digitalen Trend nichts entgegenzusetzen hatten. Durch die Mischung aus komfortablem Online-Einkauf, schneller Lieferung und kundenfreundlichem Rückversand hat der Konzern den E-Commerce entscheidend geprägt und die Verbraucherinnen und Verbraucher mit immer neuen Services schier unnachgiebig für die überholten stationären Angebote gemacht.

Kurioserweise folgte dann ein Vorstoß, den man durchaus als dreist bezeichnen darf: Amazon ging selbst auf die Fläche: beispielsweise mit Buchläden, größeren und kleineren Supermärkten und schließlich gar mit zwei Modeläden in den USA, die mit ihrer technischen Ausstattung, ihrem personalisierten Einkaufserlebnis und einem strengen Kundenfokus als revolutionär, gar bahnbrechend bezeichnet wurden.

Doch offenbar hat Amazon die Rechnung ohne die Verbraucherinnen und Verbraucher gemacht. Denn selbst, wenn das „Amazon“-Logo groß über dem Ladeneingang prangt, ist das offensichtlich kein Garant für Erfolg – zumindest nicht auf stationärem Parkett, wie die jüngsten Entwicklungen nahelegen. Nachdem der Konzern nämlich bereits in den vergangenen Jahren Buchläden und 4-Sterne-Shops wieder schließen musste, wurden 2023 erneut Filialen eingestampft, darunter auch die Vorzeigeprojekte aus dem Modebereich.

Man könnte nun mit Häme reagieren, dass der Sensenmann des stationären Handels genau dort scheitert, wo er seine Kontrahenten blutend und sterbend zurückgelassen hat. Allerdings wäre diese Reaktion wohl zu kurzsichtig. Vielmehr sollte überlegt werden, wie ein wirtschaftlich gesunder Handel vor Ort aussehen könnte – denn wenn nicht mal das kapitalstarke und innovative Amazon in der Lage ist, die stationären Gelüste der Kundschaft zu befriedigen, wer dann? Vielleicht eine Frage, auf die sich 2024 eine Antwort findet …

Die schiffgewordene Überkompensation des Bezos – von Ricarda

Ricarda Eichler

Es herrscht Krieg in vielen Ecken der Welt. Inflation, Armut, Hunger, Klimawandel. Alles ist schlecht. Alles? Nein, in einem kleinen Dorf im US-Bundesstaat Florida sitzt ein einsamer Superreicher auf seiner riesengroßen Luxus-Yacht. Einsam, weil das Schiff mit dem Namen „Koru“ zwischen schäbigen Öltankern liegt. Schlechte Gesellschaft für so einen einsamen Superreichen. Er wischt sich eine flüchtig verdrückte Träne mit einer Amazon-Aktie vom Gesicht.

Jeff Bezos’ absurd große Yacht wurde in diesem Jahr endlich fertiggestellt und trat die weite Reise vom Erbauungshafen in den Niederlanden zur neuen Heimat in Miami an. Dass für das Monster der Meere beinahe eine historische Brücke in Rotterdam abgebaut werden sollte, ist längst Schnee von gestern. Heute ist es für den nächsten Hafen zu groß, aber in Miami steht wenigstens nichts Historisches im Weg. In den stilgerechten Yacht-Hafen Port Everglades passt die „Koru“ trotzdem nicht. Und so muss Bezos jetzt für läppische 2.218 Euro pro Tag in einem nahegelegenen Industriehafen neben Öltankern liegen. Zumindest wenn er nicht gerade in See sticht und dabei weitere 125.000 Euro Betriebskosten und knapp 19.600 Kilogramm Co2-Ausstoß pro Tag verursacht. Klima-wer?