In einem offenen Brief an Amazon-Chef Jeff Bezos übt eine Initiative aus rund 400 Politikern mit drastischen Worten Kritik an dem E-Commerce-Riesen – und fordert, dass Amazon mehr Moral zeigt.

Schon wieder ein öffentlicher Brief von Politikern, Jeff Bezos muss viel lesen – und verdauen – in letzter Zeit. Erst im Oktober sorgten sich EU-Politiker in einem Brief um eine mögliche Überwachung durch Amazon, jetzt fordern Politiker aus aller Welt den Amazon-Chef zu mehr Anstand und Moral auf – und hauen dabei in der Wortwahl mächtig auf die Pauke. Die 401 Abgeordneten und öffentlichen Amtsträger kommen aus 34 verschiedenen Ländern. Der offene Brief ist Teil der größeren Kampagne „Make Amazon Pay“, eines Bündnisses von über 50 internationalen Organisationen, darunter Greenpeace.

Kritik an Amazon: Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, Monopol

Die Tage von Amazons Straflosigkeit seien gezählt, das erklärte einzige Ziel: Man wolle Amazon bezahlen lassen, heißt es in dem offenen Brief auf der Seite der dahintersteckenden Bewegung Progressive International. Die Initiative kritisiert Amazon vor allem in drei Bereichen: Im Umgang mit den Mitarbeitern, beim Thema Umweltschutz und dessen Verhalten als Wirtschafts-Riese. 

 

Einer der Kritikpunkte: Die Mitarbeiter – vor allem in den Logistikzentren weltweit – haben vor allem in der Coronakrise enorm gearbeitet, profitieren aber kaum von den immensen Gewinnen Amazons, sondern sind sogar noch Gefahren ausgesetzt. „Doch während Ihr persönliches Vermögen im Jahr 2020 um rund 13 Millionen US-Dollar pro Stunde gewachsen ist, finden sich diese Arbeitnehmer*innen in gefährlichen Arbeitsbedingungen wieder, erhalten nur eine geringe oder gar keine Lohnerhöhung und müssen für ihre Bemühungen, sich zur Wehr zu setzen und sich mit ihren Kolleg*innen zu organisieren, mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen“, klagt die Initiative.

Zum Thema Umweltschutz kritisiert Progressive International unter anderem mangelndes Engagement von Jeff Bezos – trotz dessen Klimaschutz-Initiative Climate Pledge: „Mit Ihrem Plan zur Emissionsreduzierung würden immer noch die ökologischen Grenzen unseres Planeten überschritten“. Außerdem hätte Amazon laut der Kritiker „eine Rekordzahl an gebrochenen Nachhaltigkeitsversprechen“ und außerdem „zahlreiche finanzielle Beiträge zur Leugnung des Klimawandels“ geleistet. Die Vorwürfe werden im Detail aber nicht belegt.

„Weltweite Steuerhinterziehung“ durch Amazon?

Die Kritik an Amazon als Quasi-Monopolist hingegen ist altbekannt: Amazons monopolistische Praktiken hätten kleine Unternehmen unter Druck gesetzt – im Gegenzug schade Amazon durch „weltweite Steuerhinterziehung der öffentlichen Versorgung in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Wohnen, soziale Sicherheit und Infrastruktur“. 

Amazon-Kritik von Corbyn und Varoufakis

Zu den Unterstützern gehören vor allem linke Politiker ihrer jeweiligen Länder, darunter auch Größen wie der ehemalige britische Labour-Parteichef Jeremy Corbyn, der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis und die Finnin Heidi Hautala, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Aus Deutschland sind 30 Abgeordnete des Bundestags und des Europäischen Parlaments vertreten, darunter u.a. die Linke-Politikerin Anke Domscheit-Berg.

Zum Beraterstab der Initiative Progressive International gehören unter anderem Noam Chomsky, die Schauspieler John Cusack und Gael García Bernal, die Autorin Naomi Klein sowie die deutsche Aktivistin Carola Rackete.

Amazon hat sich gegenüber Spiegel Online bereits zu der Kritik geäußert. Die angesprochenen Punkte würden auf „irreführenden Behauptungen falsch informierter oder eigennütziger Gruppen“ basieren. Ein Sprecher verwies unter anderem auf eine „starke Erfolgsbilanz bei der Unterstützung der Mitarbeiter“.