Ein Flex-Fahrer packt aus über Amazons eingestelltes Liefer-Programm, die Probleme und möglichen Gründe für das Ende.

Nach dem überraschenden Ende von Amazons Lieferdienst Flex herrscht Aufruhr in der Branche. Ein Fahrer hat sich bei Amazon Watchblog gemeldet und berichtet anonym über seine Erfahrungen.

„Das Flex-Programm während der Corona-Pandemie war ein Lifesaver“

Der Fahrer hat rund zwei Jahre in Amazons Lieferprogramm Flex gearbeitet und kurz vor der Corona-Pandemie begonnen. „Für mich persönlich war das Flex-Programm während der Corona-Pandemie ein Lifesaver, finanziell und auch psychisch“, sagt er. In der Zeit der Kontaktbeschränkungen hat er sich gefreut über die flüchtigen Begegnungen mit dankbaren Menschen. Dabei hat Amazon sehr viel Wert auf Sicherheit gelegt: kostenlose Masken und Desinfektionskits, automatische Temperaturmessungen in Durchgangsbereichen und die Durchsetzung von Abstandsregeln. 

Rund vier Stunden täglich hat er nebenberuflich gearbeitet, dabei im Schnitt rund 20 Pakete pro Stunde ausgeliefert. Dafür hat er brutto 25 Euro pro Stunde, zu Stoßzeiten wie Weihnachten bis zu 35 Euro erhalten, sämtliche Kosten für die Zustellung – also u. a. für einen Transporter – müssen die Flex-Fahrer aber selbst tragen.

Flex: Schlechte Bewertung durch unverschuldete Fehler

Weder bei normalen Paketlieferungen noch bei Fahrten für Amazon Fresh hat er den bei Amazon oft kritisierten Zeitdruck verspürt. „Es war im eigenen Interesse, so schnell wie möglich fertig zu werden.“ Trotzdem gab es auch Schwierigkeiten – vor allem, wenn etwas nicht rund gelaufen ist. „Traten echte Probleme auf, war man als letztes Glied der Kette aber leider oft auf sich selbst gestellt und musste mit Einbußen im Bewertungssystem rechnen, auch wenn das Problem nicht durch uns als Fahrer verschuldet war.“ Ein Beispiel: Wenn die Disposition die Fahrer zu spät losschickt und diese dann das Lieferfenster bei Amazon Fresh nicht einhalten können, gab es eine „böse Mail“ und einen Abzug in der Bewertung.

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Das Ende des Flex-Programms bringt für den Fahrer keine größeren finanziellen Probleme – die Abfindung, die Amazon zahlt, ist sogar eine „positive Überraschung“. Dennoch kritisiert er vor allem Amazons Art der Kommunikation zum Ende des Flex-Programms: „Ich fand es unhaltbar, dass die komplette Einstellung erst zwei Tage nach Inkrafttreten durch eine E-Mail an die Partner kommuniziert wurde.“ Auch in verschiedenen Facebook-Gruppen gab es Kritik daran, teils wurde die Nachricht sogar für Fake News gehalten.

Warum hat Amazon Flex eingestellt?

Warum Amazon das Programm beendet, ist unklar. Der Fahrer vermutet, dass der Mega-Konzern nach dem „Umsatzdebakel des letzten Quartals“ wohl Geld sparen will. „Das Amazon-Flex-Programm war in seiner Gestaltung finanziell extrem ineffizient“, sagt er. „Same-Day-Lieferungen sollen am gleichen Tag ankommen – koste es, was es wolle.“ So habe er oft abends in einem Drei-Stunden-Block nur zwei oder drei Pakete zugestellt.

Hinzu kämen Probleme wie unpünktliche, unzuverlässige oder gar kriminelle Fahrer: Es habe sogar Diebstähle ganzer Paketlieferungen durch Fahrer gegeben, die teils scheinbar nur vorgegeben haben, Flex-Fahrer zu sein. Amazon habe daraufhin stärkere Kontrollen bei der Abholung eingeführt.

Insgesamt sei der Aufwand etwa im Vergleich zu Amazons DSP-Programm (Delivery Service Partner) für das Unternehmen wohl deutlich größer: „Es ist einfacher, einen DSP mit 100 Fahrern, aber einem Ansprechpartner zu managen, als 100 einzelne Flex-Fahrer.“ 

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