Der indische E-Commerce wächst so stark wie kein anderer Markt der Welt. Allein die Zahl der Internetnutzer ist absolut größer als die der USA, prozentual aber noch gering. Die Potenziale sind gigantisch, das hat auch Amazon gemerkt.

E-Commerce in Indien

(Bildquelle Taj Mahal: RuthChoi via Shutterstock)

Wenn Amazon-Chef Jeff Bezos sagt, dass er „gewaltiges Potenzial im indischen Markt“ sehe, dann möchte man ihm nicht widersprechen, schließlich weiß der Milliardär, wovon er redet. Schaut man sich den E-Commerce in Indien an, dann wird recht schnell deutlich, wie gewaltig dieses Potenzial ist: Wurden 2013 im indischen Online-Handel noch Waren für 10,7 Milliarden US-Dollar gekauft, was im asiatisch-pazifischen Raum gerade mal für Platz 5 reichte, waren es ein Jahr später, laut pwc, bereits 16,4 Milliarden – ein Anstieg um 34 Prozent. 2015 stiegen die Verkäufe auf 22 Milliarden US-Dollar, Tendenz weiter steigend. Die Zahlen von Statista sehen etwas anders aus, und beinhalten lediglich Güterverkäufe ohne zum Beispiel Reisetickets, doch sie verdeutlichen den Trend eindrücklich.

Statista E-Commerce Indien

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Alles wächst

„Wir erwarten, dass die Internet-Durchdringung von 32 Prozent im Jahr 2015 auf 59 Prozent im Jahr 2020 steigen wird, was fast einer Verdoppelung der Internet-Nutzerbasis entspricht“, erklärt etwa Stanley Morgan. 2015 gab es fast 400 Millionen Internetnutzer in Indien, mehr als in den USA! Angesichts der hohen Bevölkerungszahl ist hier ein Ende des Wachstums aber noch lange nicht in Sicht. Zumal drei Viertel der Nutzer zwischen 15 und 34 Jahre alt sind – eine Altersgruppe, die darüber hinaus dem Online-Shopping zugeneigter ist als andere Altersgruppen. Für 2019 erwartet man knapp 240 Millionen Online-Shopper in Indien. Kein Wunder, dass der Subkontinent, geht es nach Jeff Bezos, langfristig der zweitgrößte Markt für Amazon werden soll, nach den USA.

Statista Online-Shopper Indien

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Bis 2020 soll der Online-Anteil am Gesamthandel 3 Prozent betragen. Ein wichtiger Treiber sind die bereits angesprochenen Reisedienstleistungen. Diese sind in allen E-Commerce-Märkten zu einem Großteil ins Internet gewandert, in Indien machen sie derzeit 70 Prozent aller Online-Umsätze aus. Gerade in Indien als Schwellenland ist das mobile Shopping enorm wichtig. Laut Markt und Mittelstand liegt der Anteil der Mobile Sales mittlerweile bei knapp 50 Prozent und wird Desktop bald ganz überholt haben. PCs mit Internetanbindung waren nie so verbreitet wie in westlichen Marktwirtschaften, viele Nutzer lernen das Internet direkt mit dem Smartphone das erste Mal kennen.

Einheimische Konkurrenz für Amazon

Die größten Anbieter auf dem indischen Markt sind Flipkart und Snapdeal – ersteres wurde interessanterweise 2007 von zwei Ex-Amazon-Mitarbeitern gegründet. Flipkart ist die indische Variante von Amazon, ein Shop, in dem es von der Couch bis zum Fernseher alles zu kaufen gibt. Mit 26 Millionen registrierten Benutzern ist Flipkart Marktführer in Indien. Der Marktanteil liegt bei 45 Prozent, Snapdeal folgt mit 26 Prozent. Erst auf dem dritten Platz findet man Amazon India mit 12 Prozent. Das hat allerdings Gründe.

Der US-Konzern ist erst 2013 in Indien gestartet und zwar mit erschwerten Startbedingungen. Die derzeit noch komplizierte Rechtslage macht es schwer für ausländische Anbieter, in den Markt einzusteigen. Sie dürfen zum Beispiel keine Direktinvestitionen in den indischen Online-Handel tätigen. Daher existiert Amazon wie auch andere Fremdanbieter in Indien derzeit „nur“ als Marketplace und bietet ausschließlich Produkte anderer Hersteller an. Nichtsdestotrotz investierte man erst im Juni drei Milliarden US-Dollar in das indische Geschäft. Künftig dürften die Investitionen noch größer werden, denn der Markt soll liberalisiert und für neue Anbieter geöffnet werden. Dies wird aber auch dazu führen, dass kleinere Anbieter ins Hintertreffen geraten, da der Preiskampf bereits jetzt sehr hart ist und die Gewinnmargen eher gering ausfallen. Wenn Schwergewichte wie Amazon und Alibaba erst richtig loslegen dürfen, dürfte sich dieser Umstand eher noch verschärfen.

Wachstum von Staats wegen

Die indische Regierung hat die Potenziale des Online-Handels erkannt und versucht, diesen zusätzlich anzukurbeln bzw. Beschränkungen aufzuheben. Neben der rechtlichen Liberalisierung und dem Start von Regelungsprojekten wie „Start-Up Policy“, das die Entwicklung und Gründung von Start-Ups vorantreiben soll, investiert Indien enorm in die Digitalisierung und auch in die Logistik. Denn diese hat noch erheblichen Nachholbedarf. Die blühendste Online-Landschaft nützt nichts, wenn die Bestellungen nicht oder nur mit viel Verzögerung geliefert werden können. Das schließt auch die Finanzlogistik mit ein. Cash on delivery, also das Bezahlen bei Erhalt der Ware, ist noch immer die Bezahlmethode Nummer 1 in Indien. Je mehr sich Kreditkarten und Online-Payment-Möglichkeiten wie Paypal durchsetzen, desto mehr wird aber auch im indischen Online-Handel die Barzahlung an Relevanz verlieren.


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