Man kann es durchaus „alarmierend“ nennen, was Ravelin in seiner aktuellen Studie darlegt: 40 Prozent der Online-Shopper betrügen beim Kauf im Internet, 36 Prozent werden es auch in Zukunft tun. Eigentlich müssten diese Ergebnisse viel höhere Wellen schlagen. Denn was das im Umkehrschluss bedeutet, ist erschreckend. Nicht nur folgen daraus ein massiver volkswirtschaftlicher Schaden und unzählige unnötige Lieferfahrten (grünes Gewissen?), vor allem schadet man damit den Menschen, die hinter diesen Online-Shops stehen.

Noch einmal die Kurzfassung: Ravelin hat in seiner Studie den sogenannten „freundlichen Betrug“ – an sich schon ein äußerst euphemistischer Sammelbegriff – untersucht. Das beschreibt Betrugsarten, die ohne falsche Identitäten oder gehackte Kreditkartendaten durchgeführt werden. Betrug also, den Kund:innen eher „um die Ecke durchführen“. Betrug, der von Täter:innen dann gar nicht direkt als Betrug angesehen wird. Und ja, man sollte an dieser Stelle von „Täter:innen“ sprechen.

Betrug ist kein Kavaliersdelikt!

Wenn ich eine Geldrückzahlung einfordere, obwohl ein Paket tatsächlich angekommen ist, wenn ich etwas schon mit der Absicht kaufe, es sowieso nach einmaligem Gebrauch wieder zurückzuschicken, wenn ich Zweit- und Dritt-Accounts anlege, um mehrfach von Gutscheinen zu profitieren – dann ist das kein nettes Schlupfloch. Dann heißt das nicht, dass ich damit niemandem schade. Dann ist das kein Kavaliersdelikt, sondern ein Vergehen, bei dem ich bewusst in Kauf nehme, anderen Menschen zu schaden.

Ein ganz einfaches Beispiel: Ich brauche für eine Hochzeit einen Anzug, bestelle diesen beim Online-Shop, trage ihn einmal, retourniere ihn und möchte mein Geld zurück. Der Online-Händler hat für den Anzug bezahlt, für den Versand bezahlt, möglicherweise Gebühren beim Marktplatz bezahlt, vielleicht eine Google-Anzeige und eine Positionierung in der Buy-Box bezahlt. Auf all diesen Kosten bleibt der Händler komplett sitzen, weil ich es als dreister Kunde in Ordnung fand, unter falschem Vorwand zu bestellen, anstatt mir einfach einen Anzug auszuleihen.

Online-Händler:innen sind nicht gesichtslos und nicht Amazon

Als Argument für ein solches Vorgehen wird dann gern – mal wieder – herangezogen, dass es Amazon (oder einem anderen großen Anbieter) ja nicht schadet, das ist schließlich ein Milliardenkonzern. Und das ist richtig, Amazon schadet das nicht unbedingt. Aber die Chancen stehen ziemlich gut, dass ein Produkt nicht von Amazon selbst, sondern von einem kleinen oder mittleren Unternehmen auf dem Marktplatz angeboten wird. Und dem schadet so ein Vorgehen durchaus.

Das Internet ist weder ein rechtsfreier noch ein anonymer Raum. Hinter jedem Angebot bei Amazon, Ebay und Otto, hinter jedem Online-Shop stehen Menschen, die mit dem finanziellen Schaden durch Retourenbetrug, Rückbuchungsbetrug oder Gutscheinbetrug leben müssen. Und im Gegensatz zu Phishing-Maschen, zu geklauten Bankdaten und groß angelegten Hacks lässt sich so ein Vorgehen für Händler:innen enorm schwer nachweisen, was das Problem sogar noch akuter macht.

Wer denkt, dass Schlupflöcher da sind, um sie auszunutzen, wer davon ausgeht, dass es ja niemandem weh tut, wenn er sich online mit zweifelhaftem Verhalten Vorteile verschafft, der sollte sich überlegen, ob er so auch im kleinen Laden um die Ecke vorgehen würde. Der alte Laden mit dem netten Verkäufer, der immer für einen Plausch zu haben ist, der aber angesichts der wirtschaftlichen Situation in Deutschland und der Welt gerade ganz schön zu kämpfen hat. Der Händlerin bei Ebay, die in diesem Moment ohne Not schon wieder eine Rückerstattung herausgeben muss, geht es ganz genau so.

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