In Ostdeutschland bekleiden Frauen deutlich häufiger Führungspositionen als im Westen. In Städten in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anteil jeweils bei etwa 25 Prozent oder darüber. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. 69 Städte wurden dafür untersucht, mehr als die Hälfte der Städte mit über 30 Prozent Frauenanteil in Topmanagement-Positionen liegt im Osten Deutschlands.

Alle ostdeutschen Bundesländer weisen hier einen überdurchschnittlichen Frauenanteil (23 Prozent, mit Berlin 25,8 Prozent) auf, während der Frauenanteil in westlichen Bundesländern bei 18,9 Prozent liegt. Es zeige sich „ein deutliches Gefälle zwischen Ost und West“, schreiben die Forscher:innen. „Die Zahlen passen zu dem, was auch ich beobachte“, so Friederike Theile, Geschäftsführerin des Landesfrauenrats Thüringen, gegenüber der Tagesschau.

Frage der Sozialisation?

Als einen der Gründe für das Gefälle sieht Theile unterschiedliche Arbeitskulturen in Ost und West. „Im Osten arbeiten mehr Frauen in Vollzeit. Das führt auch dazu, dass sie in Führungspositionen häufiger anzutreffen sind.“ Dies sei für Theile auch auf die Geschichte der DDR zurückzuführen. Bezüglich des Anteils arbeitender Frauen sei die DDR 1989 „Weltspitze“ gewesen und dies wirke sich bis heute aus.

Dieses positiv gelesene Erbe der DDR ist aber nicht unumstritten. Jessica Bock vom Digitalen Deutschen Frauenarchiv hält in der Tagesschau dagegen: „Dieses Erklärungsmuster wird häufig angewendet. Ich muss sagen, ich sehe das kritisch. Ja, Frauen in der DDR waren öfter berufstätig als im Westen. Aber sie waren nicht öfter in Führungspositionen. Die Berufstätigkeit der Frauen damals wirkt sich zwar aus, aber ich finde, man sollte diesen Fakt nicht überbewerten.“ Positive Auswirkungen habe auch das Netz der Kinderbetreuung im Osten, das es Frauen erleichtert, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Die Gründe für das Gefälle, etwa auch, welche Sozialisation Frauen erfahren habe, werden in der Studie der Zeppelin Universität nicht erfasst. Ein weiterer Erklärungsansatz sei, dass der Arbeitsmarkt im Osten generell weniger umkämpft sei als im Westen.

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Frauen in Führungspositionen nach wie vor in der Minderheit

Von einem Emanzipationsvorsprung im Osten aufgrund der Berufstätigkeit will Jessica Bock vom Digitalen Deutschen Frauenarchiv nichts wissen: „Meiner Meinung nach trägt dieses Interpretationsmuster dazu bei, bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und Benachteiligungen von Frauen im Osten zu verdecken.“ Nach wie vor sind Frauen in Führungspositionen sowohl im Osten als auch im Westen unterrepräsentiert.

Gesamtdeutsch betrachtet liegt der Anteil von Frauen in Topmanagement-Positionen bei 21,5 Prozent. Bei entsprechenden Neubesetzungen wurden im vergangenen Jahr nur 21,9 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt. Eigentlich hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, bis 2030 wenigstens 30 Prozent der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. „Ich hoffe, dass die Kinderbetreuung und das Elterngeld als zentrale Bedingungen, dass auch Mütter arbeiten können, weiter ausgebaut werden. Der Osten gleicht sich hoffentlich nicht dem Westen in negativer Weise an“, so Friedrike Theile.