E-Commerce in Ehren, aber es gibt Produkte, bei denen der stationäre Einkauf eigentlich alternativlos sein sollte. Und doch schafft es der Handel vor Ort immer mehr, die Vorteile des Einzelhandels aufzuweichen. Das liegt einerseits daran, dass der Online-Handel eine enorm lernfähige Branche ist. Vor ein paar Jahren hat kaum jemand Bekleidung online gekauft, weil das Anprobieren bei T-Shirts, Schuhen und Hosen eigentlich dazu gehört. Heutzutage weiß man aber derart gut, was man tatsächlich bekommt, dass Zalando und Co. nicht ohne Grund Rekordjahr an Rekordjahr reihen (und viele Menschen einfach zu viel bestellen und das meiste zurückschicken, das ist aber ein anderes Thema).

Dem klassischen stationären Handel müsste eigentlich daran gelegen sein, die Vorteile, die ihn ausmachen, herauszustellen, zu pflegen und zu Alleinstellungsmerkmalen zu machen. Man kann Produkte ausprobieren, man kann Klamotten anprobieren, man bekommt, wenn man das möchte, eine professionelle persönliche Beratung. Geht man aber – und man musste ja nun wirklich lange genug drauf verzichten – ins Geschäft, dann muss man sich fragen, ob der Einzelhandel überhaupt auf seine Kunden angewiesen ist.

Fahrradkauf schwer gemacht

Ich habe mir kürzlich ein neues Fahrrad gekauft. Schlanker Stahlrahmen, Scheibenbremse, gefühlt zehn Kilo leichter als die alte Möhre. Und natürlich habe ich mich erstmal an die Geschäfte in der Stadt gehalten. Ein Fahrrad will ich begutachten, ich will es probefahren und ich will mit dem Kumpel diskutieren, warum das eine besser oder schlechter ist als das andere. Und: Ich will und ich brauche bis zu einem gewissen Punkt professionelle Beratung von jemandem, der sich auskennt. Das bekomme ich in der Form nur stationär. Eigentlich.

Im größeren Fahrradgeschäft schaute ich mir ein paar Fahrräder an, wollte eins ausprobieren und wurde dann vom Mitarbeiter quasi zurückgepfiffen. Das Fahrrad sei zu groß. Jetzt im Sommer ist die Auswahl eh klein, weil viele Leute Fahrräder kaufen (nachvollziehbarer Hinweis!). Ich solle mir doch mal das für 500 Euro über meinem Budget anschauen oder im Herbst wiederkommen. Das alles in wunderbar arrogantem Ton, den man von den „Fachleuten“ viel zu häufig hört.

Im kleineren Fahrradgeschäft fand ich das Rad, das ich will, es war aber zu klein. Es hatte die Größe, die der Mitarbeiter aus dem großen Markt für richtig erachtete. Ich fuhr es Probe. Es war super. Es. War. Aber. Zu. Klein. In einer größeren Ausführung war es nicht vorrätig, bestellbar sei es auch nicht. Drei Tage später hatte ich es. Im Online-Shop bestellt, per Spedition geliefert.

Wenn’s online schneller und besser geht

Und ich frage mich: Was soll das? Schlechte Beratung ist die eine Sache. Kann passieren, sollte in einem Profigeschäft aber nicht die Regel sein. Hört man sich im Bekanntenkreis um, lautet das Fazit: Ist aber doch die Regel. Dass ich dann das Fahrrad nicht bekommen könne, weil es nicht bestellt werden kann, ich es aber selbst am selben Tag online bestelle, ist mindestens fragwürdig.

In der Corona-Krise wurde alles getan, um stationäre Geschäfte im Lockdown am Leben zu halten. Gleichzeitig wurde diskutiert, wie man der E-Commerce-Branche Steine in den Weg legen kann, um den Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Einzelhandel aufzufangen. Als Kunde frage ich mich nach solchen Erlebnissen ernsthaft: Wofür? Wenn ich nicht gut beraten werde, komme ich nicht wieder. Wenn ich mich selbst online kümmern muss (und das sehr schnell geht), komme ich nicht wieder. Und wenn der Service die Funktion hat, potenzielle Kunden möglichst schnell wieder loszuwerden, dann komme ich nicht wieder und schreibe drüber. Wenn es der Online-Handel besser macht, dann hat der stationäre Handel, nun, Pech gehabt.