Es ist noch gar nicht so lange her, da verschickte Amazon noch DVDs an seine Kunden, der erste Schritt in Richtung Video-on-Demand. Der Online-Händler hat diesen Service natürlich längst eingestellt und mit Prime Video einen eigenen Streaming-Dienst auf die Beine gestellt. Zusätzlich gibt es Netflix, Sky, Dazn, Maxdome, Joyn, Disney+ und und und. Mit der schieren Anzahl an Streaming-Diensten hat sich der gesamte Markt in nur wenigen Jahren genau zu dem entwickelt, was er eigentlich nicht sein sollte: Ein zerstückeltes Angebot an Serien und Filmen, ähnlich dem herkömmlichen Fernsehmarkt, nur etwas teurer, auf Abruf verfügbar und mit deutlich besseren Inhalten.

Nutzerzahlen steigen unaufhörlich

Das Interesse an Video-on-Demand-Diensten ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Das ergab die Studie „TV-Plattform 2020-I“ der AGF Videoforschung GmbH in Zusammenarbeit mit Kantar mit rund 2.500 Personen in Deutschland. Demnach nutzten 36 Prozent kostenpflichtige Streaming-Dienste in den vergangenen drei Monaten. Der beliebteste Dienst war mit Abstand Netflix (27,6 Prozent), gefolgt von Amazon Prime Video (19,9 Prozent), Dazn (3,1 Prozent), Sky Ticket (1,7 Prozent) und Disney+ (1,5 Prozent).

video on demand nutzung

Aber auch die kostenfreien Online-Angebote der TV-Sender sind bei den Deutschen überaus beliebt. So nahmen 29,1 Prozent der Studienteilnehmer diese Dienste in Anspruch, die kostenlose Plattform YouTube wurde sogar von jedem zweiten Befragten aufgerufen. Im Vergleich zur Plattformstudie 2019-II konnte bei der allgemeinen Nutzung der Streaming-Dienste ein Wachstum festgestellt werden. 

Wer will sich schon der Willkür der Programmchefs beugen?

Aber warum ist das Streamen so beliebt? Einer der größten Vorteile ist sicherlich die Flexibilität. Ich kann mir jederzeit, wann und wo ich will, genau das anschauen, worauf ich Lust habe (vorausgesetzt natürlich, der jeweilige Inhalt wird auf der von mir abonnierten Plattform angeboten). War es früher völlig normal, sich um 20:15 Uhr vor den Fernseher zu setzen und das zu schauen, was die Flimmerkiste eben so hergibt, will sich heute kaum noch jemand diesem fremdbestimmten Ritual unterziehen. Wenn ich mir „Herr der Ringe“ an einem Donnerstagnachmittag um 15 Uhr anschauen will, dann kann ich das machen, ohne auf einen „Superspielfilmsonntag“ warten zu müssen. 

Und dann immer dieser unsägliche Werbung. Diese kann einen normalerweise zwei Stunden langen Spielfilm auf gut und gerne drei Stunden ziehen. Nicht wirklich ideal, wenn am nächsten Tag um 5.30 Uhr der Wecker klingelt und der Film erst viertel neun beginnt. Ganz zu schweigen von den unpassenden Unterbrechungen. Da will Frodo gerade den Ring ins Feuer des Schicksalsbergs schmeißen und auf einmal flimmert irgendeine Werbung für die perfekte Damenhygiene über den Bildschirm?! Perfekt, um die Stimmung und vor allem die Spannung zu killen.

Selbst meine Eltern, beide um die 60, nutzen Streaming-Dienste. Zwar können sie dem Angebot von Netflix und Co. nichts abgewinnen, greifen aber gerne auf die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender zurück. So verpasst meine Mutter auch in der Spätschicht ihren „Bergdoktor“ nicht und mein Vater kann sich Schoten von früher auch mal an einem verregneten Sonntagnachmittag anschauen. Win-Win für alle also.

Die einen kommen, die anderen gehen

Aber weg von den Streaming-Gewohnheiten der Familie Flemming und hin zu den Anbietern an sich. Die sind in den vergangenen Jahren nämlich wie Pilze aus dem Boden geschossen. Amazon Prime Video hatte seinen Deutschlandstart im Februar 2014, gefolgt von Netflix nur wenige Monate später. Denkt man an Streaming, sind diese beiden großen Anbieter eigentlich die ersten, die einem ins Gedächtnis kommen.

Hierzulande ist außerdem Maxdome sehr bekannt, seit 2006 am Markt und damit ein regelrechtes Urgestein am Streaming-Markt. Maxdome soll nach eigenen Angaben mit über 50.000 Filmen, Dokus und Serienfolgen die größte Online-Videothek Deutschlands sein – allerdings nicht mehr lange. Bereits im März 2020 wurde bekannt, dass Maxdome noch in diesem Sommer eingestellt wird, Neukunden können sich auf der Plattform schon gar nicht mehr anmelden.

Neuester Dienst hierzulande ist Joyn. Hier können Kunden unter anderem kostenlos auf TV-Serien zugreifen. Wer sich beispielsweise die geballte Ladung „Germany’s Next Topmodel“ geben will, kann auf Joyn alle 16 Staffeln noch einmal anschauen.

Lang ersehnt: Disney+ startet in Deutschland

Der am meisten herbeigesehnte Start eines Streaming-Dienstes kam allerdings in diesem Jahr. Bereits seit einigen Jahren in Planung, ging das neue Video-on-Demand-Portal Disney+ im vergangenen Jahr in den USA und Kanada an den Start. Ende März betrat Disney+ dann auch die deutsche Streamingdienstbühne und wusste mit seinem Angebot sofort zu überzeugen. Neben sämtlichen Marvel-Filmen konnte sich Disney durch den Kauf der Produktionsfirma Lucasfilm auch die Rechte an sämtlichen Star-Wars-Teilen sichern. Hinzu kommt die gehypte neue Serie „The Mandalorian“ und zahlreiche Dokus.

Angaben zu den genauen Abonnentenzahlen wollte uns Disney auf Nachfrage zwar nicht nennen, laut Statista sollen sich diese aber bereits im Mai auf weltweit über 54 Millionen belaufen haben. Die weltweite Coronakrise dürfte das große Interesse am Streaming-Dienst noch befeuert haben. Zum Start in vielen europäischen Ländern Ende März, herrschte teilweise noch striktes Kontaktverbot, Geschäfte, Restaurants und Bars hatten geschlossen. In dieser Zeit suchten sicherlich viele Kunden nach zusätzlicher Ablenkung und Unterhaltungsmöglichkeiten. Wie aus der oben bereits erwähnten Studie hervorgeht, erlangte Disney+ auf Anhieb einen Platz unter den fünf Pay-Angeboten mit der höchsten Nutzung. Folgender Tweet bringt das Ganze amüsant auf den Punkt:

Sport-Streaming-Dienste: Sky gegen Dazn

Verschiebt man den Fokus weg von Serien und Filmen hin zum Sport, dann muss man natürlich ganz andere Namen nennen. Sky kann man gut und gerne noch als Platzhirsch bezeichnen. Der Anbieter hat in den letzten Jahren einen Großteil der europäischen Sportveranstaltungen gezeigt, allem voran natürlich des Deutschen liebste Freizeitbeschäftigung: Fußball. Außerdem bietet Sky mit den Tickets und Box Sets zusätzlich auch Filme und Serien an und konnte sich die Rechte an der finalen Staffel „Game of Thrones“ sichern. Alles in allem also ein durchaus rundes Angebot.

Allerdings musste auch dieser Dienstleister in den letzten Jahren etwas Federn lassen. Zuerst verlor man die englische Premier League, dann tauchte vor vier Jahren ein neuer und ernstzunehmender Rivale am Sport-Streaming-Horizont auf: Dazn. Eben jener Dienst, der Sky die so hoch gehandelte Premier League wegschnappte.

Anfangs noch mit erheblichen Serverproblemen und teilweise schlechter Streamingqualität, mauserte sich Dazn schnell zur echten Alternative zu Sky. Zwar hält der Anbieter aus Unterföhring bei München noch immer die meisten Rechte an der Fußballbundesliga, darunter auch die beliebte Samstagsnachmittagkonferenz; und auch die Konferenz der Champions-League-Spiele ist in den Händen von Sky. Dazn sicherte sich aber erst bei der Rechtevergabe vor geraumer Zeit ein durchaus großes Stück des Kuchens: 106 Spiele der Bundesliga. Dazu kommen unter anderem ausgewählte Champions-League-Spiele, die gesamte italienische Serie A, Spaniens La Liga und außerdem US-Sport wie Basketball und Baseball. Langsam aber sicher gräbt Dazn also dem großen Konkurrenten Sky das Wasser ab.

Größter Vorteil des Neulings ist natürlich der unschlagbare Preis. Für 11,99 Euro im Monat bekommt man täglich sportliche Unterhaltung geboten, ohne Mindestlaufzeit und jederzeit kündbar. Eine Flexibilität, von der sich Sky eine Scheibe abschneiden könnte. Hier kommt man gut und gerne auf rund 30 Euro pro Monat und das nur für Fußball. Zusätzlich liegen die Vertragslaufzeiten bei mindestens zwölf Monaten, was sich in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft wohl kaum jemand gerne ans Bein binden möchte.

Erst kürzlich gab es außerdem Spekulationen, Amazon wolle sich ebenfalls ins Fußballgeschäft einkaufen. In der abgelaufenen Saison hatte der Online-Händler über seine Plattform bereits ausgewählte Spiele gezeigt. Überraschenderweise verzichtete der E-Commerce-Riese aber auf den Kauf entsprechender Rechtepakete. Ob der Konzern in den kommenden Jahren doch noch einmal zuschlägt, wird sich zeigen. Fußball-Rechte-Experte Kay Dammholz gab sich im Interview mit dem Amazon Watchblog vor wenigen Wochen jedenfalls überrascht aufgrund der Zurückhaltung von Amazon.

Kampf der Streaming-Titanen: Wer gewinnt?

Bei der Flut der Angebote das richtige zu finden, ist nicht einfach. Für wen Geld keine Rolle spielt, der kann sich natürlich einfach alle Abos zulegen. Alle anderen müssen Abstriche machen und abwägen, was man sehen möchte und welche Kriterien der jeweilige Streaming-Dienst erfüllen sollte. Ein kleiner Überblick der verschiedenen Dienste gibt die folgende Tabelle:

Tabelle streamingsdienste neu

Traumpaar Streaming und Corona 

Je mehr sich die Streaming-Dienste auf dem deutschen Markt etabliert haben, desto unverzichtbarer wurden sie auch. Es hat sich sogar ein ganz neuer Trend entwickelt: das Bingewatching. Dieses wurde eigentlich erst durch die Anbieter möglich und bedeutet nichts anderes, als mehrere Episoden einer Serie hintereinander zu schauen. Gerne auch ohne Pause und die ganze Nacht durch. Und wann bot sich diese Art von Fernsehen mehr an, als während der Coronazeit, in der wir alle an unsere eigenen vier Wände gebunden waren? Tatsächlich ging die Nutzung der Video-on-Demand-Dienste seit Mitte März stetig nach oben, wie eine Analyse der Plattform justwatch.com zeigt. Demzufolge konnten Sky Go & Sky Ticket ein Wachstum von 190 Prozent verzeichnen, bei Maxdome bzw. Joyn ging es um 148 Prozent nach oben, bei Amazon Prime Video um 144 Prozent und Netflix konnte immerhin um 128 Prozent zulegen.

Durch das gestiegene Streamingvolumen kamen die Netze in Europa allerdings zum Teil auch an ihre Grenzen. Um für weniger Datenverkehr zu sorgen, hat Netflix für eine bestimmte Zeit sogar die Videoqualität etwas heruntergeschraubt. Mitte Mai wurde diese Drosselung vom Videodienst aber wieder aufgehoben.

Blick in die Glaskugel

In den letzten fünf Jahren hat der deutsche Streaming-Markt eine erheblich Veränderung durchlebt. Zahlreiche neue Anbieter haben das Feld betreten, Filme, Serien und Sport wechselten zum Teil ihr Zuhause und waren plötzlich nur noch beim Konkurrenten verfügbar. Diese Zerstückelung ist für den Kunden natürlich alles andere als angenehm. Was auf den ersten Blick nach mehr Auswahl aussieht, entpuppt sich ziemlich schnell als Nachteil. Denn will ich wirklich eine große Auswahl an Filmen und Serien haben, muss ich mir viele verschiedene Abos zulegen – ein teurer Spaß.

Ob sich die rasante Entwicklung der letzten Jahre auch in Zukunft so fortsetzen wird, bleibt abzuwarten. Auch, ob sich der Markt weiter aufsplitten wird oder – analog zum Musik-Streaming-Markt und Spotify – irgendwann ein klarer Global Player doch das Feld dominieren könnte. Es bleibt spannend!