Sowohl das gesellschaftliche als auch das wirtschaftliche Umfeld sind von Krisen und Veränderungen geprägt, das zeigte sich in den letzten Jahren besonders eindrücklich. Rein aus wirtschaftlicher Sicht war und ist es für Unternehmen deshalb an der Tagesordnung, agil und innovativ zu agieren, um schnell auf Änderungen reagieren zu können. 

Damit Innovation und Agilität zum Arbeitsalltag gehören, braucht es motivierte und engagierte Mitarbeitende – die eben nicht nur ihre Arbeit nach Vorschrift erledigen, sondern sich mit ihren Fähigkeiten, Vorstellungen und ihrem Wesen einbringen können. Denn: Neue Ideen entstehen vor allem durch Inspiration und weniger dadurch, dass sich Beschäftigte an starre Anleitungen halten oder unhinterfragt Anweisungen befolgen.  

Wer sich fragt, ob oder wie gut das eigentlich im eigenen Betrieb funktioniert, kann einen Blick auf die Kommunikation im bzw. mit dem Team werfen. Gibt es einen freien und produktiven Austausch? Oder aber traut sich in Meetings kaum jemand, auch mal etwas Kritisches zu sagen? 

Was helfen kann, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem neue Ideen entstehen und vorangetrieben werden können und unterschiedliche Positionen Raum bekommen und wie sich die Zusammenarbeit dadurch bessert – ein Überblick.

#1 Die Relevanz der psychologischen Sicherheit 

Offen Fehler zugeben können, sich gehört und gesehen fühlen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen – das sind Voraussetzungen für einen respektvollen und produktiven gemeinsamen Austausch von Teams. Dieser Ansatz der sogenannten psychologischen Sicherheit geht auf die Harvard-Professorin Amy Edmondson zurück, die bereits in den 1990er Jahren Forschungen zu diesem Thema publizierte. „Psychologische Sicherheit beschreibt die Überzeugung, dass das Arbeitsumfeld vor zwischenmenschlichen Risiken sicher ist“, erklärt sie im Podcast des Manager Magazins zum Konzept.

Dass bestimmte Kritik nicht geäußert oder Fehlverhalten nicht zugegeben wird, hat nicht immer damit zu tun, dass Vorgesetzte diese bewusst sanktionieren oder Äußerungen untersagen. „Es ist vielmehr Teil der menschlichen Natur, Angst vor Fehlern zu haben. Wir wollen lieber mit allen in einer Gruppe übereinstimmen, anstatt offen zu widersprechen“, erläutert die Wissenschaftlerin. 

Damit Ideen Gehör finden, Probleme besprochen und gelöst werden können, ist diese Sicherheit also essenziell. Psychologische Sicherheit herzustellen, ist somit eine wesentliche Aufgabe von Führungskräften und Teams. „Psychologische Sicherheit bezieht sich auf das gesamte Team – es reicht nicht nur aus, dass sich einzelne Kolleg:innen vertrauen und offen miteinander umgehen“, schreibt das HR-Netzwerk Personio zum Thema. Ob man das Arbeitsumfeld als psychologisch sicher wahrnimmt, hänge vor allem davon ab, wie die gesamte Gruppe miteinander interagiert, wie intensiv sie sich austauscht, wie gut die Beziehungen untereinander sind und ob man sich unterstützt und vertraut. Sich dessen bewusst zu sein, ist der erste Schritt. Der zweite ist, eben jene gesunde Umgebung für den sicheren Austausch zu schaffen und so eine konstruktive, lebhafte Debattenkultur zu etablieren.

#2 Wo arbeitet das Team? 

Ein Aspekt, der für eine gute gemeinsame Zusammenarbeit berücksichtigt werden sollte, ist die Frage, wo und wie man sich eigentlich austauscht. Denn längst ist Homeoffice in vielen Firmen Standard, viele Teams arbeiten hybrid. Einzelne Mitglieder sind im Büro, andere wiederum dauerhaft zu Hause. Vor allem die ständige Arbeit zu Hause birgt auch die Gefahr, dass sich einzelne Personen eher isolieren, wie Studien zeigten. Kollegiale Beziehungen können darunter leiden – denn für die Beziehungspflege im Arbeitskontext ist auch der informelle Austausch ein wesentlicher Faktor. „Das Informelle ist wie ein Schmiermittel, das die Maschine am Laufen hält, wenn die üblichen, formalisierten Wege versanden“, schreibt Paul Fenski vom New-Work-Magazin Neue Narrative. Im Büro ergeben sich viel eher lockere Gesprächssituationen. Teams, die hybrid bzw. remote arbeiten, müssen dafür Räume schaffen. Das können Co-Working-Umgebungen, mehr gemeinsame Pausen oder auch bestimmte Chat-Kanäle oder Plauder-Routinen sein.

#3 Respektvoll und auf Augenhöhe

„Behandle andere Menschen so, wie du selber behandelt werden möchtest!“, lautet Edmondsons goldene Regel für die gemeinsame Zusammenarbeit. Wertschätzung und echtes Interesse zu zeigen – für jeden Beitrag – sowie nahbar und ansprechbar zu sein, ist für Führungskräfte essenziell.

Sie sollten das Verhalten einzelner Teammitglieder aber beispielsweise auch beobachten. Wenn sie bemerken, dass bestimmte Verhaltensweisen das vertrauensvolle Miteinander stören, sollten sie bestimmt und respektvoll eingreifen, heißt es bei Personio. Die Kommunikation sollte dabei stets auf Augenhöhe stattfinden. 

#4 Mut zum Dissens

Nur, weil man eine stimmige und sichere Team-Atmosphäre herstellen will, bedeutet das nicht, dass alles harmonisch zugehen muss und plötzlich alle einer Meinung sind. Im Gegenteil, es ist wichtig, konkurrierende Standpunkte zu fördern, da dies zu echtem Austausch und letztlich Innovationen führt. Ein „konstruktiver Dissens“ kann es Einzelpersonen und Gruppen ermöglichen, ihre unterschiedlichen Ansichten so zu äußern, dass die Diskussion zu einem positiven Ergebnis führt, erläutern Ben Fletcher und Dana Maor von der Unternehmensberatung McKinsey

Führungskräfte, die von konstruktiven Widersprüchen profitieren wollen, sollten sich zunächst selbst reflektieren. Viele sagen zwar, dass sie kritisches Feedback begrüßen – gehen bei Widersprüchen jedoch schnell in eine Abwehrhaltung. „Sie ärgern sich vielleicht darüber, dass sie sich die Zeit nehmen müssen, den Entscheidungsprozess noch einmal zu überdenken“, so Fletcher und Maor. Das seien ganz natürliche Reaktionen, denn Loyalität und Bestätigung wirken natürlich beruhigender als Kritik. Doch derlei Unbehagen sollten Führungskräfte zur Seite schieben. Das hat noch einen weiteren Grund: Wenn Kritik nicht als erwünscht angesehen wird, empfinden es die einzelnen Teammitglieder als sicherer, ihre Meinung für sich zu behalten. 

#5 Gesunde Debattenkultur fördern

Wenn sie konkurrierende Standpunkte als Innovationselement im Arbeitsalltag verankern wollen, sollten Führungspersonen abweichende Meinungen ausdrücklich einfordern. Die vermeintlich kritischen Stimmen lassen sich nämlich als nützliche Datenbasis nutzen. Damit abweichende Positionen überhaupt berücksichtigt werden können, kann man beispielsweise einzelnen Teammitgliedern auch vorab die Rolle eines Kritikers zuweisen. 

In einer gesunden Debatte werden gegensätzliche Standpunkte respektvoll und besonnen gehört. Führungskräfte können das erreichen, indem sie erstmal nicht ihre eigene Meinung sagen. Denn die Position eines Vorgesetzten hat viel Gewicht und kann die Diskussion ersticken, mahnen die McKinsey-Partner. Sie können dafür andere, vielleicht auch weniger mit dem Thema vertraute Personen Agendapunkte vortragen und Konzepte entwickeln lassen, sie die Diskussion führen lassen, sich selbst dann eher mit Neugier einbringen und Personen, die kritische Meinungen einbringen, bestärken. 

#6 Raum für unterschiedliche Positionen schaffen

Die Tatsache, dass eine abweichende Meinung ausgesprochen wird, sollte generell Wertschätzung erfahren – auch wenn Gedanken nicht immer 100-prozentig ausgereift scheinen. Auf diese Weise können einzelne Personen und Teams das notwendige Selbstbewusstsein aufbauen, ihrer Position überhaupt Ausdruck zu verleihen.

Eine Meinung hat man nicht immer sofort – es braucht hier und da etwas Zeit und Auseinandersetzung. Vorgesetzte müssen solche Diskussionsräume also auch erst einmal schaffen. Dabei hilft es, anderen Ansichten immer wieder aufgeschlossen und respektvoll zu begegnen, viele Fragen zu stellen, Informationen zu sammeln oder die Motivationen anderer einzuschätzen. 

Die Fähigkeit des aktiven und offenen Zuhörens sollte gefördert werden. „Bei ihrem beitragenden abweichenden Standpunkt können sich Einzelpersonen und Teams einen Moment Zeit nehmen, um zusammenzufassen, was andere gesagt haben“, empfehlen Fletcher und Maor von McKinsey. Anschließend sei es möglich, zu fragen, ob man eine andere Meinung anbieten könne.  

#7 Strukturieren und Regeln erarbeiten

Für mehr Erfolg im Brainstorming ist es nützlich, den strategischen Rahmen vorzugeben, beispielsweise ein Zeitfenster. Aber es sollte auch gewisse Regeln geben: Wie wird beispielsweise der Erfolg definiert, wenn es gegensätzliche Auffassungen gibt? Welche Themen oder Verhaltensweisen sind tabu? Wer leitet die Diskussionen? Wie werden Wortmeldungen erfasst? Wer hat das letzte Wort? Es kann auch eine Idee sein, diese Regeln gemeinsam zu erarbeiten und sie gegebenenfalls schriftlich zu fixieren.  

Auch dafür, wie Kritik formuliert wird, könnte man vorab gewisse Vorgaben machen. So kann man die Teammitglieder bitten, ihre zugrunde liegenden Werte oder möglichen Vorurteile offenzulegen, die sie zu dieser Position bewegt haben. Statt einer Aussage wie „Diese Entscheidung ist aus meiner Sicht falsch.“ würde man dann einen Satz formulieren wie „Mir ist der gemeinsame Austausch wichtig und diese Entscheidung birgt das Risiko, dass wir uns schlechter abstimmen können und Wissen verloren geht.“ 

#8 Kooperation und Reflexion

Teammitglieder stehen „oft im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Wettbewerb“, schreibt der Teamsoftware-Anbieter Büro Kaizen. So sorgt eine Zusammenarbeit erstmal grundlegend für bessere Ergebnisse und eine angenehmere Atmosphäre. „Kooperation sollte also das Ziel sein“, so die Empfehlung. Dabei gilt nicht, dass sich immer die stärkste oder lauteste Position durchsetzt. „Wer mit gutem Beispiel vorangeht, sorgt am ehesten für eine Einhaltung der Teamregeln.“ 

Wichtig ist es aber auch, dass dabei die eigene Stimme nicht untergeht. Deshalb sollte man bei aller Kooperation auch die eigenen Bedürfnisse im Blick haben. Allerdings bringt nicht jede Person diese gern gleich stark zum Ausdruck oder will das überhaupt tun. Während einige ihr Ego eher raushängen lassen oder aber einfach ganz unegoistisch gerne ihre Ansichten mitteilen, sind andere stiller. Es kann helfen, wenn sich die Teammitglieder ihren eigenen sowie den Ausdrucksformen anderer Teammitglieder bewusst sind. 

„Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, kann es sich lohnen, mit einer Moderationsrolle zu arbeiten und öfter in Runden (also eine Person nach der anderen, ohne Unterbrechungen oder Diskussionen) zu sprechen“, rät Sebastian Klein von Neue Narrative. Auch hier können verbindliche Regeln in Meetings und Debatten unterstützen.

#9 Unterschiede können und dürfen bestehen bleiben

Doch auch nach der besten Debatte können Menschen unterschiedlicher Meinung sein. Auch, wenn man letztlich dennoch etwas für eine falsche Entscheidung hält, muss man nicht zwingend zustimmen. „Menschen sollten nicht zustimmen, wenn sie nicht zustimmen“, erklären die McKinsey-Partner. Wertschätzung kann man dann beispielsweise auch für den Prozess der Entscheidungsfindung ausdrücken, zu dem man beigetragen hat. 

Artikelbild: http://www.depositphotos.com