Höhere Rechnungen und geringere Auszahlungen nach Verkäufen – darauf müssen sich viele Händlerinnen und Händler wohl einstellen, die auf Amazons Marktplatz aktiv sind. Grund dafür ist eine Änderung in der steuerlichen Abrechnungspraxis, die ab dem 1. August 2024 greift.

Bisher war es so, dass Rechnungen an deutsche Unternehmen, die für verschiedene Amazon-Dienste erstellt wurden, aus einer luxemburgischen Konzernniederlassung erfolgten, wobei das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren zum Tragen kam. Künftig wird Amazon solche Dienstleistungs-Rechnungen je über eine lokale Niederlassung abrechnen, wodurch lokale Umsatzsteuerregelungen gelten. In Folge wird die Umsatzsteuer von den Amazon-Gebühren abgezogen.

Zwar können sich deutsche Händlerinnen und Händler die Umsatzsteuer später über die Umsatzsteuererklärung zurückerstatten lassen, doch gibt es bereits jetzt Befürchtungen, dass sich für Seller Schwierigkeiten mit der Liquidität ergeben könnten. 

Hinweis: Ausführlichere Informationen rund um Amazons neue Abrechnungspraxis lesen Sie hier:
>> Amazon ändert die Abrechnungspraxis – drohen Händlern finanzielle Engpässe? <<

 

Wir haben bei einer Branchenexpertin nachgefragt: Steuerberaterin Daniela Nölte erklärt, was hinter der neuen Abrechnungspraxis bei Amazon stecken könnte, wo die Vorteile für Amazon liegen, worauf Händlerinnen und Händler unbedingt achten sollten und ob die Sorgen begründet sind. 

Amazon könnte Haftungsproblemen vorbeugen und eigenen Aufwand reduzieren

OnlinehändlerNews: Lässt sich vermuten, weshalb Amazon diese Änderung durchführt? Was hat der Konzern davon?

Daniela Nölte: Ich vermute, dass die Umstrukturierung in erster Linie darauf abzielt, Haftungsprobleme (vorausschauend) zu vermeiden. Der Fiskus versucht zunehmend, Marktplätze für das Fehlverhalten der Händler zur Verantwortung zu ziehen. Wenn Händler in ihren Ansässigkeitsstaaten die aus dem Reverse-Charge-Verfahren entstehende Umsatzsteuer nicht ordnungsgemäß anmelden und abführen, könnte dies potenziell zu Problemen für Amazon führen. Indem Amazon die Rechnungen für die Gebühren bereits mit der örtlichen Umsatzsteuer ausstellt, wird diese Gefahr vermieden.

Ein weiterer Aspekt könnte die Verbesserung/Vereinfachung des internen Compliance-Systems sein. Händler weisen sich durch ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Unternehmer aus, für die bei der Abrechnung der Gebühren das Reverse-Charge-Verfahren angewandt werden muss. 

Es kommt häufig vor, dass diese Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (manchmal auch rückwirkend) für ungültig erklärt wird. In solchen Fällen müssen die Abrechnungen korrigiert werden, weil der Unternehmernachweis fehlt, wodurch Amazon das Reverse-Charge-Verfahren nicht mehr anwenden kann. Ich denke, dass der interne organisatorische Aufwand reduziert und die Gefahr von Falschabrechnungen minimiert wird, da für die Betriebsstätten der AEU in den jeweiligen Sitzstaaten der Händler unter Ausweis der lokalen USt die Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer irrelevant ist.

Ein Vorteil für die Händler ist eventuell, dass die Amazon-Sellerkonten nicht mehr so schnell gesperrt werden, da die Abrechnungsart der Gebühren nicht mehr an die Gültigkeit der USt-IdNr. geknüpft ist.

Ein weiterer Vorteil könnte darin liegen, dass der Liquiditätsnachteil der Händler zu einem Liquiditätsvorteil für Amazon wird.

Darauf sollten Händler achten

Die Neuerung hat zur Folge, dass Rechnungen höher und Auszahlungen durch Verkäufe niedriger ausfallen. In den meisten Fällen können sich Händlerinnen und Händler die Umsatzsteuer dann später zurückerstatten lassen. Als wie groß schätzen Sie diesen Mehraufwand für Seller ein?

Das Wichtigste ist, dass die Konverter angepasst werden, sodass die Buchungsstapel für die Steuerberater korrekt ausgegeben werden. Darüber hinaus sollte jeder Händler seinen Steuerberater darüber informieren, dass Amazon Änderungen vorgenommen hat, damit die Prozesse in den Kanzleien entsprechend angepasst werden können. 

Es ist unerlässlich, dass die Gebührenrechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer den Steuerberatern vorgelegt werden, als Nachweis für den Vorsteuerabzug. Bestehen hier Kommunikationslücken, kann der ohnehin vorhandene Liquiditätsnachteil durch die Umstellung erheblich vergrößert werden.

Eine Gefahr für kleinere Händler? – Vorsicht statt Panik!

Aus der Branche gibt es nun Befürchtungen, nach denen sich für Händlerinnen und Händler Liquiditätsprobleme ergeben könnten, die auf dem zeitlichen Versatz durch die Rückerstattungen beruhen. Gemunkelt wird über eine Zeitspanne von ein bis eineinhalb Monate, die Marktplatz-Anbieter:innen auf ihr Geld warten müssen. Teilen Sie diese zeitliche Einschätzung?

Soweit Händler monatlich USt-Voranmeldungen abgeben müssen, teile ich diese Einschätzung. Viele Händler reichen ihre USt-Voranmeldungen jedoch vierteljährlich ein, und einige geben die Umsatzsteuer sogar nur jährlich ab, was zu einer erheblichen Ausweitung des Zeitversatzes führt. Dies betrifft allerdings überwiegend kleinere Händler, bei denen die Gebühren in der Regel einen überschaubaren Umfang haben.

Als wie groß stufen Sie die Gefahr solcher Liquiditätsengpässe insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ein?

Wenn die aktuelle Liquidität bereits angespannt ist, besteht selbstverständlich die Gefahr, dass diese Umstellungsphase die Händler weiter in Bedrängnis bringt. Dennoch halte ich es für unangebracht, die Situation zu überbewerten; Panik ist meines Erachtens nicht erforderlich – Vorsicht aber immer!

Planung ist das A und O

Was würden Sie hiesigen Händlerinnen und Händlern empfehlen?

Jeder Unternehmer sollte schnellstmöglich seine Liquiditätsplanung entsprechend anpassen und bei Erkennen daraus resultierender Probleme geeignete Maßnahmen, zur Kapitalbeschaffung, frühzeitig einleiten.

Darüber hinaus könnte es ratsam sein, ab dem Jahr 2025 zu prüfen, ob Unternehmen, die ihre Umsatzsteuervoranmeldungen derzeit vierteljährlich abgeben, auf eine freiwillige monatliche Umsatzsteuervoranmeldung umstellen können und sollten. Eine solche Umstellung kann auch aus anderen Gründen sinnvoll sein, beispielsweise zur Verbesserung der finanziellen Planung und zur Minimierung von sonstigen Liquiditätsengpässen. (Einzelfallabhängig! – kann auch nachteilig sein)

Allerdings würde ich dies nur dann empfehlen, wenn es wirklich notwendig und sinnvoll ist, denn jede Umstellung der Strukturen ist fehleranfällig und erfordert Konzentration und  Zeitaufwand und Zeit ist bekanntlich Geld.

Vielen Dank für das Interview!

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