Dieses Interview ist Teil unserer Marktplatz-Themenreihe: Diese beleuchtet in verschiedenen Beiträgen nicht nur wichtige Zahlen und Fakten rund um Ebay, Temu und Co., sondern liefert Händlerinnen und Händlern auch rechtliche Hintergrundinformationen rund um Vertriebsbeschränkungen, Abmahnfallen und Zahlungsprobleme. Außerdem finden sich neben informativen Überblicksartikeln auch verschiedene Tipps für den Handel auf Marktplätzen.
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Es sind aufregende Zeiten für Ebay und für den Online-Handel generell. Die Krisen der vergangenen Jahre (Corona, Energie, Krieg) scheinen fürs Erste überwunden, die Branche berappelt sich wieder. In diesem neuen Aufbruch feiert Ebay seinen 25. Geburtstag, hat in Saskia Meier-Andrae eine neue Deutschlandchefin und hat sich ein Konzept für die kommenden Jahre zurechtgelegt. Ein wesentlicher Kernpunkt dieses Konzepts ist die Nähe zu den Händler:innen, die Ebay unter anderem auf seinen Roadshows sucht, die in diesem Jahr wieder in vier Städten Halt machen.

Am 29. Mai besuchte der Marktplatz Leipzig, was OHN Gelegenheit gab, Andreas Häntsch, Senior Director Seller Engagement bei Ebay Deutschland, zum Exklusivinterview zu treffen. Wie geht man mit ungefiltertem Feedback im direkten Austausch um? Vor allem, nachdem man den Privatverkauf auf Ebay kostenlos gemacht hat und damit durchaus Kritik aus der Händler-Community einstecken musste. Wie problematisch sind scheinprivate Händler:innen wirklich? Und wie geht man eigentlich mit der chinesischen Konkurrenz von Temu um, die die deutsche Marktplatz-Landschaft derzeit gehörig aufmischt?

Die kleinen Händler:innen treffen

OHN: Hallo Andreas. Ebay ist letztes Jahr mit dem Roadshow-Konzept gestartet. Vorher habt ihr sehr lange die Ebay Open als ein großes, zentrales Event veranstaltet. Warum habt ihr gesagt, wir wollen das jetzt nicht mehr so groß aufziehen, sondern wir wollen in die einzelnen Städte gehen?

Andreas Häntsch: Die Entscheidung war relativ einfach. Die Ebay Open war sehr erfolgreich und wir haben tolles Feedback bekommen. Aber wir haben insbesondere von kleineren Händler:innen gehört, dass es sehr aufwändig ist, dorthin zu kommen. Die Ebay Open lief über zwei Tage, sprich: Mit Anreise und Abreise ist man drei Tage aus dem Geschäft raus. Das ist viel Aufwand, natürlich auch verbunden mit einem gewissen Reisebudget.

Darum haben wir uns überlegt, weiter in die Regionen reinzugehen, näher an den Händler:innen zu sein. Wir wollten den Aufwand der Händler:innen verringern und haben dadurch auch neue Händler:innen erreicht, die normalerweise nicht zu uns gekommen wären. Kleine Händler:innen oder Familienunternehmen können diesen Aufwand nicht stemmen und ihre Arbeit nicht einfach so lange unterbrechen.

Auf diesen kleineren Veranstaltungen bekommt ihr das Feedback der Händler:innen sehr ungefiltert. Ist aber das Feedback, das ihr bekommt, nicht manchmal auch ein bisschen zu ungefiltert? Gab es Situationen, wo Händler:innen auch mal ein bisschen, sagen wir mal, gemeiner waren?

Nein, wir wollen ja das ungefilterte und direkte Feedback! Und wenn es dann mal ein bisschen härter ist, dann vertragen wir das. Unser Job ist es dann, das herauszufiltern und es möglichst konstruktiv zu machen. Und natürlich auch herauszufiltern, was eine Einzelmeinung ist und was sich auf der anderen Seite durch viele Rückmeldungen zieht.

Im letzten Jahr haben wir eine ganze Menge relevantes Feedback von Händler:innen aus den verschiedenen Stationen unserer Roadshow bekommen. Und einige Themen haben wir nicht nur in einer Stadt, sondern in mehreren Städten von unterschiedlichen Händler:innen gehört. Und dann ist es unser Job, das entsprechend zu konsolidieren, zu priorisieren, und letztlich zu klären: Wie wichtig ist das jetzt wirklich? Und dann werden die Themen entsprechend an unsere Produktentwicklung kommuniziert und umgesetzt.

Kostenloser Privatverkauf: Problem oder Chance?

Einer der Pain Points der Händler:innen ist der kostenlose Privatverkauf. Das Thema spaltet die Händler-Community. Aus Ebay-Sicht war das ein richtiger Schritt, aber was sagt ihr Kritikern, die das nach wie vor für keine gute Idee halten?

Wir haben dafür eine Menge Geld investiert, denn wir leben am Ende des Tages von unseren Provisionen und die Provision der privaten Verkäufer:innen fällt jetzt komplett weg. Diesen Schritt sind wir ganz bewusst gegangen, denn die privaten Verkäufer:innen sind die wichtigsten Käufer:innen, die wir auf dem Marktplatz haben. Private Verkäufer:innen geben bei Ebay mehr als doppelt so viel aus wie solche, die nicht selbst verkaufen.

Ein weiterer Punkt, der wichtig für das Verständnis ist: Zum größten Teil geben Privatverkäufer:innen ihre Einnahmen wieder bei gewerblichen Anbietern auf unserer Seite aus. Das heißt, je mehr Nutzer:innen wir auf der Seite haben, desto besser läuft es auf dem Marktplatz. Mein Lieblingsbeispiel ist immer meine Frau. Sie hat lange nichts mehr verkauft, und dann meinte sie irgendwann: „Du, ich habe gerade was bei Ebay eingestellt. Das ist ja einfach geworden.“

Und ja, ich höre natürlich auch ab und zu: „Ja, die Privaten konkurrieren mit mir, die können günstigere Preise machen.“ Aber es sind in der Regel komplett andere Artikel, vor allem andere Artikelzustände. Die meisten Händler:innen verkaufen Neuware. Und selbst refurbished kommt ja nicht aus dem Keller einer Privatperson. Insofern trifft das Wettbewerbs-Argument nur in ganz wenigen Nischen zu.

Was uns auch öfter gefeedbackt wurde, war das Problem von scheinprivaten Händler:innen. Da gebe es Tausende und die können das einfach machen. Wie groß ist denn das Problem wirklich? Und wie geht ihr wirksam dagegen vor?

Wir analysieren das natürlich. Erst einmal: Alle Händler:innen müssen sich bei uns registrieren und angeben, ob sie privat oder gewerblich handeln. Jetzt kann es natürlich sein, dass jemand ein privates Ebay-Konto einrichtet, aber gewerblich handelt. Das verstößt gegen das Gesetz: Wenn ich Waren einkaufe und dann mit einer Gewinnerzielungsabsicht verkaufe, dann bin ich per se gewerblich, Punkt. Wir filtern das natürlich raus, wir gehen dagegen auch vor und jetzt hilft uns auch der Gesetzgeber.

Wir sind ja dazu verpflichtet, Händler:innen ab einem gewissen Transaktionsvolumen an die zuständigen Finanzbehörden zu melden. Und wir sehen hier auch rückläufige Zahlen, was eventuell unter die Meldepflicht fallende Ebay-Konten ausmacht. Das war, ganz klar, noch nie ein Riesenproblem! Anekdotisch wird das schonmal größer dargestellt.

Bekommt ihr auch Rückmeldung von Händler:innen, die euch vermeintlich scheinprivate Accounts melden?

Ja, das kommt durchaus vor und wenn wir sehen, dass das zutrifft, dann gehen wir entsprechend dagegen vor. Manchmal stellen wir aber auch fest, dass es sich um ein reguläres privates Ebay-Konto handelt. Wir schauen uns die Einzelfälle genau an.

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Die Ebay-Strategie

Kleine Unternehmen, C2C, Lokal, Re-Commerce (Re-Store). Ihr seid in euren Fokus-Themen sehr deutlich und das schon seit einer Weile. Wie erfolgreich seid ihr denn damit? Ist eure Strategie die richtige? Oder anders: Werden wir 2025 komplett andere Schwerpunktthemen sehen?

Wir werden unsere Strategie konsequent weiterverfolgen. Mit der Stärkung des privaten Handels stärken wir den gewerblichen Handel. Wir gehen auf bestimmte Fokus-Kategorien, zum Beispiel der große Bereich Fahrzeugteile und Zubehör. Hier ist Ebay übrigens Deutschlands Marktplatz Nummer 1.

Auch im Refurbished-Bereich haben wir eine sehr starke Position, die wir natürlich auch ausbauen wollen. Der Bereich Collectibles (Sammeln und Seltenes) ist super interessant, auch das werden wir weiter stärken. Ein extrem spannender Bereich, weil hier echte Liebhaber:innen kaufen und verkaufen - Kund:innen, die immer wieder kommen und sehr loyal sind.

Beim Thema Lokales Einkaufen haben wir erste Schritte gemacht, da sind wir aber noch am Anfang der Reise. Käufer:innen können jetzt schon beim lokalen Handel ihre Ware abholen, das wird verbindlich durch den Kaufabschluss über die Ebay-Plattform vereinbart und der Artikel direkt online bezahlt. Wir stellen eine Infrastruktur zur Verfügung, die für ein hohes Maß an Sicherheit und Vertrauen beim lokalen Handel sorgt. Wie gesagt, da wird sicher noch mehr kommen. 

Zum Abschluss: Was sagst du zu Emporkömmlingen wie Temu? Der Billig-Marktplatz mischt die Branche derzeit enorm auf. Ist das ein Konkurrent, an dem Ebay sich messen muss?

Marktplätze kamen und gingen. Es gab auch immer wieder viele Nischenanbieter, die mal mehr oder weniger erfolgreich waren. Es gab größere Player, die aus dem Retailgeschäft kommen, die sich jetzt auch sehr gut etabliert haben. Nichtsdestotrotz sind wir die sehr starke Nummer 2 im deutschen Markt und das werden wir auch bleiben. Was Temu oder Shein machen, ist für uns ein komplett anderer Bereich.

Wir konzentrieren uns da komplett auf unsere Stärken: Verkäuferschutz und Käuferschutz. Nachhaltige Einkaufs- und Verkaufserfahrung. Was bei Temu passiert, ist nicht nachhaltig. Ich sehe gerade erste Indikatoren, die wieder in eine andere Richtung gehen. Letztendlich muss die Qualität und der Service stimmen, eine wiederkehrende Kundschaft muss zufrieden mit den angebotenen Produkten sein.

Wir bei Ebay schauen uns das an, konzentrieren uns aber auf unsere eigenen Stärken. Damit sind wir in den letzten 25 Jahren immer gut gefahren. 

Vielen Dank für das Gespräch!