Dürfen DHL, Hermes und Co. das Paket einfach beim Nachbarn abgeben?

Veröffentlicht: 14.08.2024
imgAktualisierung: 14.08.2024
Geschrieben von: Sandra May
Lesezeit: ca. 3 Min.
14.08.2024
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ca. 3 Min.
 Das Bild zeigt eine Cartoon-Nachbarschaft mit bunten Häusern und gepflegten Vorgärten. Im Vordergrund befindet sich eine Wiese mit Blumen, dahinter eine Straße. Große Bäume rahmen die Szene ein, und der Himmel ist blau mit wenigen Wolken.
deniscristo / Depositphotos.com
Die Kundschaft ist nicht da, also wird das Paket in der Nachbarschaft abgegeben. Aber: Dürfen das Logistikunternehmen einfach machen und welche Probleme können sich daraus ergeben?


In unserem letzten „Dreist oder berechtigt“ ging es um einen Nachbarn, der das Paket nicht an den Käufer herausrücken wollte. Dabei kam die Frage auf, ob Zusteller Sendungen überhaupt in der Nachbarschaft abgeben dürfen. Schließlich haben Online-Händler:innen eine konkrete Adresse angegeben. Wir haben uns das mal genauer angeschaut.

Regelung in den AGB

Grundsätzlich dürfen Pakete nur an den adressierten Empfänger zugestellt werden. Allerdings halten sich die Logistikunternehmen in den AGB Möglichkeiten offen.

So heißt es in den AGB von DHL: „DHL darf Sendungen, die nicht in der in Absatz 2 genannten Weise abgeliefert werden können, an einen Ersatzempfänger abliefern. [...] Ersatzempfänger sind: 1. Angehörige des Empfängers, 2. andere, auch in den Räumen des Empfängers anwesende Personen sowie 3. Hausbewohner und Nachbarn des Empfängers.“

Diese Klausel gilt allerdings nicht für Sendungen, die „aufgrund der Weisung des Absenders nur an den Empfänger persönlich abzuliefern und/oder mit einer Identitätsprüfung verbunden sind und nicht für Express-Sendungen mit dem Service Transportversicherung 25.000,- Euro und Express Briefe mit dem Service Transportversicherung 2.500,- Euro“. Außerdem darf nicht an Nachbar:innen zugestellt werden, wenn Umstände erkennbar sind, die erkennen lassen, dass diese nicht zur Annahme berechtigt sind oder „der Absender – soweit zulässig – keine entgegenstehende Weisung erteilt und auch der Empfänger gegenüber DHL durch Mitteilung in Textform eine derartige Ablieferung nicht untersagt hat“. Außerdem muss DHL unverzüglich „mittels physischer oder elektronischer Mitteilung (z.B. Benachrichtigungskarte, E-Mail)“ darüber informieren, wo sich das Paket befindet.

Eine ähnliche Regelung findet sich auch in den AGB von Hermes: „Die Zustellung erfolgt an den auf der Sendung angegebenen Adressaten durch persönliche Übergabe gegen Unterschrift des Empfängers. Der Absender ist damit einverstanden, dass die Übergabe auch an in den Räumen des Empfängers anwesende Mitglieder und Angestellte des Haushalts des Empfängers sowie an unmittelbare Nachbarn des Empfängers erfolgen darf, sofern den Umständen nach angenommen werden kann, dass diese zur Annahme der Sendung berechtigt sind („Nachbarschaftsabgabe“).“ Hermes definiert Nachbar:innen als Personen, die entweder im selben Gebäude oder in einem der nächstgelegenen Gebäude wohnhaft sind.

DPD schreibt dazu: „DPD ist berechtigt, nach dem ersten erfolglosen Zustellversuch beim Empfänger Pakete bei einem empfangsbereiten Nachbarn des Empfängers im selben Haus und, soweit ein solcher im selben Haus nicht existiert oder angetroffen wird, in einem/einer in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen (jedoch nicht weiter als 50 Meter entfernten) Nachbarhaus/Nachbarwohnung zuzustellen oder im nächstgelegenen Pickup Paketshop abzuliefern.“

Ersatzzustellung sorgt für Probleme bei Widerrufsfrist und Co.

Grundsätzlich halten sich die Logistikunternehmen die Möglichkeit der Ersatzzustellung offen. Diese Möglichkeit sorgt aber insbesondere im B2C-Bereich für Folgeprobleme, denn hier ist es mit der Haftung der Händler:innen erst vorbei, wenn die Kundschaft das Paket auch tatsächlich in den eigenen Händen hält. So beginnt die Widerrufsfrist auch erst zu laufen, wenn das Paket in der Nachbarschaft abgeholt wird.

Das Problem hierbei ist, dass es für die Händler:innen natürlich nicht nachverfolgbar ist, wann das passiert ist. Hier muss man sich im Zweifel darauf verlassen, dass es stimmt, wenn die Kundschaft sagt, sie hätte das Paket erst nach einer Woche abgeholt. Kommt das Produkt bei den Nachbar:innen zu Schaden oder wird die Herausgabe verweigert, hat man als Shopbetreiber:in auch erst mal das Nachsehen.

Das ganze kann man umgehen, indem man beim Logistikunternehmen angibt, dass das Paket nicht in der Nachbarschaft abgegeben werden soll. Das wiederum kann aber natürlich auch für Frust bei der Kundschaft sorgen, die die Sendung dann möglicherweise im weiter entfernten Paketshop abholen muss.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 14.08.2024
img Letzte Aktualisierung: 14.08.2024
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Sandra May

Sandra May

Expertin für IT- und Strafrecht

KOMMENTARE
4 Kommentare
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Monique
15.08.2024

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Wieso beim Nachbarn abgeben ;) Hier wird einmal geklingelt und so schnell bin ich garnicht an der Tür, da ist der Paketbote weg und das Paket steht vor der Tür oder ein anderer hat das Paket in die Papiertonne gelegt, zum Glück war kein Abholtag. Da ist das beim Nachbarn abgegeben das kleinere Problem.
Ilona
15.08.2024

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DHL lässt sich die Anweisung "Keine Nachbarschaftszustellung" mit 95 Cent netto extra vergüten. Genauso ist es eine Unart, Pakete in Packstationen zu bringen, obwohl Packstation gar nicht angegeben war. Um die Pakete aus der Packstation herauszubekommen braucht es ein Smartphone mit DHL App, was machen jetzt Menschen ohne Smartphone?? Deren Pakete werden kostenpflichtig wieder zurückgeschickt, wenn die Lagerfrist abgelaufen ist. Und DHL weigert sich standhaft, diese Rücksendegebühr zu erstatten, stellt aber keine Möglichkeit zur Verfügung die Pakete anderweitig aus der Packstation zu holen. Gruß Ilona
Konstantin
15.08.2024

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Und das Beste bei DHL und den anderen Logistikunternehmen ist, dass in den AGBs nirgends genaue Lieferfristen angegeben sind, obwohl der Verkäufer gesetzlich dazu verpflichtet ist, eine genaue Lieferzeit anzugeben und dafür auch haftet.
dirk
15.08.2024

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Auch hier wird wieder mal alle Verantwortung auf den Händler abgewälzt, sowohl vom Gesetzgeber als auch vom Versanddienstleister - und das für Sachverhalte, auf die man als Händler keinerlei Einfluss hat. Gerade wieder einen Kunden gehabt, der angibt, Paket sei beim Nachbarn abgegeben worden, er selbst DANACH aber erst mal 3 Wochen in Urlaub gefahren. Deshalb leider erst nach insgesamt 4 Wochen der Widerruf... Komischerweise sind das auch immer dieselben Kandidaten. Und genau solche bestellen grundsätzlich als Gast, so dass du sie noch nicht mal im Shop sperren kannst... Ich frage mich auch, inwieweit diese AGB-Regeln überhaupt rechtlich valide sind - letztendlich sagen sie ja nichts anderes als: Ist der Empfänger nicht da, wenn wir kommen, geben wir das Paket irgendwo im Umfeld des adressierten Empfängers ab - damit ist unser Job erledigt. Ob und wie der Empfänger an sein Paket kommt, ist dann nicht mehr unsere Verantwortung. Das ist so, als wenn ich das Geld für die DHL-Rechnung im Umschlag in den Windfang der Postbank lege und dann hoffe, dass es schon irgendwie auf dem richtigen Konto landet...