Online-Händler klagen immer wieder über Probleme bei der Abwicklung von Gewährleistungsfällen. Häufiger Grund ist dabei, dass sowohl Kunden als auch Verkäufer nicht über ihre Rechte und Pflichten Bescheid wissen. Informieren Sie sich daher in unserer Zusammenstellung über die häufigsten Irrtümer im Gewährleistungsrecht, um in schwierigen Situationen souverän zu bleiben.

Unter Online-Händlern sollte bekannt sein, dass der Verkäufer einer Ware per Gesetz verpflichtet ist, einzustehen, wenn er dem Kunden defekte Ware geliefert hat. Immer wieder werden wir daher mit Fragen ratloser Online-Händler kontaktiert. Häufiger Grund ist, dass sowohl Kunde als auch Verkäufer nicht über ihre Rechte und Pflichten in einem Gewährleistungsfall Bescheid wissen.

Um für den Alltag gerüstet zu sein und die Grundregeln im Gewährleistungsrecht zu kennen, sollen die häufigsten Irrtümer zum Thema Gewährleistungsrecht nachfolgend an unserem fiktiven Online-Händler Torsten Köhler erläutert werden.

Der Fall

Torsten Köhler betreibt seit einigen Jahren einen eigenen Online-Shop für Computer und Zubehör. Gestern erhielt er ein Paket eines Kunden mit einer Tastatur (ohne Verpackung), an der einige Tasten ausgebrochen waren. Der Kunde fordert nun 5 Monate nach der Lieferung, die Reparatur der Tasten oder wahlweise eine neue Tastatur zugesendet zu bekommen. Kann Torsten Köhler dies verweigern?

Der Kunde hat mit Ablauf der Widerrufsfrist auch kein Gewährleistungsrecht mehr?

Torsten Köhler versucht zunächst, den Kunden und dessen Reparaturverlangen mit Hinweis auf die abgelaufene Widerrufsfrist zu vertrösten. Doch hier unterliegt er einem Irrtum. Das Widerrufsrecht und das Gewährleistungsrecht sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, die streng voneinander zu unterscheiden sind und nebeneinander bestehen.

Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher vor überstürzten Käufen im Internet schützen. Da der Kunde die Produkte – anders als im Ladengeschäft - vor dem Kauf nicht sehen oder anprobieren kann, wird ihm ein Widerrufsrecht eingeräumt. Innerhalb einer festgelegten Frist ab Lieferung hat der Verbraucher nun Zeit, zu entscheiden, ob er die Ware behalten will oder nicht. Das Gewährleistungsrecht verfolgt jedoch einen anderen Zweck. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Verkäufer dafür haften, dass sie dem Kunden eine defekte Ware verkauft haben oder gar dadurch Folgeschäden entstanden sind.

Torsten Köhler kann dem Käufer daher auch nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht sein Gewährleistungsrecht (in diesem Falle Neulieferung oder Reparatur) verweigern, da dieser gerade nicht von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will, sondern sein davon unabhängiges Gewährleistungsrecht einfordern will.

Der Kunde muss sich an den Hersteller wenden?

Unser Online-Händler möchte den Käufer gerne direkt an den Hersteller verweisen. Er habe ja das Produkt nicht produziert. Wenn, dann habe nur der Hersteller den Mangel (z.B. wegen eines Produktionsfehlers) zu verantworten. Doch so einfach kann sich Torsten Köhler hier nicht aus der Verantwortung ziehen. Er ist Vertragspartner geworden und damit auch vorrangig Ansprechpartner für den Kunden - zumal die Hersteller vielfach nicht bekannt sind oder in Fernost sitzen.

Torsten Köhler muss gegenüber dem Kunden daher grundsätzlich 2 Jahre für auftretende Mängel einstehen. Er darf den Käufer nicht einfach an den Hersteller verweisen. Im Gegenteil: Eine solche endgültige Verweigerung der Nacherfüllung würde sogar zu einem Rücktrittsrecht des Kunden führen, d.h. der Kunde muss überhaupt keine Neulieferung oder Reparatur mehr akzeptieren, sondern er kann sein Geld zurückfordern und die Tastatur bei einem anderen Händler neu kaufen.

Keine Originalverpackung - kein Gewährleistungsrecht?

Auch wegen der fehlenden Originalverpackung für die Tastatur kann Torsten Köhler die Reparatur nicht verweigern. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die das Vorhandensein der originalen Verkaufsverpackung für die Inanspruchnahme der Gewährleistung voraussetzt.

Bei unsachgemäßer Behandlung durch den Kunden kein Gewährleistungsrecht?

Allerdings kommt es Torsten Köhler hier komisch vor, dass bei einer Computer-Tatstatur nach wenigen Monaten Tasten ausbrechen. Diesen Fall hatte er noch nie. Es schleicht sich daher der Verdacht ein, es liegt gar kein „echter“ Mangel vor, der zu einer Gewährleistung (z.B. Neulieferung oder Reparatur) berechtigen könnte, sondern der Kunde ist für die ausgebrochenen Tasten selbst verantwortlich.

In solch einem Fall gilt jedoch Folgendes: der Kunde hat einen Mangel vorgetragen. Tritt ein Mangel innerhalb der ersten 6 Monate seit Lieferung auf – was hier der Fall ist -, wird zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass der Sachmangel auch schon zum Zeitpunkt der Lieferung vorlag. Es wird also vermutet, dass die Tastatur beispielsweise einen Produktionsfehler aufwies (z.B. fehlerhafte Materialzusammensetzung), die das Herausbrechen der Tasten verursacht hat.

Torsten Köhler muss hier beweisen, dass der Kunde den Schaden beispielsweise durch unsachgemäße Verwendung hervorgerufen hat. Kann er dies nicht, muss er dem Kunden eine neue Tastatur liefern oder diese reparieren.

Fazit

Online-Händler haben in der Praxis mit einer Vielzahl von rechtlichen Problemen zu kämpfen. Um Differenzen zu vermeiden und Kunden nicht mit falschen Auskünften zu „vergraulen“, sollten sich Verkäufer auch im Gewährleistungsrecht gut auskennen. Vertiefende Hinweise zum Thema Gewährleistungsrecht finden sich auch im Hinweisblatt des Händlerbundes.

Die Fragen von Torsten Köhler zum Thema Abmahnungen können Leser hier noch einmal ansehen. Die Infos, die wir Torsten Köhler in Bezug auf die Sperrung seines eBay-Kontos gegeben haben, sind hier abrufbar.