Das Gewährleistungsrecht ist ein zentraler Bestandteil des Verbraucherschutzes und spielt für Online-Händlerinnen und Händler eine entscheidende Rolle. In diesem Artikel erklären wir noch einmal die Grundlagen des deutschen Gewährleistungsrechts, und wann es auch auf internationale Gewährleistungsregelungen ankommen kann.

Grundlagen des Gewährleistungsrechts in Deutschland

Für viele Händlerinnen und Händler ist es ein lästiges Übel, neben Gewerbevorschriften und Steuer-Know-how auch noch ein Grundwissen in Sachen Mängelhaftung zu besitzen. Daher hier noch einmal die Basics in puncto Gewährleistungsrecht im Schnelldurchlauf. In Deutschland ist das Gewährleistungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Es regelt die Rechte von Käuferinnen und Käufern, wenn eine Ware (oder Dienstleistung) mangelhaft ist. Grundsätzlich hat die Kundschaft das Recht auf Nacherfüllung, d. h. der Shop muss den Mangel durch Reparatur oder Lieferung einer einwandfreien Ware beseitigen. Scheitert diese, kann man vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Die gesetzliche Gewährleistungsfrist beträgt zwei Jahre ab Lieferung. 

Wer das noch einmal ausführlich nachlesen möchte, wirft einen Blick in unseren Leitfaden zum Gewährleistungsrecht.

Internationale Gewässer: In diesen Fällen kommt es auf das Gewährleistungsrecht im Zielland an

Für Online-Händler:innen, die ihre Produkte international verkaufen, ist es essenziell, die Gewährleistungsrechte in den Ländern zu kennen, in die sie liefern. Auch das noch, fragen sich jetzt bestimmt viele Betroffene? Starten wir diesen Teil direkt mit einem Fallbeispiel zur besseren Verständlichkeit.

Sanne ist Dänin, lebt und arbeitet jedoch in Polen. Sie kaufte sich eine Espresso-Maschine bei einem bekannten Online-Shop in Deutschland, der europaweit tätig ist. Noch bevor sie die erste Tasse genießen konnte, trat heißes Wasser aus der Maschine aus und seitdem ist die Maschine nicht einsetzbar. Grund für den Defekt war ein unsachgemäß verarbeiteter Wasserschlauch. Sie wendet sich an den deutschen Shopbetreiber und nun muss geklärt werden, wie die Rechtslage ist. Gilt

  • deutsches Recht, wie vom Shop in den AGB vereinbart,
  • polnisches Recht, weil Sanne dort lebt,
  • dänisches Recht, weil Sanne dänische Staatsbürgerin ist oder
  • ein Mix aus allen?

Internationales Recht und vertragsrechtliche Vereinbarungen

Regelt man nichts, z. B. über AGB, kommt die Rom-I-Verordnung für Verbraucherverträge zum Tragen, nachdem grundsätzlich das Recht des Staates gilt, in dem die Verbraucherinnen und Verbraucher ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sofern der Unternehmer seine Tätigkeit auf dieses Land ausrichtet oder in diesem Land tätig ist. Das wäre in unserem Beispiel Polen, denn ohne entsprechende AGB-Klausel würde Sannes gewöhnlicher Aufenthalt in Polen das maßgebliche Recht bestimmen. 

In unserem konkreten Beispiel hatte der Shop aber entsprechende AGB, wie sie zahlreiche Shops ebenfalls verwenden und es kommt diese Klausel zum Tragen: „Es gilt deutsches Recht“. Es spricht grundsätzlich nichts gegen derartige Klauseln, in der ein bestimmtes nationales Recht vereinbart werden soll, um die starre Vorgabe zu umgehen. Dies ist nach der Rom-I-Verordnung möglich, da die Parteien die Freiheit haben, das anwendbare Recht zu wählen. Ein deutscher Online-Händler darf beispielsweise mit einem polnischen Kunden das deutsche Recht vereinbaren. Auch am bekannten Beispiel von Amazon darf sich das Unternehmen in seinen AGB (derzeit geregelt unter Punkt 13) auf das luxemburgische Recht berufen. Bestätigt ist das generell auch vom Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 28.07.2016, Rechtssache C-191/15). Durch die vertragliche Vereinbarung in den AGB gilt wie in unserem Beispielsfall und auch bei den meisten anderen deutschen Online-Shops daher zunächst deutsches Recht. 

Doch rechtliche Fragen können meist nicht mit einem kurzen Ja oder Nein abgehandelt werden und so geht auch hier die Findung der Lösung weiter, denn Unternehmen sind – Überraschung! – dann doch nicht völlig frei. Andernfalls könnte man sich ganz einfach ein Land herauspicken, in dem es beispielsweise gar kein Widerrufsrecht oder gar keine Gewährleistungsansprüche gibt und wäre allen Ärger los. Doch so einfach ist es dann doch nicht.

Rückausnahme durch das Günstigkeitsprinzip

Auch wenn der Shop in seinen AGB ausdrücklich das deutsche Recht gewählt hat, muss er die Tür offen lassen für das sogenannte Günstigkeitsprinzip. Dieses besagt, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern die in ihrem Heimatland bestehenden günstigeren Rechte nicht vorenthalten werden dürfen. Ein entsprechender klarstellender Zusatz ist daher unabdingbar. So macht es beispielsweise auch Amazon mit folgender Formulierung: „Es gilt luxemburgisches Recht [...] Wenn Sie Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in der EU sind, genießen Sie außerdem Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts Ihres Aufenthaltsstaates.“

Sanne kann also das deutsche und das polnische Recht in Anspruch nehmen, je nachdem, welches in der konkreten Frage vorteilhafter ist. Dies entspricht auch den Vorgaben der Rom-I-Verordnung.

Fazit zum Fallbeispiel

Unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips und der vertraglichen Vereinbarung kann Sanne sich auf das polnische oder das deutsche Recht berufen, da es in beiden Ländern eine zweijährige Gewährleistungsfrist gibt und auch die sogenannte zwölfmonatige Beweislastumkehr in beiden Ländern angeglichen wurde. Das war übrigens nicht immer so, denn Deutschland hat die Frist erst vor wenigen Jahren angehoben, während sie in Polen schon viel länger galt. Damals war das polnische Recht also beispielsweise günstiger für Sanne, wenn sie es mit der Meldung des Mangels nicht so eilig hatte. Besteht Streit zwischen Sanne und dem Shop über ein anderes Detail, kann die Frage jedoch schon wieder anders ausfallen. 

Überblick über Gewährleistungspflichten in anderen Staaten

Nun folgen weitere, nicht abschließende Beispiele, bei denen das Recht zu Deutschland abweicht:

Dänemark

Das dänische Reklamationsret ist mit unserem Gewährleistungsrecht nahezu identisch. Die zweijährige gesetzliche Gewährleistung gilt jedoch unabhängig davon, ob das Produkt neu oder gebraucht ist. Es ist nicht wie in Deutschland möglich, Vereinbarungen zu treffen, die eine Herabsetzung der Gewährleistungsfrist für Gebrauchtware auf ein Jahr vorsehen. Die Klausel, die viele Shops verwenden, um die Frist auf ein Jahr abzusenken, würde also nur gegenüber der deutschen Kundschaft gelten. Däninnen und Dänen haben, abgesehen von alterstypischen oder bekannten Mängeln, ein Jahr mehr Zeit, eine Reparatur oder Neulieferung zu verlangen.

Schweden

In Schweden beträgt die Gewährleistungsfrist drei Jahre, was länger ist als in den meisten anderen EU-Ländern (§ 23 Konsumentköplag). Dies bedeutet für Shops, dass sie eine längere Zeitspanne für mögliche Gewährleistungsansprüche ihrer Kundschaft einplanen müssen. Aber: Käuferinnen und Käufer können sich nicht auf einen Mangel der Ware berufen, wenn sie den Mangel nicht innerhalb von zwei Monaten gemeldet haben!

Finnland und Norwegen

In Finnland hängt die Frist von der üblichen Lebenserwartung des Produktes ab. Auch dort geht man von einer zweimonatigen Frist für die Meldung des Mangels aus (Kapitel 5, Abschnitt 16a Kuluttajansuojalaki). In Norwegen gibt es zwar erst die bekannte Frist von zwei Jahren. Für Waren, die bei normalem Gebrauch wesentlich länger halten sollen, beträgt die Frist jedoch fünf Jahre (§ 27 Forbrukerkjøpsloven).

Fazit & Praxistipp

Das Gewährleistungsrecht ist ein komplexes Thema, das für Online-Händlerinnen und Händler jedoch von großer Bedeutung ist. Die Kenntnis der deutschen Regelungen ist unerlässlich, aber auch ein Grundverständnis der internationalen Gewährleistungsrechte kann Konflikte vermeiden und den Kundenservice verbessern. Durch das Günstigkeitsprinzip kann es passieren, dass bei internationalen Verkäufen die jeweils günstigeren Regelungen für EU-Verbraucherinnen und Verbraucher zur Anwendung kommen, was eine zusätzliche Herausforderung darstellt. 

Für Unternehmen lohnt es sich daher, ein Gefühl für diese Thematik zu entwickeln und gegebenenfalls rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Nur so kann man sicherstellen, dass man der Kundschaft den bestmöglichen Service bietet und gleichzeitig rechtlich abgesichert ist.

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