Viele, besonders kleinere Online-Händlerinnen und -Händler, klagen immer wieder ihr Leid, weil sie vor erheblichen Herausforderungen rund um die Zustellung ihrer Waren stehen. Probleme wie verlorene oder beschädigte Sendungen sind in Zeiten von Personalknappheit und Effizienzdruck keine Seltenheit. Dies führt jedoch nicht nur zu unzufriedenen Kundinnen und Kunden, sondern vor allem zu zusätzlichen Kosten, Mehraufwand  und Frust, weil eine Schadensregulierung von den eingeschalteten Transportunternehmen wie DHL, Hermes, UPS, DPD oder GLS wie ein Kampf David gegen Goliath scheint. Wie ist die Rechtslage und was können Betroffene tun, um ihre Position zu stärken?

Die Rechtslage: Verbraucherrecht vs. Handelsrecht

Alle Unternehmen in der Transportbranche müssen sich Qualitätsprobleme vorwerfen lassen. Trotz eingeschalteter Dienstleister muss ein Shop gegenüber den Bestellenden sicherstellen, dass die Ware ordnungsgemäß und in einwandfreiem Zustand geliefert wird.

Nach deutschem Verbraucherrecht haben der Käufer oder die Käuferin im Falle einer nicht erhaltenen oder beschädigten Ware Anspruch auf eine neue Lieferung oder Erstattung des Kaufpreises. Dies ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Ob man seine Pakete noch persönlich abliefert oder sich einem Dienstleister bedient, spielt keine Rolle. Ein Unternehmen ist für den gesamten Weg bis zur Haustür verantwortlich.

Im Gegensatz dazu steht auf der anderen Seite eine weitere, nicht weniger verzwickte Konstellation: Die Beziehung zwischen Online-Händlerinnen und -Händlern gegenüber dem Transportunternehmen, die wiederum allein auf dem Handelsrecht sowie individuellen und branchenspezifischen Regelungen (z. B. AGB und Speditionsbedingungen) beruht. Und diese besagten Vorschriften sind – aus Sicht der Betroffenen in der E-Commerce-Branche – alles andere als fair. In der Folge müssen Händlerinnen und Händler beispielsweise neu liefern, wenn ein Paket abhandengekommen ist. Einen Ersatz erhalten sie dafür unter Umständen vom Transportunternehmen nicht. Sprich: Der Online-Shop bleibt auf den Kosten sitzen. Wie kommt es zu solch einem Machtgefälle?

Handelsrecht macht Online-Händlerinnen und -Händler zu Leidtragenden

Generell bemisst sich die Haftung, wenn auf dem Transportweg an Verbraucherinnen oder Verbraucher etwas schiefgeht, nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 425 ff. HGB (Frachtvertrag). Wird das Transportgut während des Transports beschädigt, dann haftet der Frachtführer, also DHL oder ein entsprechendes Konkurrenzunternehmen, nach dem strengsten Maßstab erst einmal unbegrenzt für einen Verlust oder die Beschädigung bis zur Ablieferung sowie für Verspätungen – die sogenannte handelsrechtliche Obhutshaftung.

Das Handelsrecht hat jedoch zugunsten der Frachtführer wie DHL, Hermes oder anderen gewisse Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen vorgesehen. Zwischen zwei Unternehmen ist die Lage eben etwas rauer als im weichgespülten Verbraucherrecht.

Kleiner Fisch gegen den großen Hai

Konnte der Schaden oder Verlust auch bei größter Sorgfalt nicht vermieden werden, muss das Transportunternehmen dafür nicht mehr einstehen. Ein Beispiel für einen solchen Haftungsausschluss ist das Vorliegen von sogenannter höherer Gewalt (z. B. Überschwemmungen oder Streiks). Das Frachtunternehmen muss hierzu zwar den Beweis antreten, dass der Schaden absolut unvermeidbar war und alles unternommen wurde, um eine Beschädigung auszuschließen. Das Transportunternehmen haftet also nicht, wenn nachgewiesen werden kann (z. B. durch Protokoll), dass Maßnahmen zur Vorbeugung einer Beschädigung oder Zerstörung des Frachtgutes auf dem Transportweg getroffen worden sind. Allein hier werden Betroffene kaum weiterkommen, denn gegen ein Mammut-Geschäftsmodell wie das von DHL anzukommen, braucht es viel Mut und Durchhaltevermögen.

Zur „Frachtführer-freundlichen“ Gesetzeslage kommen die gesonderten Vereinbarungen in Form der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Transportleistungen sämtlicher Transportunternehmen erfolgen auf Grundlage der jeweils aktuellen Fassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Und die sind, anders als im Verbraucherrecht, ebenfalls nicht gerade wohlwollend.

Im Schadensfall gilt zudem meist eine Frist von sieben Kalendertagen für die Schadensanzeige beim Transportunternehmen nach Ablieferung der Sendung. Für diese Regelung haben viele betroffene Shops höchstens Hohn und Spott übrig, denn Händlerinnen und Händler sind auf die Benachrichtigung ihrer Kunden angewiesen. Unterlassen diese die rechtzeitige Anzeige des Transportschadens – was sie rein rechtlich gesehen auch dürfen – sieht es für den Shop schlecht aus. Individuelle Absprachen zugunsten eines Händlers oder einer Händlerin sind auf Nachfrage und rechtlich gesehen möglich. Doch kaum ein Transportunternehmen wird sich auf grenzenlose Zugeständnisse einlassen.

Musterschreiben: So können Händlerinnen und Händler Transportschäden geltend machen

Mit dem nachfolgenden Musterschreiben kann für auf dem Transportweg beschädigte Sendungen/Waren, die mangelfrei und ordnungsgemäß zum Versand aufgegeben wurden, Schadensersatz gegenüber dem Transportdienstleister geltend gemacht werden. Dem Schreiben sind Fotos, relevante Rechnungen der beschädigten Artikel/des beschädigten Artikels sowie eine Erklärung der Kund:innen, sofern vorhanden, beizulegen.

Muster: Transportschäden auf dem Hinweg und Forderung von Schadensersatz

Betreff: Transportschaden/Schadensersatzanspruch

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 10.06.2024 haben wir ein an unseren B2C-Kunden adressiertes Paket mit der Sendungsnummer 0815-1234567890XYZ ordnungsgemäß und mit mangelfreier Ware bei Ihnen aufgegeben.

In dem Paket befanden sich eine Vase der Marke XYZ, die durch den Transport beschädigt (zerbrochen) bei unserem Kunden angekommen sind. Die Schäden haben wir anhand beigefügter Fotos dokumentiert. Ebenso fügen wir Ihnen eine eidesstattliche Erklärung unseres Kunden bei, in welchem Zustand das Paket/die Ware bei diesem angekommen ist.

Durch die Beschädigung der Ware nach Übergabe an Ihr Unternehmen ist uns ein Schaden in Höhe von 49 € entstanden.

Wir fordern Sie hiermit höflich auf, den Betrag bis zum 01.07.2024 durch Einzahlung auf unser Konto bei der Muster-Bank, IBAN 1234567890000, BIC MUSBA09, Verwendungszweck: Schadensersatzforderung, Sendungsnummer: 1234567890XYZ zu begleichen.

Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung.

(Unterschrift)

 

Haftungsbeschränkungen und praxisferne Meldefristen sind nur ein Teil des Problems. Hinzukommen offenbar auch Schwierigkeiten bei der Schadensregulierung selbst. „Von einem kompletten DIN-A4-Ordner voller Vorgänge hat DPD nicht einen abgerechnet“, schreibt beispielsweise einer unserer Leser. Ein lästiges und zeitaufwändiges Anbieter-Hopping schildern wiederum andere, die einmal alle Transportdienstleister durchprobieren, um hoffentlich am Ende den passenden Transporteur zu finden.

Checkliste für die Schadensregulierung mit dem Versanddienstleister

  • Dokumentation und Beweissicherung aller Schritte: Alle relevanten Schritte, wie die Verpackung und Übergabe an den Versanddienstleister, sollten dokumentiert werden. Fotos von beschädigten Paketen und Waren machen, Zeugenberichte einholen.
  • Kontaktaufnahme: Den Versanddienstleister sofort über den Schaden oder Verlust informieren und eine Schadensmeldung einreichen.
  • Fristen beachten: Schadensmeldungen müssen innerhalb bestimmter Fristen eingereicht werden (oft innerhalb von 7 Tagen ab Zustellung).
  • Rechtliche Schritte prüfen: Bei Ablehnung der Schadensregulierung rechtliche Schritte prüfen und eventuell einen Rechtsbeistand einschalten.

Möglichkeiten der Absicherung

Um sich vor den zahlreichen Abwicklungsschwierigkeiten zu schützen, sollten E-Commerce-Unternehmen sowohl vertragliche Absicherungen als auch eigene Maßnahmen im Versandprozess in Betracht ziehen. Diese Schritte können helfen, das Risiko von Verlusten und Schäden zu minimieren und die Position gegenüber den großen Versanddienstleistern zu stärken.

Verträge erweitern und Haftung absichern

Ein wichtiger Schritt besteht darin, sich durch vertragliche Vereinbarungen abzusichern. Dies kann in Form von Zusatzversicherungen und speziellen Verträgen mit den Versanddienstleistern geschehen. Viele Versanddienstleister bieten diese Möglichkeit selbst an und erweitern die Haftungssummen über die standardmäßig gewährten Beträge hinaus (z. B. für wertvolle Sendungen). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit, individuelle Verträge mit Versanddienstleistern auszuhandeln, die höhere Haftungssummen oder bessere Konditionen beinhalten. Besonders für Händler, die regelmäßig große Mengen versenden, kann es sich lohnen, mit dem Versanddienstleister über spezielle Konditionen zu verhandeln. Oft sind Versanddienstleister bereit, für Großkunden maßgeschneiderte Lösungen anzubieten, die eine höhere Haftung oder günstigere Tarife umfassen. Diese Verhandlungen können komplex sein, aber das Ergebnis kann ein deutlich verbessertes Risikomanagement darstellen. Alternativ bieten auch Versicherungsdienstleister Lösungen an, um sich gegen Verluste oder Beschädigungen, die nicht mehr mit dem Vertragspartner reguliert werden können, abzusichern. Wir haben uns der Frage, ob sich eine solche Versandversicherung für Online-Shops lohnt, bereits im Detail gewidmet.

Versandprozess optimieren

Neben vertraglichen Absicherungen gibt es jedoch noch weitere Stellschrauben, die man selbst beeinflussen kann. Gemeint ist hier konkret die Vorbereitung des Versandprozesses im eigenen Haus, um das Risiko von Schäden und Verlusten zu reduzieren – auch wenn es banal und fast schon wie ein Affront klingen mag. Doch manchmal muss man sich selbst einmal kritisch hinterfragen und Störungen zum Anlass nehmen, den eigenen Versandprozess ins Visier zu nehmen. Eine gut gewählte Verpackung reduziert nicht nur das Risiko von Schäden, sondern kann auch die Wahrscheinlichkeit verringern, dass der Versanddienstleister im Schadensfall die Haftung ablehnt. Auch wenn meist Aussage gegen Aussage steht, muss man sich selbst hinterfragen, ob die vermeintlich bruchsichere Verpackung wirklich so sicher ist, wenn die Kundschaft wiederholt zerbrochene Gegenstände meldet. Douglas soll beispielsweise eigene Kamerastationen verwenden, um die immer häufiger auftretenden geplünderten Lieferungen aufzuklären. Diese Aufnahmen dienen als wichtige Beweismittel im Schadensfall und können nachweisen, dass die Ware ordnungsgemäß und unbeschädigt versandt wurde. Das hilft zwar nicht gegenüber der Kundschaft (siehe dazu die Schilderungen zur Rechtslage oben), jedoch kann es ein zusätzliches Beweismittel für den Transportdienstleister sein, bei der Schadensregulierung doch noch einzulenken.

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Setze deine Rechte mit den Musterschreiben des Händlerbundes durch

Neben den umfangreichen Leistungen in puncto Rechtssicherheit im Online-Shop bietet der Händlerbund auch umfangreiche Unterstützung bei der Durchsetzung deiner Rechte im Falle von Transportschäden oder -verlusten. Angefangen von Schreiben betreffend die Nachforschung können sich Interesierte auch Hilfe bei der Forderung von Schadensersatz oder der Minderung des Kaufpreises holen und hierfür die zahlreichen Musterschreiben nutzen.