Online-Händler müssen sich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie auf eine große Änderung des Rechtsrahmens einstellen. Zwar werden einerseits die Rechte der Verbraucher gestärkt, aber auch Online-Händler profitieren von der Gesetzesnovelle. So erhalten Sie ein Zurückbehaltungsrecht im Widerrufsfall und das unendliche Widerrufsrecht entfällt.

 Verbraucherrechterichtlinie Teil 12

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtline wurden unter anderem die Vorschriften zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern in §§ 312 g, 355 ff. BGB sowie Artikel 246 a § 1 EGBGB n.F. (n.F. = neue Fassung) neu gefasst.

Dem Verbraucher räumt das Gesetz das Recht ein, die abgegebene Vertragserklärung innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu widerrufen. Im Anschluss an diesen Widerruf werden die beiderseits empfangenen Leistungen zurückgewährt, d.h. der Kaufpreis wird zurückerstattet und die Ware zurückgesendet. Aber auch hieran knüpfen sich zukünftig strengere Pflichten der beteiligten Parteien.

Fristbeginn

Für Online-Händler ist eine genaue Kenntnis der Widerrufsregelungen unablässig, um verspätet ausgeübte Widerrufserklärungen zu erkennen und richtig darauf zu reagieren. Um einen solchen verspäteten Widerruf nach der neuen Rechtslage zu erkennen, ist es erforderlich zu wissen, wann denn die Widerrufsfrist beginnt und wann sie endet.

Die Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss, § 355 Absatz 2 BGB n.F. (z.B. auch bei Dienstleistungen und beim Kauf digitaler Inhalte). Abweichend davon beginnt die Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren (Verbrauchsgüterkauf) im Fernabsatz (z.B. Kauf über den Online-Shop) nach § 356 Absatz 2 BGB n.F.:

a) sobald der Verbraucher oder ein von Ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Ware erhalten hat;

b) wenn der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat und die Waren getrennt geliefert werden, sobald der Verbraucher oder ein von Ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Ware erhalten hat;

c) wenn die Ware in mehreren Teilsendungen oder Stücken (z.B. einzelne Lexikonbände) geliefert wird, sobald der Verbraucher oder ein von Ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück erhalten hat;

d) wenn der Vertrag auf die regelmäßige Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum (z.B. Wein oder Kaminholz) gerichtet ist, sobald der Verbraucher oder ein von Ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die erste Ware erhalten hat.

Die Widerrufsfrist beginnt jedoch nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher gem. Artikel 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB n.F. über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 356 Abs. 3 BGB n.F.). Der Unternehmer kommt dieser Informationspflicht nach, indem er dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung auf der Webseite zur Verfügung stellt und außerdem nach Vertragsschluss in Textform übermittelt. Sehen Sie dazu ausführlich unseren Teil 6 - Informationspflichten nach Vertragsschluss.

Fristende

Das Widerrufsrecht endet grundsätzlich 14 Tage nach dem Beginn der Widerrufsfrist (s.o.).

Beispiel: Der Verbraucher erhält am Dienstag, dem 01. Juli 2014 seinen bestellten Artikel. Die Widerrufsfrist beginnt am Mittwoch, dem 02. Juli 2014. Die Widerrufsfrist endet mit Ablauf des 15. Juli 2014.

Bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung verlängert sich die Widerrufsfrist auf maximal 12 Monate nach Ablauf der eigentlichen Widerrufsfrist. Die Frist beträgt dann insgesamt 12 Monate und 14 Tage. Danach erlischt das Widerrufsrecht, das “unendliche Widerrufsrecht” entfällt, § 356 Absatz 3 BGB n.F. Wird innerhalb der 12 Monate die Belehrung über das Widerrufsrecht nachgeholt, beginnt die Widerrufsfrist ab diesem Zeitpunkt.

Nicht zu verwechseln ist das Ende der Widerrufsfrist mit dem vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechtes, etwa wenn eine Dienstleistung vollständig erbracht wurde (siehe Teil 9) oder digitale Inhalte verkauft werden. Zum Verkauf digitaler Inhalte und dem damit zusammenhängenden vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechtes haben wir in Teil 8 ausführlich berichtet.

Rücksendepflicht des Verbrauchers

Sofern keine Abholung durch den Unternehmer in der Widerrufsbelehrung formuliert ist, ist der Verbraucher verpflichtet, die Waren ohne unnötige Verzögerung und in jedem Fall spätestens binnen 14 Tagen ab Widerruf zurückzusenden, § 357 Abs.1 BGB n.F. Bei nichtpaketversandfähigen Waren ist eine Spedition zu beauftragen.

Der Verbraucher muss die Ware in einer geeigneten Verpackung zurücksenden. Die Verwendung der Originalverpackung ist jedoch keine Voraussetzung. Die Kosten der Rücksendung trägt der Verbraucher nur dann, wenn er darüber im Rahmen der Widerrufsbelehrung vom Unternehmer informiert wurde. Die Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung auf dem Transportweg liegt auch weiterhin beim Unternehmer.

Rückzahlungsfrist

Die Kaufpreiserstattung hat durch den Verkäufer unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen ab Widerruf zu erfolgen, § 357 Abs.1 BGB n.F.

Der Unternehmer nimmt die Rückzahlung unter Verwendung desselben Zahlungsmittels vor, das vom Verbraucher bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt wurde, z.B. ist eine Überweisung auch durch eine Überweisung zurückzuerstatten, § 357 Absatz 3 BGB n.F. Bei Zahlung per Lastschrift ist das Geld wieder zurück zu überweisen, da eine Lastschriftermächtigung für den Verbraucher zu umständlich ist. In Bezug auf die Rückzahlung des Betrages sind abweichende individuelle Vereinbarungen möglich. Dies jedoch nicht in den AGB, da diese gerade für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt sind und somit nicht individuell.

Die Rückzahlungspflicht umfasst auch die Standard-Hinsendekosten. Ausgeschlossen ist lediglich die Rückzahlung von Mehrkosten, die auf Wunsch des Verbrauchers entstanden sind, z.B. Kosten für eine Express-Lieferung.

Zurückbehaltungsrecht

Übt der Verbraucher nach derzeitiger Rechtslage sein Widerrufsrecht aus, so ist der Unternehmer verpflichtet, dem Kunden sein Geld zurückzuerstatten. Ein Recht, mit der Rückzahlung zu warten bis die Ware eingetroffen ist, gibt es beim aktuellen Widerrufsrecht nicht.

Insoweit bringen die neuen Gesetzesregelungen eine Vereinfachung für Online-Händler: Die Rückgewährpflicht ergibt sich nicht „Zug-um-Zug“, d.h. Widerruf und Rücksendung müssen und können nicht gleichzeitig erfolgen. Der Verbraucher ist vorleistungspflichtig, d.h. er muss erst einen Widerruf erklären. Der Unternehmer darf die Rückzahlung anschließend so lange verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat (z.B. durch Einlieferungsbeleg), § 357 Abs.4 BGB n.F.

Beweislast

Der Unternehmer muss alle Tatsachen beweisen, aus denen er die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist herleiten will, insbesondere die Verwendung und Übersendung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Der Verbraucher trägt die Beweislast für seinen Widerruf (inhaltlich, rechtzeitige Absendung und Zugang des Widerrufs).

 

Artikelreihe zur Verbraucherrechterichtlinie:

Teil 1: Ziele und Hintergründe

Teil 2: Stand der Umsetzung in den EU-Ländern

Teil 3: Allgemeine Pflichten und Grundsätze bei Verbraucherverträgen; Grenzen der Vereinbarung von Entgelten

Teil 4: Verwendung von kostenpflichtigen Hotlines

Teil 5: Neue Pflichtinformationen auf der Bestellübersichtsseite

Teil 6: Informationspflichten nach Vertragsschluss

Teil 7: Die Garantie

Teil 8: Verkauf digitaler Inhalte

Teil 9: Das Widerrufsrecht – Neue Ausschluss- und Erlöschensgründe

Teil 10: Das Muster-Widerrufsformular

Teil 11: Wegfall des Rückgaberechts, Frist und Form des Widerrufs

Teil 12: Widerrufsfrist und Pflichten im Widerrufsfall

Teil 13: Der Wertersatz im Widerrufsfall

Teil 14: Die Widerrufsbelehrung für den Verkauf von Dienstleistungen

Teil 15: Die Widerrufsbelehrung beim Verkauf von Waren

Teil 16: Die Widerrufsbelehrung beim Verkauf von Digitalen Inhalten