Mit dem Digital Services Act (DSA) sollen Onlineplattformen und Suchmaschinen dazu verpflichtet werden, gegen rechtswidrige Inhalte im Netz vorzugehen. Während der DSA für sehr große Anbieter direkt seine Wirkung entfaltet (wir berichteten), ist für kleine Anbieter eine Umsetzung auf nationaler Ebene vorgesehen. In Deutschland soll die Umsetzung durch das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) erfolgen. Nach einem Gerangel um Zuständigkeiten hat das Bundeskabinett nun das DDG weiter im Gesetzgebungsprozess vorangebracht. Wir haben einen Blick auf die wichtigsten Punkte geworfen.

Doch keine Störerhaftung

Bereits vor wenigen Monaten hatten es die Pläne um das DDG in die Medien geschafft. Der Grund dafür war unter anderem die Störerhaftung. Bereits vor einigen Jahren ging dieses Schreckgespenst umher und traf Anbieter:innen von offenen W-Lans. Diese mussten mit einer teuren Abmahnung rechnen, wenn über eben jenes W-Lan illegal urheberrechtlich geschütztes Material gedownloadet wurde. Die Abschaffung der Störerhaftung war sehr willkommen – und sollte zunächst durch den DDG rückgängig gemacht werden (wir berichteten). 

Betreiber:innen von offenen W-Lan-Netzwerken sollen nun von einem Haftungsprivileg profitieren. Diese Passage wurde laut Golem „aus Gründen der Rechtssicherheit“ eingeführt. Im Vorfeld warnten Verbraucherschützer:innen und Handelsverbände vor erneuten Abmahnwellen. 

Netzwerkdurchesetzungsgesetz und Telegram

Für ein großes Fragezeichen sorgt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Dieses wird durch das DDG verdrängt. Für sehr große Anbieter:innen ist das bereits der Fall, da hier, wie eingangs erwähnt, der DSA direkt greift und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in diesen Fällen durch das höherrangige EU-Recht verdrängt wird.

Welche praktischen Folgen das hat, zeigt sich an der Fragestellung rund um Telegram: Laut der Ansicht der deutschen Behörden fällt Telegram als soziales Netzwerk und eben nicht als kleiner Messenger-Dienst unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Die EU-Kommission hat den Dienst aber (noch nicht) als besonders große Plattform mit über 45 MIllionen aktiven Nutzer:innen eingestuft. Entsprechend unterliegt Telegram aktuell nicht der Kontrolle des DSA. In der Theorie müsste der Dienst aber ab dem 17. Februar 2024 den neuen Regeln unterliegen. Es bleibt hier aber spannend. Telegram selbst stuft sich nämlich nicht als soziales Netzwerk ein.

Pornoseiten sind auch Digitale Dienste

Übrigens sind auch Pornoseiten digitale Dienste. Werden diese Seiten von monatlich mindestens 45 Millionen Nutzer:innen aktiv genutzt, so gilt auch hier der DSA direkt. Die Anforderungen der EU gelten damit direkt für Pornhub, Stripchat und XVideos. Diese Plattformen haben nun vier Monate Zeit, „gezielte Maßnahmen zum Schutz der Rechte des Kindes, darunter auch Werkzeuge zur Altersüberprüfung und zur elterlichen Kontrolle sowie Werkzeuge, die es Minderjährigen ermöglichen sollen, Missbrauch zu melden bzw. Unterstützung zu erhalten“, zu integrieren. So will die EU-Kommission „die Einhaltung der DSA-Verpflichtungen durch diese Plattformen sorgfältig überwachen (wir berichteten), insbesondere hinsichtlich der Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Inhalten und zur Bekämpfung der Verbreitung illegaler Inhalte.“

Wer ist für was zuständig?

Das Zuständigkeitsgerangel bezieht sich vor allem auf die Frage, welche Behörde(n) für die Überwachung der Durchsetzung des DDG verantwortlich sein sollen. Ein Knackpunkt dabei ist auch, dass die zuständigen Behörden laut den Anforderungen der EU frei von politischem Einfluss sein müssen. So wird bei der Bundesnetzagentur die Stelle „Koordinator für Digitale Dienste (KDD)“ eingeführt. Diese Stelle ist aber, anders als der Name vermuten lässt, nicht für alle Bereiche des DDG zuständig. Geht es um Belange des Jugendschutzes, ist die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz zuständig. Diese Bundeszentrale ist allerdings nur dann zuständig, wenn es sich nicht um den Jugendmedienschutz handelt. Der ist nämlich Ländersache, womit wiederum die dortigen Behörden in diesen Fällen handeln müssen. Diese Behörden müssen dann die Kriterien zur fachlichen Unabhängigkeit erfüllen. Für den Datenschutz ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zuständig. Dieser ist immerhin durch die DSGVO bereits politisch unabhängig gestellt. 

Das klingt ganz schön kompliziert, findet auch Lina Ehrig vom Verbraucherzentrale BUndesverband (vzbv). „Dadurch wird die Durchsetzung des ohnehin komplexen Digital Services Act unnötig auf mehrere Behörden verteilt und so verkompliziert“, kommentiert sie die Frage nach den Zuständigkeiten der Landesmedienanstaalten laut Heise. Die Landesmedienanstaalten selbst sehen das zumindest teilweise anders. So sagt Tobias Schmid, der Direktor der Landesmedienanstalt NRW ist: „Die Medienanstalten haben in den vergangenen Monaten mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie es sind, die die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung im Netz schon heute vorantreiben.“

So geht es weiter

Eigentlich sollen die Mitgliedstaaten den DSA bis zum 17. Februar 2024 mit den nationalen Regelungen ergänzen. Hier hofft die Bundesregierung dass das DDG zum 1. April 2024 in Kraft treten wird. Kommen Bundestag und Bundesrat hier nicht zu Potte, kann das ganz konkrete Auswirkungen haben: Damit der DSA gegenüber den größen Plattformen durchgesetzt werden kann, braucht es Vertreter:innen aller Mitgliedstaaten im DSA-Ausschuss – und diese Mitgliedschaft hängt offenbar – so suggeriert Heise – an der nationalen Umsetzung. Ohne einen vollständig besetzten Ausschuss können keine Anordnungen oder Strafen ausgesprochen werden.

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