Vor wenigen Tagen hat das EU-Parlament abschließend über eine neue Verbraucherkreditrichtlinie abgestimmt. Sie soll nicht nur das reibungslose Funktionieren der Kreditmärkte sicherstellen, sondern auch ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen. Hierzu gehört insbesondere, dass Verbraucher besser vor Überschuldung geschützt werden.

Anders, als es der erste Blick auf die Bezeichnung vielleicht nahelegt, sind davon aber nicht nur klassische Kredite bis 100.000 Euro betroffen, sondern auch häufig genutzte Zahlungsmöglichkeiten wie der Rechnungskauf oder Buy Now Pay Later-Angebote – und selbst auf die Bezahlung einer Füllung beim Zahnarzt könnten die Änderungen Auswirkungen haben. Wird der Rechnungskauf bald Geschichte sein?

Widerrufsrecht, Bonitätsprüfung und mehr

Mit 608 Stimmen bei 8 Gegenstimmen und 15 Enthaltungen nahm das Parlament das Gesetz an. Inhaltlich geht es um verschiedene Punkte rund um Verbraucherkredite: So sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Verbraucher Kreditverträge innerhalb von 14 Tagen widerrufen können, auch das Recht auf eine vorzeitige Rückzahlung und eine Reduzierung der Gesamtkosten sind vorgesehen. Wie das in Einzelfall geschieht und berechnet wird, soll in vorvertraglichen Informationen klar dargestellt werden. Auch an die Werbung für Kredite werden Anforderungen gestellt, zudem sollen Gebührenobergrenzen eingeführt werden, um Missbrauch vorzubeugen, etwa durch überhöhte Zinsen. Überziehungskredite möchte man ebenfalls neu regulieren. 

Weiter geht es mit der Bonitätsbeurteilung: Hier soll künftig von Kreditgebern verlangt werden, dass sie vor dem Abschluss eines Kreditvertrags eine gründliche Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers vornehmen – ganz in dessen Interesse, um eine verantwortungslose Kreditvergabepraktik zu verhindern und die besagte Überschuldung zu verhindern. 

Kreditvermittler und „Nichtbanken-Gläubiger“ werden nach den geplanten Regelungen zudem einem Zulassungsverfahren sowie der Registrierung und Aufsicht durch nationale Behörden unterliegen – KMU sollen ausgenommen sein. 

Ebenfalls betroffen: Buy now, pay later und Rechnungskauf

Die Krux an der Sache: Der Anwendungsbereich ist grundsätzlich groß. Es sind eben nicht nur die klassischen Kredite, die betroffen sind, sondern auch für Kleinkredite und Buy now, pay later-Angebote. Bei letzteren können Verbraucher beispielsweise online einen Kauf tätigen, zahlen müssen sie jedoch erst später. Häufig werden dabei Zahlungsanbieter zwischengeschaltet. Auch der Kauf auf Rechnung lässt sich unter dieses Prinzip fassen. 

Das EU-Parlament sieht in diesem Bereich gerade jüngere Menschen als besonders gefährdet, in eine Überschuldung zu rutschen. Für Händler hingegen sieht es nun so aus, als müsste bei jeder Bestellung auf Rechnung auch die Kreditwürdigkeit des Käufers geprüft werden. Das Ganze wäre natürlich nicht auf den Online-Handel beschränkt, auch die Bezahlung einer Privatrechnung für eine Zahnfüllung kann unter die neuen Vorschriften fallen. Es müsste eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchgeführt werden, die auch zusätzliche Kosten erzeugt. 

Out of scope: Unterschiedliche Ausnahmen für Kleine und Große

Allerdings gibt es relevante Ausnahmen. Die Liste dieser im Entwurf der Richtlinie, wie er durch das EU-Parlament gegangen ist, ist lang – manche Ausnahmen sind verpflichtend, andere werden dem Ermessen der jeweiligen Mitgliedstaaten überlassen, die die Regelungen in eigenes Recht umsetzen müssen. 

Bezüglich des Themas Zahlungsaufschub bestehen zwei verpflichtende Ausnahmen, die sich nach der Größe des Waren- bzw. Dienstleistungsanbieters unterscheiden: 

Für kleine und mittlere Unternehmen gilt eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn sie den Aufschub unter folgenden drei kumulativen Bedingungen anbieten: 

  • Der Kauf ist gebührenfrei, 
  • er muss innerhalb von 50 Tagen beglichen sein und
  • der Kredit darf nicht durch Dritte angeboten werden. 

Strenger sind die Regeln für Unternehmen, die ihre Waren oder Dienstleistungen im Fernabsatz vertreiben und nicht unter den KMU-Begriff fallen – also für die großen Online-Händler. Wollen diese Zahlungsaufschübe anbieten und nicht an die geplanten Regelungen gebunden sein, müssen sie folgende Bedingungen kumulativ erfüllen: 

  • Der Kauf ist gebührenfrei, 
  • er muss innerhalb von 14 Tagen beglichen werden und 
  • der Kredit darf nicht durch Dritte angeboten werden. 

Stellt das fairen Wettbewerb sicher?

Kümmert man sich also selbst um die Abwicklung der Rechnungszahlweise, kann man das als Online-Händler auch weiterhin grundsätzlich machen, ohne sich an die Regeln der kommenden Verbraucherkreditrichtlinie zu halten. In der Praxis allerdings greifen viele Händler hier auf Zahlungsdienstleister zurück, und in diesem Fall wäre die Lage eine andere. So wie ein Zahnarzt, der dem Patienten eine Kunststofffüllung verpasst und die fällig werdenden Kosten an ein Abrechnungszentrum abtritt, müsste dann vorab die Kreditwürdigkeit des Kunden bzw. Patienten geprüft und dokumentiert werden. 

Und auch wenn der europäische Gesetzgeber annimmt, einen guten Mittelweg gefunden zu haben (vgl. Erwägungsgrund 17 der Richtlinie), stellt sich die Frage nach einem fairen Wettbewerb. Zwar sind die Voraussetzungen für große Unternehmen, eine Ausnahme von der Richtlinie in Anspruch zu nehmen, formell höher als für KMU. Ihre Ressourcen allerdings dürften häufig auch größer sein, und damit auch die Fähigkeit, das Modell Rechnungskauf auf eigene Faust anzubieten. Kleineren Händlern könnte das hingegen deutlich weniger leicht fallen. 

Die Richtlinie tritt am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, deren Vorgaben in nationales Recht umzusetzen und drei Jahre, um sie anzuwenden.

Online-Händler und Interessierte finden im Ratgeber des Händlerbundes weiterführende Informationen zur Verbraucherkreditrichtlinie.