Dieser Artikel ist Teil unserer Marktplatz-Themenreihe: Diese beleuchtet in verschiedenen Beiträgen nicht nur wichtige Zahlen und Fakten rund um Ebay, Temu und Co., sondern liefert Händlerinnen und Händlern auch rechtliche Hintergrundinformationen rund um Vertriebsbeschränkungen, Abmahnfallen und Zahlungsprobleme. Außerdem finden sich neben informativen Überblicksartikeln auch verschiedene Tipps für den Handel auf Marktplätzen.

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Aus dem Online-Handel sind Marktplätze als Verkaufskanal nicht wegzudenken. Vor allem der Einstieg kann durch die Marktplätze einfacher sein, als mit einem eigenen Online-Shop. Doch ist das tatsächlich so? Wie gut funktioniert so ein Geschäftsbeginn auf den Plattformen? Und lohnt sich der Aufwand? Welche Hürden tauchen in der Praxis und vor allem im Tagesgeschäft auf?  

Drei Händler:innen, die erfolgreich kleine Handelsunternehmen in ganz unterschiedlichen Branchen betreiben, haben uns zu ihrem E-Commerce-Geschäft auf Marktplätzen Rede und Antwort gestanden. Sie teilen ihre Erfahrungen aus den Anfängen und dem Verkaufsalltag, berichten über ihre Learnings – und haben auch den ein oder anderen Tipp rund um Ebay, Amazon und Co. parat. Wir haben die Einblicke zusammengefasst. 

#1: Aller Anfang ist Anfang 

Wer zum ersten Mal mit dem Handel auf Marktplätzen beginnen will, steht nicht nur vor einer großen Auswahl, sondern auch vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Kirsten Riedel ist bereits seit dem Jahr 2000 im Online-Handel aktiv und verkauft Autoteile auf den Plattformen Ebay, Amazon, Autoteilemarkt und Teilhaber sowie im eigenen Shop. Für ihn waren es zu Beginn vor allem technische Fragen, die es zu lösen galt. Denn Plattformen wie Ebay Deutschland steckten vor 25 Jahren ja noch selbst in den Kinderschuhen. „Die Anfänge verliefen recht holprig, da es kaum vernünftige Anbindungen und Tools gab“, erinnert sich Kirsten. 

Er musste damals noch viel selbst zusammenbasteln, um beispielsweise Daten aus anderen Systemen zu übertragen. Produkttitel, Kategorien oder Merkmale musste man stets einzeln bearbeiten. „Die meisten Probleme hat uns die Synchronisierung der Daten, also der Bestandsabgleich bereitet. Durch unser stationäres Geschäft, den Online-Shop und den Verkauf auf Marktplätzen kam es oft zu Überschneidungen – ein Kunde hat ein Teil vor Ort gekauft und 30 Minuten später erhielten wir eine Online-Bestellung für das gleiche Teil“, berichtet er. 

Dass damals noch nicht alle Technologien ausgereift waren, hatte aber auch Vorzüge: „Alle standen damals vor den gleichen Hürden und Innovation wurde belohnt“, so Kirsten. „Auch die Kosten und Gebühren waren noch deutlich angenehmer.“ Heute sei es einfacher, Artikel auf Marktplätzen einzustellen. „Aber dafür der Wettbewerb entsprechend groß.“ 

#2: Der Aufbau ist arbeitsintensiv

Julia ist Händlerin für nachhaltige Mode, sie betreibt seit 2018 ein stationäres Geschäft, ist seit 2019 auch online aktiv und verkauft unter anderem bei dem nachhaltigen Marktplatz Avocadostore. Doch bis über diese Plattform auch die ersten Verkäufe liefen, dauerte es etwas. „Es scheiterte anfangs an den umfangreichen Auflagen und Kriterien des Marktplatzes“, erklärt sie. Beispielsweise müssen zu allen Artikeln zusätzlich zur Produktbeschreibung noch mindestens drei Nachhaltigkeitskriterien des Produktes beschrieben werden – am besten in den eigenen Worten. „Das war für den Aufbau sehr arbeitsintensiv.“ 

Auch, dass die Produkte erst nach Prüfung durch die Plattform freigeschaltet werden, nahm viel Zeit in Anspruch. „Anfangs musste ich noch viel nacharbeiten, weil dann zum Beispiel die Länge des Kriterientextes nicht ausreichend war“, erinnert sich die Unternehmerin. Mit der Zeit wurde dies einfacher. So lassen sich einmal erstellte Informationen zu den Kriterien auch für andere Produkte wiederverwenden, die diese Punkte ebenfalls erfüllen.

#3: Viel ausprobieren 

„Die Anfänge waren spannend“, sagt Matthias Junghans. Er verkauft seit Mitte 2018 digitale Bilder bei zahlreichen Print-on-Demand-Plattformen wie Zazzle, Teepublic, Spreadshirt und Displate, aber auch Amazons Angebot nutzt er dafür und verkauft auf diese Weise auch in die USA, nach Großbritannien, Spanien, Italien, Frankreich und Japan. Seit knapp zwei Jahren hat er zudem Bilder, Poster oder auch personalisierte Urkunden auf Marktplätzen wie Amazon, Etsy, Otto, Kaufland und Ebay sowie im eigenen Shop im Angebot. „Die Lernkurve war am Anfang besonders groß, weil ich mich viel belesen habe und mit Interesse an die Sache herangegangen bin“, erläutert er. Fehler gehörten aber dazu. „Es war auch viel Trial-and-Error, weil ich noch nicht wusste, was gut ankommt. Mit viel Probieren habe ich herausgefunden, was die Leute kaufen wollen und welche Nischen besonders beliebt und lukrativ sind.“

„Ausprobieren ist immer gut“, rät auch Julia. „Ich hatte mich im Nachhinein sogar etwas geärgert, dass ich nach der Anmeldung beim Avocadostore noch so viel Zeit verstreichen lassen habe, bevor ich mich nach den anfänglich gescheiterten Produkteinstellungen wieder dem Marktplatz zugewandt habe“, räumt sie ein. „Das waren Monate, in denen ich parallel zum Laden und Online-Shop dort schon Bestellungen hätte erzielen können.“  

#4: Kenne den Bedarf 

Wie entscheidet man eigentlich, ob man online verkauft? Wer sich wie Kirsten oder Julia bereits vorab für ein stationäres Geschäft entschieden hat, für den ist das Online-Geschäft ein weiterer, lukrativer Absatzkanal. „Wir haben gute Erfahrungen mit Marktplätzen gemacht. Speziell mit Autoteilen kommt man an Ebay auch nicht vorbei“, erklärt Kirsten. 

Matthias wiederum ist mit seinen eigenen Produkten direkt in den E-Commerce eingestiegen. Einfach so ging das natürlich nicht. „Bevor man wild neue Produkte auf den Markt bringt, sollte man recherchieren, ob es überhaupt einen Markt oder Bedarf für das Produkt gibt“ empfiehlt er. Hilfreich sei die Fragestellung: „Löst dieses Produkt Probleme oder erzeugt dieses Produkt Emotionen beim Käufer?“ Nicht zu vernachlässigen ist die Konkurrenz. Es gilt herauszufinden, wie viele und welche Mitbewerber(-produkte) es aktuell auf dem Zielmarktplatz gibt. „Hierbei kann man auch Tools nutzen, um herauszufinden, welche Produkte sich wie oft pro Monat verkaufen“, so Matthias’ Tipp.

#5: Reichweite und Kundenvertrauen

Die großen und auch kleineren, etablierten Verkaufsplattformen bringen für Händler:innen so einige Vorteile mit sich. Kirsten macht den Großteil des Umsatzes über Ebay. „Für die Marktplätze spricht ganz klar die große Reichweite und das Vertrauen der Kunden“, erklärt der Autohändler. „Gerade für Neueinsteiger oder kleinere Händler ist dies ein absoluter Pluspunkt. Nirgendwo sonst schafft man so schnell den ersten Verkauf. Wer sein Geschäft international erweitern möchte, kann dies über Ebay oder Amazon auch sehr einfach realisieren.“ 

#6: Produkte einstellen – ein Auswahlkriterium

Für Matthias ist aktuell Amazon die lukrativste Plattform. Er empfindet diese mit Blick auf das Einstellen der Produkte derzeit als sehr verkäuferfreundlich. „Es gibt zahlreiche Einstellungen für personalisierte Produkte“, sagt er. Vor allem einige Funktionen bei der Produkterstellung seien hilfreich. So könne man bei Amazon Produkte kopieren, die Eigenschaften werden übernommen und so könne man leicht neue Angebote erstellen. „Bei Otto ist das leider nicht möglich“, kritisiert er. „Hier muss jedes Produkt von Grund auf neu erstellt werden. Bei meinen rund 700 Produkten ist das ein sehr hoher Zeitaufwand.“ 

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#7: Strenge Kriterien für das Sortiment

Wer Marktplätze nutzen will, muss sich jedoch immer auch an deren Spielregeln halten. „Manche Produkte, die ich gern verkauft hätte, wurden abgelehnt – nachdem ich bereits viel Arbeit in die Beschreibung gesteckt hatte“, berichtet Julia. 

Ein Grund für solche Ablehnungen bei Avocadostore war beispielsweise, dass Produkte einen zu hohen Anteil an synthetischen Fasern enthielten – auch, wenn es sich um recycelte Stoffe handelte. „Bei Bademode aus recycelten Materialien war dies für mich eher nicht nachvollziehbar. Bestimmte Produkte können einfach nicht zu 100 Prozent aus nachhaltiger Baumwolle bestehen“, kritisiert die Händlerin.

#8: Eine Frage der Kalkulation 

Bei der Entscheidung für oder gegen den Verkauf über Marktplätze müssen Händler:innen sowohl den Umsatz, der sich darüber generieren lässt, als auch die Kosten im Blick haben. „In der Kalkulation sind Plattformgebühren wie die Verkäuferprovisionen nicht zu vernachlässigen“, so Matthias.

Der grundlegende Vorteil für Modehändlerin Julia ist, dass sie sich zumindest bei den Bestellungen über den Avocadostore nicht um das Marketing kümmern muss. „Das wird aber natürlich durch die monatliche Marktplatzgebühr und die Provisionsgebühren von mir finanziert“, weiß sie. Auf anderen Plattformen wie Ebay, Otto oder Amazon wiederum kommt man aufgrund der stärkeren Konkurrenz eher nicht um zusätzliche Werbemaßnahmen herum. 

Julia ist mit der Anzahl der Bestellungen über den Marktplatz zufrieden. Man müsse aber generell bedenken, dass der Gewinn über den Marktplatzverkauf deutlich geringer ist, als bei einem Verkauf über den eigenen Online-Shop, meint sie. „Verkauft man reduzierte Ware über den Marktplatz, bleibt eigentlich gar nichts mehr übrig“. Man müsse sich also alles gut durchrechnen. „Bleibt Abzug aller Kosten noch etwas übrig? Bei eher wenigen Bestellungen frisst die monatliche Marktplatzgebühr und die Provision den Gewinn auf. Hat man mehr Bestellungen, könnte es sich wiederum lohnen“, ist ihr Tipp.

#9: „Ein guter eigener Shop ist die beste Visitenkarte einer Firma“

Lohnt sich also der eigene Online-Shop oder Marktplatz mehr? Bei dieser Grundsatzfrage gibt es kein Entweder-oder. „Mehrere Kanäle sind auf jeden Fall sinnvoll“, so Julia. Auch Matthias setzt auf seinen eigenen Online-Shop. „Shopify ist besonders gut“, berichtet er aus seiner Erfahrung. Es gebe viele Einstellungen und Apps für den Versand, Personalisierung und Themes. „Hier kann man sich von anderen Händlern abheben und viel gestalten.“ 

„Die Online-Shops sind uns enorm wichtig“, betont auch Autohändler Kirsten. „Stammkunden haben hier ihr eigenes Konto. Wir können ihnen Sonderkonditionen hinterlegen und spezielle Aktionen anbieten.“ So könne man die Marktplatzgebühren teilweise, beispielsweise um 10 Prozent, erlassen. „Das ist für viele ein toller Anreiz“, erklärt er. „Der Hauptumsatz wird bei uns über Ebay generiert“, räumt er ein. Je nach technischer Voraussetzung empfiehlt auch er, auf beide Kanäle zu setzen. „Ein guter eigener Shop ist die beste Visitenkarte einer Firma und ein tolles Instrument zur Kundenbindung“, so Kirsten.

„Beim eigenen Online-Shop muss man natürlich auch Werbebudget ausgeben oder über Instagram, gegebenenfalls mit der Hilfe von Kooperationen, Reichweite erzielen, damit potenzielle Kund:innen den Weg zum Online-Shop finden“, erläutert Julia. „Es kommt aber auch vor, dass Kund:innen, die zuvor über einen Marktplatz bestellt haben, danach direkt durch den Online-Shop stöbern und etwas bestellen. Mit Nischenprodukten hat man aber noch eher eine Chance, gut über eine Suchmaschine gefunden zu werden, als wenn man sich gegen sehr viel Konkurrenz und Hunderte andere Shops durchsetzen muss.“ 

#10: Marktplätze haben die Kundschaft im Fokus

Der Service und die Kundenkommunikation sind im Tagesgeschäft ebenfalls immer ein großes Thema. „Auch wenn der Wind rauer geworden ist, sollte man sich davon nicht anstecken lassen. Wir reagieren immer schnell und freundlich, so entsteht schnell ein Kundenvertrauen oder manches Problem löst sich entspannter“, verrät Kirsten zu seiner Kommunikationsstrategie. 

Die Marktplätze halten aber gerade mit Blick auf die Kundenzufriedenheit so einige Hürden parat. „Marktplätze tun alles für ihre Kunden und die Anforderungen an uns Händler sind entsprechend hoch“, so der Autohändler. „Die schnelle Beantwortung von Anfragen, fristgerechte Versendung und komfortable Rückabwicklung klingt oft einfacher, als es im Alltag ist. Wir beantworten auch an Sonn- und Feiertagen Kundenmails, schicken vieles per Express und versuchen auch bei Problemen im Interesse des Kunden zu handeln – denn nichts ist schlechter als eine negative Bewertung, die dann drei andere vom Kauf abhält.“

Dass die Kommunikation nicht in ihren eigenen Händen liegt, empfindet Händlerin Julia auch als anstrengend. „Ich bekomme lediglich die Postadresse der Kund:innen. Im Falle des Falles, dass es vorab noch was zu klären gibt, habe ich keine Möglichkeit sie zu kontaktieren.“ Und auch im Nachhinein läuft nicht immer alles reibungslos. „Manchmal bekomme ich mit, das Kund:innen das Konzept nicht ganz verstanden haben und sich dann wundern, dass sie mit einer Bestellung von mehreren Artikeln dann oft von unterschiedlichen Händlern kaufen und so natürlich auch mehrere Pakete bekommen und jeweils verschiedene Rückgaberichtlinien beachten müssen“, berichtet sie.

#11: Aufwand für Produktbilder lohnt sich

Schon in seinen Anfängen lernte Kirsten Riedel, dass man sich mit einer guten Daten- und Bildqualität von einem Großteil der Anbieter abheben und Käufe generieren konnte. Zwar hat sich dies inzwischen etwas gewandelt. Dennoch auf erstklassige, wenn möglich selbstgemachte, Fotos zu setzen, empfiehlt er kleinen Handelsunternehmen aber auch heute. „Die Kaufentscheidung fällt auch zum Großteil nach dem Bild und der Präsentation des Produktes. Hier kann man sich mit Kreativität immer noch einen Vorteil verschaffen.“

#12: Solide Technik und das richtige Set-up für die Bestandspflege

Auch sollte mit einer soliden technischen Basis ins Online-Geschäft gestartet werden, rät der erfahrene Autoteilehändler. Man solle sich beispielsweise ein gutes ERP-System zulegen. Es gebe längst bezahlbare Alternativen, bei denen eine Anbindung zu Marktplätzen, dem eigenen Shop, Versanddienstleistern etc. dabei sind. „Nach der Grundeinrichtung kann man effektiv arbeiten und vieles automatisieren“, so Kirsten. 

#13: Hol dir Hilfe 

Ganz ohne zusätzliche Expertise sollte man sich im Business nicht bewegen, rät Kirsten. „Von ‚individuellen Umwegen‘ würde ich auch die Finger lassen – die bereiten einem sonst bald Sorgen“, so der Ebay-Profi. „Inzwischen gibt es genug Systeme, die Plugins verwenden – hier kann man sich viel eigene Mühe sparen.“  

Dass man letztlich nicht alles selbst können muss, hat auch Matthias gelernt. „Hilfe, wie zum Beispiel für Website-Programmierungen, habe ich mir über Fiverr geholt“, so der Händler. Fiverr ist ein Online-Marktplatz für digitale Dienstleistungen, auf dem man sich die passenden Freelancer für die eigenen Projekte suchen kann. Das meiste Wissen hat sich der Unternehmer im Übrigen per YouTube angeeignet – aber beispielsweise auch durch das Netzwerken auf Facebook mit anderen Marktteilnehmern. 

#14: Motiviert bleiben

Offen für Neues zu sein, im Tagesgeschäft entspannt zu agieren und immer am Ball bleiben zu wollen, um das eigene Business weiterhin erfolgreich zu führen, ist das A und O. Oder, wie Kirsten Riedel sagt: „Am Ende ist es im Online-Handel wie sonst im Leben: Ist man motiviert und es macht einem Freude, stehen die Chancen sehr gut, damit Erfolg und Spaß zu haben.“

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