Retouren muss jeder Online-Händler ernst nehmen. Mit der richtigen Strategie lässt es sich auch mit den Retouren profitabel arbeiten. In unserem Artikel erklären wir, was es zu beachten gilt.



Retouren sind ein ernstzunehmendes, wirtschaftliches Problem für den Distanzhandel. Schließlich bedeutet jede Rücksendung doppelte logistische Kosten für „null“ Umsatz. Bei den logistischen Kosten sind nicht nur das Porto, sondern auch die mindestens ebenso hohen internen Personalkosten zu betrachten. Darüber hinaus muss ein Anteil der retournierten Artikel aufbereitet werden, oder ist nicht mehr einsetzbar – d. h. Verwertung mit deutlichen Preisabschlägen, oder vereinzelt erfolgte die Vernichtung.

Die drei Gruppen der Retournierer

Ein Distanzhandel ohne die Option zur Rücksendung wird nicht funktionieren! Was bleibt ist die große Herausforderung für das Management zur konsequenten Entwicklung von Programmen zur Retourensenkung.  Es gibt in der Praxis diverse positive Entwicklungen: Unternehmen, die mit entsprechender Ernsthaftigkeit und gnadenloser Konsequenz über ihr gesamtes Geschäftsmodell das Retourenmanagement forcieren und die Retourenquote nachhaltig gesenkt haben. Dieses setzt aber genaue Kenntnisse über die Retournierer voraus, die sich im Distanzhandel in 3 Gruppen aufteilen lassen:

Der „Ehrliche“ Retournierer: Er möchte den Artikel haben, dieser entspricht jedoch nicht seinen Vorstellungen

Hier ist jeder Versender gut beraten, durch entsprechende Maßnahmen seine Retouren zu reduzieren: Keine geschönten Bilder und zu positive Beschreibungen der Artikel, bei der Wahrheit bleiben, Information zur Passform bei Fashion, Bedienungsanleitungen und diverse aussagefähige Bilder bei technischen/elektronischen Artikeln verwenden. Zunächst einmal sollte davon ausgegangen werden, dass der Kunde den bestellten Artikel benötigt und insofern behalten und nicht retournieren möchte. Unwahre Aussagen oder Übertreibungen führen somit dazu, dass auch ein ehrlicher Kunde zur Rücksendung gezwungen wird, letztlich enttäuscht ist und ggf. einen anderen Vertriebskanal wählt.

Beim Produktsegment Fashion ist darüber hinaus von einer durch Passformprobleme verursachten, höheren Retourenquote auszugehen: Wer kennt nicht die Situation, dass man im stationären Handel mit mehreren Anzügen in die Kabine geht und nur einer, oder auch keiner davon passt perfekt. Jedes Rückhängen eines anprobierten Kleidungsstückes auf den Ständer im stationären Handel entspricht einer Retoure im Distanzhandel. Klare Informationen zur Passform bei der Artikelbeschreibung leisten oftmals deutliche Unterstützung für den Kunden, die richtige Größe zu bestellen.

Die „notorischen“ Viel-Retournierer

In der Gruppe der Retournierer gibt es auch die „notorischen“ Retournierer. Diese Gruppe von Kunden bestellt sehr viel mit dem Wissen, dass sie sich erst einmal alles ansehen und ohnehin kostenfrei retournieren dürfen. Insbesondere durch die mittlerweile größtenteils standardisierte Versandkostenfreiheit der Lieferung und die kostenfreie Retoure wird der Kunde dazu verleitet – es kostet ihn ja nichts!  Über die Konsequenzen für den Distanzhändler, dass dieser die Retourenkosten in den Artikelpreis einkalkulieren muss und dieses zu höheren Preisen führt, macht sich der Kunde wissend- oder unwissentlich keine Gedanken.

Die „betrügerischen“ Retournierer

Und zum Schluss existieren noch die „betrügerischen“ Retournierer: Zur Weltmeisterschaft wird ein Beamer bestellt und direkt nach dem Finale retourniert. Ein dunkler Anzug für eine Theatervorführung wird bestellt und am Folgetag (vielleicht versehentlich noch mit Theaterkarte in der Innentasche) wieder zurückgeschickt. Oder im schlimmsten Fall wird ein Tisch mit 12 Stühlen bestellt und ist nach der Konfirmation dann vom Händler wieder abzuholen.

Wie gegen Retouren vorgegangen wird

Hier unterstützt das Data Warehouse (DWH) Online-Händler – entsprechend qualifizierte Auswertungen, Anwendung neuronaler Netze, Umstellung der Zahlungsbedingungen, etc. können auch hier präventiv Retouren reduzieren bzw. „Wiederholungstäter“ tendenziell ausschließen.


Die Situation steigender Retouren spitzt sich in letzter Zeit konsequent zu und wird noch immer mit entsprechenden Werbeaussagen unterstützt. Aber auch dynamische StartUps haben dazugelernt: Nach anfänglichen Werbeaussagen wie „Schrei vor Glück, oder schick´s zurück“, hat man mit den Erkenntnissen explodierender Retourenzahlen gelernt und dieser Werbeslogan mit der Verleitung zur Retoure wurde eliminiert. Kleinere Fashion-Versender betreiben zur Retourenvermeidung separate Abteilungen für die Größenberatungen – in der Regel mit Erfolg. Auch nehmen Spezialversender vor dem Paketversand den Kontakt zu Kunden auf, die den gleichen Artikel in zwei Größen oder mehreren Farben bestellen – der Aufwand solch einfacher präventiver Kundenkommunikation rechnet sich in der Regel.

 

Um der steigenden Retourenentwicklung Herr zu werden, ist ein Retourenscoring der Vielretournierer sinnvoll. Dabei ist jeder Kunde individuell zu bewerten und möglichst in die vorgenannten drei Gruppen einzuordnen mit den für ihn individuell erforderlichen Maßnahmen und Konsequenzen zur Senkung der gesamtheitlichen Rücksendequote.

Die Logistik an die Retourenabwicklung anpassen

Bei der Warendisposition ist die erwartete Retourenquote mit der erwarteten Wiedereinsatzquote entsprechend einzukalkulieren. Insbesondere zum Ende einer Saison leben Fashionversender oftmals nur noch aus den Retouren. Somit ist insbesondere in solchen Fällen bei der Reverselogistik eine Retourenbearbeitung mit hoher zeitlicher Priorität dringend erforderlich und die Prozesse müssen durchgängig optimiert werden. Abstimmungen mit dem Transportdienstleister ermöglichen oftmals, dass die Retourenpakete nicht in einem Hub zunächst gesammelt und dann zeitverzögert konsolidiert zugestellt werden.

Auch die Arbeitszeitmodelle sind auf eine zügige rückstandsfreie Retourenbearbeitung auszurichten, so dass Retourenartikel so schnell wie möglich dem fakturierfähigen Bestand wieder zur Verfügung stehen. Physisch bieten sich hier chaotische Retourenlager an, um den Aufwand beim Retourenrücklagern in das Versandlager deutlich zu reduzieren. Ein Verdichtungsstrategie solcher Retourenlager optimiert darüber hinaus kostbaren Lagerplatz und generiert parallel eine A/B/C-Clusterung des Retourenlagers. Hier bietet sich insbesondere das hoch innovative G-Com an – ein flexibles und völlig skalierbares automatisches Lager- und Kommissioniersystem, dass insbesondere bei Unternehmen mit höheren Retourenquoten einen kurzen ROI ermöglicht.

Grundsätzlich ist insbesondere bei der Artikelgruppe „Fashion“ die Strategie sinnvoll, retournierte Artikel mit höchster Priorität wieder zu versenden, da diese Artikel in der Regel die höchste Qualität haben: Retourenartikel erfahren eine doppelte „100%-Kontrolle“ – einerseits vom Kunden, der den Artikel mit entsprechendem Retourengrund retourniert, anderseits von den Mitarbeitern in der Retourenbearbeitung. Vom Lieferanten angelieferte Artikel unterliegen in der Regel keiner 100%-Qualitätskontrolle, sondern nur einer Stichprobenprüfung.

Retouren sind ein integrativer Bestandteil des Distanzhandels und somit sowohl präventiv, als auch physisch-operativ entsprechend professionell zu managen.

 

Leserhinweis: Dieser Artikel wurde von unserem Gastautor Bernd Kratz verfasst. Er arbeitet für die EMA GmbH - Executive Management Advisors und ist Gesellschafter der eCONment GmbH.