Branchenexperte Nils Zündorf verrät, warum der Amazon Prime Day in diesem Jahr anders ist als sonst.

 

In wenigen Tagen findet der diesjährige Prime Day statt und wie gewohnt, dürften viele Kunden wieder auf Schnäppchenjagd gehen. Doch dieses Jahr ist alles ein bisschen anders: Unter anderem der späte Termin und die intransparente Kommunikationspolitik von Amazon könnten dazu führen, dass nicht nur weniger Händler teilnehmen, sondern dass auch die großen Verkaufsrekorde ausbleiben, sagt Branchenexperte Nils Zündorf von der Amazon-Agentur Factor-a im Interview. 

Amazon Watchblog: Der Prime Day wurde in diesem Jahr massiv nach hinten verschoben – statt im Sommer findet er nun am 13./14. Oktober statt. Inwieweit wirkt sich diese Verschiebung auf die Händler bzw. Angebote aus?

Nils Zündorf: „Die Kunden können sich wieder auf eine Rabattschlacht freuen. Amazon hat – wohl, um der Flut an Angeboten Herr zu werden – den Mindestrabatt noch einmal deutlich angezogen. Das wird jedoch den Trend verstärken, dass viele etablierte Marken nicht mehr teilnehmen (können) und No-Name-Produkte mit undurchsichtigen UVP-Rabatten zunehmen. 

Viele Marken, mit denen ich gesprochen habe, sparen sich die Teilnahme am Prime Day in diesem Jahr. Durch die hohe Nachfrage im E-Commerce dieses Jahr sind viele Hersteller sowieso weit über Plan und im Weihnachtsgeschäft werden online neue Rekorde erwartet. 

Dazu kommt noch, dass die intransparente Kommunikationspolitik seitens Amazons die Planung erschwert und damit das Warenrisiko unnötig erhöht hat. Amazon selbst wird den Prime Day insbesondere dafür nutzen, um mit Sonderangeboten die Vormachtstellung im Smart-Speaker-, Internet-of-Things- und Ebook-Reader-Markt weiter auszubauen und damit den Kundenzugang der Zukunft zu sichern.“

Werden die Kunden den Prime Day Ihrer Meinung nach trotz der Verschiebung so gut aufnehmen, wie in den vergangenen Jahren auch? Durch die Zunahme des Online-Handels während der Pandemie sogar noch mehr?

„Die späte Ankündigung des Prime Days ist für die Endkunden kein Problem. Für die teilnehmenden Händler jedoch schon. Eine vorausschauende Planung, Beschaffung und Bereitstellung der Ware war nicht möglich. Die Idee des Prime Days besteht eigentlich darin, die Logistik im Sommerloch besser auszulasten und Ware in den Markt zu schieben. 

Amazon hat mit Themenwochen zu Fashion, Spirituosen und Gaming versucht, die sonst am Prime Day punktuelle Nachfrage über mehrere Monate zu strecken. Dies war auch im Sinne der großen Marken, da sie sich so besser positionieren konnten. Daher werden jedoch die Verkäufe am Prime Day selber geringer ausfallen im Vergleich zu den Vorjahren. Der Sommer wird für Anbieter und Kunden wesentlich attraktiver bleiben, wenn die Seuche erst einmal vorbei ist.“

Es ist Herbst. Nicht mehr lange, dann dürfte Amazon auch mit seinen Schnäppchen-Angeboten zum Black Friday bzw. zur Cyber Week aufwarten. Wird sich die zeitliche Nähe solcher großen Schnäppchen-Events auf die Kaufbereitschaft der Kunden auswirken?

„Auch wenn der späte Prime Day den ursprünglichen Zweck – im Sommerloch Nachfrage zu schaffen – verfehlt, kann er sich doch als Wettbewerbsvorteil erweisen. So hat Amazon ein starkes frühes Zugpferd zeitlich vor dem etablierten Black Friday, um von den Weihnachtsanschaffungen zu profitieren. Dennoch werden die großen Verkaufsrekorde ausbleiben. Vielmehr werden Kunden überlegter einkaufen und einige Anschaffungen eventuell auch auf den Black Friday verschieben, in der Hoffnung auf noch bessere Deals. Das gilt gerade für den Electronics-Bereich, da die Cyber Week hier durchaus bessere Angebote verspricht.“

Die Paketmengen sind aufgrund der Coronakrise aktuell auf einem sehr hohen Niveau, nun kommt der verkaufsstarke Prime Day hinzu. Könnte dies für Amazon zu einer logistischen Herausforderung werden?

„Amazon hat stark eingestellt und wird mit dem höheren Bestellvolumen zurechtkommen. Für kleinere Händler und auch die Post hingegen könnte es schwieriger werden. Denn viele hatten durch die späte Terminankündigung nicht ausreichend Zeit, sich auf den Termin vorzubereiten. Amazon selbst bereitet sich schon länger darauf vor und wird gut aufgestellt in dieses Quartal gehen.“

Vielen Dank für das Gespräch!

 


Über den Interviewgeber Nils Zündorf

Interview mit Nils Zuendorf von der Amazon-Agentur Factor-a

Nils Zündorf ist Managing Director der Amazon-Agentur Factor-a. Die Amazon-Digital-Agentur berät Marken und Lieferanten bei ihren Auftritten auf dem Amazon-Marktplatz und verwaltet diese Auftritte gegebenenfalls auch. Die Agentur verfolgt unter anderem auch einen datengetriebenen Ansatz und bietet eine SaaS-Lösung namens „Factor-A-Suite“. Zündorf selber ist seit über zehn Jahren E-Commerce-Berater und -Spezialist. Als Wirtschaftsinformatiker unterstützt er seine Modelle mit entsprechenden technischen Frameworks und kann so nachweislich wiederkehrende Erfolge für seine Kunden erzielen. (Bild: Nils Zuendorf von Factor-a)