Eine neue EU-Reform soll bewirken, dass Steuervermeidung in Milliardenhöhe gestoppt wird. Dafür fällt die einstige Import-Freigrenze von 22 Euro. 

Die Europäische Union reformiert zum 1. Juli ihr Mehrwertsteuersystem. Innerhalb der EU wird es dann neue Regelungen für den grenzüberschreitenden Online-Handel geben, zum Beispiel die EU-weite Lieferschwelle von 10.000 Euro und die zentrale One-Stop-Shop-Plattform, über die man im Land des Unternehmenssitzes gesammelt die Umsatzsteuer zahlen kann, die im EU-Ausland fällig wird. 

Aber auch außerhalb der EU gibt es Handlungsbedarf. Denn die aktuell noch geltende Freigrenze von 22 Euro, unterhalb der bei der Wareneinfuhr keine Einfuhrumsatzsteuer anfällt, wird laut Gesetzgeber von Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten auch zur Steuervermeidung genutzt und führt nicht nur deshalb zu einem Steuerverlust in Milliardenhöhe. Zum 1. Juli wird die Freigrenze deshalb abgeschafft. 

Steuerbetrug und Wettbewerbsnachteile – das soll die Reform lösen

Laut einer Schätzung der Kommission waren es immerhin über 150 Millionen Sendungen, die im Jahr 2016 mehrwertsteuerfrei in die EU eingeführt wurden. Es handelt sich also um eine riesige Menge von Sendungen und um eine Summe in Milliardenhöhe, die dem Staat jetzt nicht mehr durch die Finger rinnen soll. 

Importeure geben oftmals einen Warenwert unter 22 Euro auf der Verpackung an, um die Steuer zu umgehen, obwohl der tatsächliche Wert höher sei. Besonders Kleinsendungen aus EU-Drittstaaten, die über Plattformen wie Wish, Alibaba und AliExpress bestellt werden, stehen im Verdacht, häufig falsch deklariert zu sein. 

Darüber hinaus bestehe laut EU auch schlicht ein Wettbewerbsnachteil für Unternehmen mit Sitz in der EU. Schließlich gibt es innerhalb des europäischen Binnenmarktes keine Freigrenze. Hier muss die Umsatzsteuer vom ersten Cent an gezahlt werden – in den Augen der europäischen Wettbewerbshüter eine klare Benachteiligung für EU-Händler und ein unnötiger Verlust von Steuergeldern, der ab dem 1. Juli nicht mehr bestehen soll. 

Jetzt wird Einfuhrumsatzsteuer (fast) ab dem ersten Cent fällig

Künftig gibt es also keine Erleichterungen mehr für Kleinsendungen, die in die EU importiert werden. Ab dem ersten Cent wird dann die Einfuhrumsatzsteuer fällig – allerdings nur, wenn die erhobene Steuer mehr als einen Euro beträgt. Derzeit trifft das erst bei einem Warenwert von ungefähr 5,20 Euro zu. Das bietet natürlich immer noch Spielraum für Betrug und Missbrauch, minimiert das Risiko aber. 

Eine weitere Ausnahme gibt es für Geschenke, die von Privatperson an Privatperson gemacht werden. Diese sind weiterhin von der Einfuhrumsatzsteuer befreit, wenn der Warenwert 45 Euro nicht überschreitet. 

Zollgrenze von 150 Euro bleibt bestehen – Zollanmeldung wird trotzdem nötig

Beibehalten wird im Gegensatz zur Umsatzsteuerfreigrenze die Zollgrenze von 150 Euro. Sendungen mit Waren unter diesem Wert sind weiterhin vom Zoll befreit. Nur bei verbrauchsteuerpflichtigen Produkten kann es Ausnahmen geben. 

Trotz der weiter geltenden Steuergrenze müssen aber auch Kleinsendungen unter 150 Euro Warenwert elektronisch beim Zoll gemeldet werden. Zwar gibt es für solche Kleinsendungen ein vereinfachtes Meldeverfahren beim Zoll, doch die Zahl der Sendungen, die vom Zoll überprüft werden, wird sich drastisch erhöhen. Auch das soll ein Mittel gegen Zoll- und Steuerbetrug sein. 

Um diesen Anstieg an Zollanmeldungen zu bewältigen führt der Zoll eine neue IT-Anwendung, den ATLAS-IMPOST, ein. Das Problem: Diese Anwendung wird erst ab frühestens 15. Januar 2022 in Betrieb genommen. Bis dahin gilt die Übergangslösung, dass Wirtschaftsbeteiligte mit einem hohen Aufkommen von Kleinsendungen, also mehr als 3.000 täglich, diese außerhalb der Standard-IT-Anwendung ATLAS Zollbehandlung abwickeln. Ist man betroffen, soll man zeitnah Kontakt mit der Generalzolldirektion aufnehmen. 

Umsatzsteuer kann künftig über den IOSS abgewickelt werden

Geändert wird auch, dass man die Zollanmeldung bei Warensendungen bis zu 150 Euro oder Geschenken bis 45 Euro im Zielland der Sendung abgeben muss. Eine Ausnahme gibt es nur dann, wenn die Einfuhr über den Import-One-Stop-Shop (IOSS) abgewickelt wird. Die Teilnahme an dem Verfahren ist freiwillig und erfordert eine Registrierung beim Bundeszentralamt für Steuern. 


Teilnehmern wird die Möglichkeit gegeben, die Steuererklärung für Waren unter 150 Euro, die aus EU-Drittstaaten in die EU eingeführt werden für die ganze EU zentral an nur eine nationale Behörde zu senden und den Steuerbetrag dort auch gesammelt zu entrichten. In Deutschland übernimmt dies das Bundeszentralamt für Steuern, das auch weiterführende Informationen zu dem Verfahren anbietet.