Was macht die Blitzlieferdienste wie Flink und Gorilla so erfolgreich? Sendcloud CEO Rob van den Heuvel geht dieser Frage im folgenden Beitrag auf den Grund und zeigt Möglichkeiten auf, wie die traditionellen Logistiker sogar von den StartUps lernen können.

Während der Pandemie haben 24-Stunden-Lieferungen erheblich zugenommen. Heute ist es auch in Deutschland relativ normal, dass Flash-Lieferdienste auf Elektrorädern Lebensmittel blitzschnell direkt an die Wohnungstür bringen. Das Konzept ist denkbar einfach: Verbraucher*innen geben online eine Bestellung auf und innerhalb von zehn Minuten werden die Produkte geliefert – ob Lebensmittel für den täglichen Bedarf oder auch nur eine Zutat, die man im Supermarkt beim Einkauf zuvor vergessen hat. Doch genauso schnell wie diese sogenannten „Blitz“-Lieferdienste aufgetaucht sind, scheinen sie auch schon wieder ins Straucheln zu geraten. So wurde kürzlich der Lieferdienst Gorilla, ein in Berlin gegründetes Unternehmen, vom türkischen Konkurrenten Getir übernommen. Aber was steckt eigentlich hinter den verschiedenen Flash-Diensten und können die regulären Speditionsunternehmen sogar von ihnen lernen?

Die Problematik der „Dark Stores“

Der eindeutige Erfolgsgarant von Blitz-Lieferservice-Diensten ist natürlich die Geschwindigkeit, was nicht überraschend ist: Frühere Untersuchungen von Sendcloud haben bereits gezeigt, dass Zustelldauer sowie Kosten und Flexibilität zu den drei wichtigsten Faktoren in der Zufriedenheit von Verbraucher*innen mit ihren Lieferungen gehört. Auch wenn der Bedarf an Flash-Zustellungen nach der Pandemie etwas abgenommen hat, eine Lieferung innerhalb von 10 Minuten wohin und wann immer man will, steht einfach für puren Komfort und einen bestimmten städtischen Lifestyle. 

Viele Kund*innen schätzen diesen besonderen Komfort von Blitzlieferdiensten, aber es gibt auch Kritik an dieser Liefermethode, denn: Insbesondere das Erscheinungsbild von Wohngebieten und Städten kann unter den sogenannten „Dark Stores“ – also die Geschäfte, die lediglich für die Fahrer*innen der Lieferdienste zugänglich sind, und für die normale Öffentlichkeit. Als kleine Lagerinfrastruktur sind Dark Stores ausschließlich für den Online-Einkauf bestimmt und befinden sich oft an sehr zentralen Orten in der Stadt oder in Wohngebieten. Auch an den Lieferanten, die unter erheblichem Zeitdruck mit dem Rad unterwegs sind, stören sich viele Anwohner*innen. Infolgedessen überdenken immer mehr Gemeinden die Vorschriften für Dark Stores, was in einigen Fällen bereits zum Rückzug der Lieferdienste aus bestimmten Gebieten geführt hat. 

Ob man nun ein*e Befürworter*in oder ein*e Gegner*in von Blitzlieferdiensten ist, ihr Liefermodell regt zum Nachdenken an. Denn durch den smarten Einsatz sowie die Verteilung von Dark Stores an zentralen Punkten in den Städten ist es den Flash-Lieferdiensten gelungen, die Logistikkette erheblich zu verkürzen. Was können traditionelle Lieferdienste daraus lernen?

Lagerhaltung an Top-Standorten & Mikro-Fulfillment 2.0 

Der Erfolg der Blitzzustellung beginnt mit einer intelligenten Lagerhaltung. Die meisten Flash-Lieferdienste verfügen über die erwähnten Dark Stores (auch „Dark Shops/Supermarkets“ oder „Dotcom Center“ genannt), um eine schnelle Lieferung zu ermöglichen und die Effizienz innerhalb der Lieferkette zu erhöhen. Da Flash-Kuriere diese kleinen Lager in der Nähe der Endverbraucher*innen und zumeist an erstklassigen Standorten einrichten, können sie nicht nur ihre Lieferzeiten erheblich verkürzen. Auch die Transportkosten lassen sich dadurch stark verringern.

Diese Nähe zum Verbraucher ist einer der wichtigsten Faktoren im Kampf um kürzere Lieferzeiten, aber auch eine schnelle Kommissionierung spielt eine Rolle. Und Flash-Carrier haben ihre Kommissionierung perfekt optimiert: Das Sortiment ist nicht nur reduzierter als in regulären Supermärkten (um Zeit und Lagerplatz zu sparen), sondern Produkte, die häufig zusammen bestellt werden, werden dicht beieinander gelagert, so dass die Kommissionierer*innen die Aufträge effizienter abarbeiten können. Dieselbe Strategie wird auch von den großen E-Commerce-Giganten angewandt. So war Amazon einer der ersten, der Micro-Warehousing einsetzte, um eine Lieferung noch am selben Tag zu ermöglichen. Seit 2015 setzt Amazon Mikro-Fulfillment-Zentren ein, um häufig bestellte Produkte in der Nähe der Kundschaft zu lagern und so nicht nur die Lieferzeiten zu verkürzen, sondern auch das Serviceniveau zu erhöhen. 

Grün und schnell 

In den vergangenen Jahren setzen immer mehr Flash-Lieferdienste auf das Elektrofahrrad, ob es sich um einen Flink-Fahrer oder einen Takeaway.com-Lieferanten handelt. Die Lieferung per Fahrrad ist eine der primären Strategien von Flash-Servicelieferanten, um die Zustellzeiten erheblich zu verkürzen. Das E-Bike ist ideal für kleine Entfernungen, in den Innenstädten leicht zu manövrieren und benötigt weder Benzin noch Parkplatz. Tatsächlich sind Fahrradkuriere in der Lage, an einem Tag genauso viele Pakete auszuliefern wie Zusteller*innen mit einem normalen Lieferwagen. Das niederländische Unternehmen Fietskoeriers.nl hat sich bereits zu 100 Prozent der Zustellung mit dem Rad verschrieben und liefert Pakete im ganzen Land nur mit dem Fahrrad aus – eine Strategie, die traditionelle Zustellunternehmen im Hinterkopf behalten sollten.

Flexibilität ist der Schlüssel 

Obwohl es bei Blitzlieferungen in erster Linie um Schnelligkeit geht, ist ihre Popularität auch auf die Flexibilität zurückzuführen, die sie anbieten. Die Vorstellung, abends spontan zu entscheiden, was man essen möchte und die Zutaten dafür innerhalb weniger Minuten geliefert zu bekommen, verändert die Denkweise der Verbraucher*innen. Es ist eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Food-Lieferdienste. Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass die verschiedenen Lieferoptionen – von der Abendlieferung, der Lieferung am nächsten Tag oder der Lieferung noch am selben Tag – immer beliebter werden. Untersuchungen zufolge geben 71 Prozent der europäischen Verbraucher*innen sogar an, dass Flexibilität für sie eines der Schlüsselelemente bei der Lieferung ist. Konsument*innen wollen heute selbst entscheiden, wann, wie und wo sie eine Bestellung erhalten. Das gilt nicht nur für die Lieferung von Lebensmitteln, sondern auch für Bestellungen im elektronischen Handel!  

Fazit

Auch wenn die Meinungen über die Blitzlieferung geteilt sind, kann die E-Commerce-Logistik eine Menge von diesem Ansatz lernen. In einem so wettbewerbsintensiven und dynamischen Umfeld wird es immer wichtiger, die Wünsche auf Verbraucherseite im Auge zu behalten. Die Überlegung, welche Aspekte innerhalb der Logistikkette noch weiteres Optimierungspotenzial haben, sollte auf jeden Fall ganz oben auf der Agenda der Entscheider stehen.


Rob van den Heuvel
Sendcloud

Über den Autor: Rob van den Heuvel ist CEO und Mitbegründer von Sendcloud. Bereits während seiner Studienzeit machte er seine ersten Schritte in die Welt des E-Commerce. 2012 gründete er mit zwei Partnern Sendcloud. Das SaaS-Unternehmen mit Sitz in Eindhoven, Niederlande, ist mittlerweile in acht Ländern aktiv.