Es ist keine neue Erkenntnis, dass immer mehr Kunden online einkaufen. Es ist auch nicht überraschend, dass die bestellte Ware dann an den Kunden verschickt werden muss. Die steigenden E-Commerce-Umsätze bringen aber inzwischen eine solche Menge an Paketen mit sich, dass die Zahl der Kurierdienste die Innenstädte zunehmend verstopft. Wie lässt sich dieses System überarbeiten?

Im Jahr 2013 erzielte der E-Commerce einen Umsatz von 33,1 Milliarden Euro, wie eine Statista-Auswertung zeigt. Das ist bei Weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange, für das Jahr 2014 wird nämlich ein Umsatz von gut 38,7 Milliarden Euro prognostiziert. Während sich der Online-Handel über derartige Umsatzzahlen freuen kann, steht die Logistik vor einer großen Herausforderung: Die Masse an bestellten Waren soll schließlich auch zum Kunden gelangen. So lieferte Hermes beispielsweise im Jahr 2013 insgesamt 452 Millionen Sendungen aus. Die Deutsche Post hat nach Angaben der Welt im selben Zeitraum sogar mehr als eine Milliarde Pakete ausgeliefert – und das nur an Bundesbürger.

Inzwischen muss die Logistik-Branche sich ernsthafte Gedanken machen, wie man mit diesen Liefermengen fertig werden kann. So hat die Deutsche Post DHL beispielsweise den Paketkasten vorgestellt, mit dem die Zustellung auch dann erfolgen soll, wenn der Kunde nicht zu Hause ist. Die Konkurrenz der DHL kritisiert den Paketkasten, da er nur von Paketboten der DHL geöffnet und befüllt werden kann. Es bleibt aber auch mit einem Briefkasten für Pakete ein grundlegendes Problem: Die Vielzahl der Kurierdienste und die Menge an Paketen sorgen dafür, dass die Innenstädte zunehmend von Transporterkolonnen verstopft werden. Wie die Kieler Nachrichten bereits im März berichteten, wolle die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen dagegen vorgehen: „Mit einem Paket von Maßnahmen sollen der lokale Handel gestärkt und zugleich die Straßen entlastet werden. In der Diskussion sind lokale Logistikcenter, in denen online bestellte Waren vorsortiert würden – mit dem Ziel, Mehrfachfahrten zu vermeiden“, so das Nachrichtenportal.

Die „Kehrseite des Internethandels“

„Im Internet bestellte Schuhe kommen eben nicht durchs Netz nach Hause, sondern über unser reales Straßennetz“, sagte Michael Groschek, Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen. „Der Auslieferverkehr nimmt zu. Als Verkehrs- und Städtebauminister sehe ich diese Entwicklung nicht positiv: Städte klagen über zunehmend verstopfte Straßen durch Lieferverkehr, gleichzeitig gehen immer weniger Menschen zum Einkauf in die Innenstädte. Das ist die Kehrseite des bequemen Internethandels. Sofa-Shopping ist die neue grüne Wiese, die unsere Innenstädte kaputt macht.“ Gleichzeitig dementierte das Ministerium aber, konkrete Pläne oder Gesetzesvorlagen zu erarbeiten, um Kurierdienste aus den Innenstädten zu verbannen.

Trotzdem bedarf es durchaus neuer Systeme für die Zustellung auf der sogenannten „letzten Meile“. Einen Ansatz verfolgt das Berliner Unternehmen Empro, welches mit Elektroautos und einem neuen Lagersystem die Straßen entlasten und die Umwelt schonen möchte. „Die ganzen Firmen, die wir befragt haben, fahren kaum mehr als 100 Kilometer am Tag“, so Empro-Geschäftsführer Jürgen Allesch im Onlinehändler-News.de-Interview. Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ist das weder wirtschaftlich noch ökologisch – zumal diese Strecke in einer fortwährenden Start-Stop-Fahrt zurückgelegt wird. Für diese Strecke möchte Empro Elektrofahrzeuge einsetzen, die eine solche Distanz durchaus zurücklegen können und auch bei Start-Stop-Fahrten deutliche Vorteile mit sich bringen.

Depots könnten Innenstädte entlasten

Zusätzlich zu neuen Logistik-Fahrzeugen arbeitet Empro auch an einem neuen Depot-System: Viele kleinere Depots sollen von den verschiedenen Logistik-Anbietern angefahren und befüllt werden, damit dann ein einzelnes Fahrzeug die „letzte Meile“ zurücklegen kann. „Damit versuchen wir, diese Situation zu verhindern, dass quasi ein Lastwagen nach dem anderen durch das Viertel rollt, die sich im Grunde genommen gegenseitig im Weg stehen und den Stadtverkehr noch verzögern“, erklärt Allesch. Ein erstes Versuchsmodell sei erfolgreich verlaufen. Auch Verkehrsminister Groschek sieht deutliche Vorteile an einem solchen System: „Lokale Logistikcenter, in denen Lieferungen vorsortiert werden, sind ein guter Ansatz und können überflüssige Fahrten vermeiden.“

Ein weiterer Ansatz sei, dass Kunden ihre bestellten Waren an einem zentralen Punkt selbst abholen. Doch auch wenn dies die Innenstädte entlasten könnte, wäre es eine unbequeme Alternative für die Kunden. Ob die Politik mit Gesetzen oder einer Ausweitung der LWK-Maut als Erzieher auftreten solle, ist grundsätzlich umstritten: Während laut den Kieler Nachrichten einige Parteien derartige Forderungen stellen, halten andere dagegen. Lösungsansätze für das Problem der verstopften Innenstädte sollen also aus der Wirtschaft kommen. Anbieter wie Empro arbeiten auch bereits an entsprechenden Systemen, um die Logistik für die Zukunft zu rüsten. Fraglich bleibt nur, ob die Logistik-Anbieter sich auf zentrale und bündelnde Systeme einigen können. Der Paketkasten der DHL zeigt bereits, dass der Markt hart umkämpft ist und Vorteile nur ungern geteilt werden.