Die Ankündigung eines 9-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr war eine Offenbarung für viele Menschen. Allerdings könnte das Vorhaben noch kippen.

Hashtags wie #9EuroTicket, #ÖPNV oder #Wissing rangierten in den vergangenen Tagen in Deutschland relativ weit oben in den Trend-Rängen des sozialen Netzwerks. Grund ist allerdings nicht die Vorfreude der Verbraucher auf die versprochene Kostenersparnis – schön wär’s… –, sondern ein Streit um die Finanzierung des Tickets.

Kurz erklärt: Die Bundesregierung hatte im Rahmen eines Entlastungspakets mehrere positive Maßnahmen für die Bürger angekündigt – darunter ein zeitlich befristetes, sehr günstiges Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr. Konkret sollten Fahrgäste mit dem sogenannten „9 für 90“-Ticket von Anfang Juni bis Ende August für nur neun Euro pro Monat bundesweit Busse und Bahnen nutzen dürfen. Geplant war das Ticket als Entlastung für Verbraucher und als möglicher Schub für eine klimafreundliche Mobilität. Die Kosten wollte der Bund komplett übernehmen.

So viel zur Theorie. 

Kritik: Verkehrsministerium will die Kosten abwälzen

Nun allerdings ist ein Streit um die Finanzierung ausgebrochen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sei nach Angaben des Spiegels gewillt, 3,7 Milliarden Euro für den öffentlichen Nahverkehr auszugeben. Klingt gut, doch in Summe waren die Länder für das 9-Euro-Ticket und den anteiligen Corona-Rettungsschirm für den ÖPNV wohl von deutlich mehr Geld vom Bund ausgegangen. Alles in allem gehen den Ländern wohl 400 Millionen Euro flöten. Darüber hinaus sollte es noch Gelder als Ausgleich für Mehrkosten durch den Ukraine-Krieg, die Inflation sowie Leistungsanpassungen geben, die nun ebenfalls wegfallen sollen. Laut Spiegel ergebe sich nochmals eine Belastung von 1,5 Milliarden Euro für die Länder – die sie nicht ohne Weiteres stemmen können.

Kritik an den Plänen des Verkehrsministeriums kam unter anderem von Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD), der die vollständige Übernahme der Kosten forderte: „Die Ankündigung des Bundes war eindeutig: Je neun Euro für drei Monate – die anfallenden Kosten wollte der Bund komplett übernehmen“, wird er zitiert. „Jetzt versucht das Bundesverkehrsministerium, diese Kosten teilweise an die Bundesländer abzuwälzen und mit dem ÖPNV-Corona-Rettungsschirm zu verrechnen. Doch wer bestellt, muss auch zahlen.“

Wissing selbst wies nach Angaben des RND die Kritik an seinem Vorhaben zurück und verteidigte die Finanzpläne. Auch die Länder würden demnach von Entlastungen im Bereich der Energiekosten (Abschaffung der EEG-Umlage) profitieren. Kein Grund zur Kritik, also!

Ein Reinfall für die Verbraucher?

Nachdem der Streit um die Kosten entbrannt ist, ging auch Twitter quasi in Flammen auf: Viele Nutzer meldeten sich und erzählten, dass sie mit dem angekündigten 9-Euro-Ticket bereits fest gerechnet hätten. Das Ticket hätte es demnach vielen Verbrauchern ermöglicht – in einer Zeit deutlich steigender Lebensmittel- und Heizkosten, immenser Spritpreise und einer heiklen Inflationsrate – familiäre Ausflüge zu realisieren, die sonst nicht möglich gewesen werden. Und nun eben möglicherweise auf der Kippe stehen …

Ein Reinfall für die Regierung?

Die neue Regierung ist nicht einmal ein halbes Jahr alt und muss sich in den Augen vieler Bürger noch beweisen. Gerade mit Blick auf zahlreiche politisch brisante Themen wie die Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands wäre das 9-Euro-Ticket ein großer PR-Erfolg, der in der Mitte der Gesellschaft ankommt – dort, wo es aktuell notwendig ist. Sollte das Ticket durch finanzielle Streitigkeiten doch noch kippen, wäre das nicht nur ärgerlich, sondern käme einer Blamage für die Regierung gleich. Dass politische Versprechen nicht immer gehalten werden, ist grundsätzlich nichts Neues. Aber eine solche Ankündigung zu brechen, die Millionen Menschen entlasten könnte, wäre ein schlimmer PR-Gau, der die neue Regierung das Vertrauen vieler Bürger kosten könnte.

Ein Reinfall für die Betriebe?

Selbst wenn das 9-Euro-Ticket wie geplant umgesetzt und eine Finanzierung ermöglicht wird, stehen dem Ticket-Konzept dennoch große Hürden entgegen: Aktuell bereiten sich die Länder auf die Einführung des 9-Euro-Tickets vor, wobei auch Probleme und Ängste geäußert wurden: Beschäftigte der Bahn haben beispielsweise Sorgen verlauten lassen, dass eine reibungslose Umsetzung dringend zusätzliches Personal benötige. 

Sollte es zu einem Fahrgastansturm auf die Öffentlichen Verkehrsdienste kommen, sei dies nicht anders zu bewältigen als durch personelle Aufstockung, etwa beim Service- oder auch beim Sicherheitspersonal. Besonders in den Ferienregionen seien Überlastungen zu befürchten, sagte etwa Ralf Damde, Vizevorsitzender des Gesamtbetriebsrats DB Regio, laut n-tv.

Wird das Ticket gekippt, wären diese Probleme natürlich gelöst. Einer allgemeinen Verbesserung der Lage, dem pandemiebedingten Rückgang der Fahrgastzahlen und dem teils altbackenen und trägen Image der Dienste täte es allerdings auch nicht gut.

Ein Reinfall für eine nachhaltigere Mobilität?

An dieser Stelle ein Klima-Fass aufzumachen, auf die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels hinzuweisen und zu einem Rundum-Schlag gegen die veraltete, behäbige und potenziell umweltschädliche deutsche Mobilitätspraxis in Deutschland auszuholen, wäre an dieser Stelle ohne Umschweife möglich. Hier soll der Hinweis genügen, dass sich viele Menschen an der autofokussierten Politik stören. 

Ein Freifahrtschein für schwarzen Humor!

Öffentliche Verkehrsmittel sind in der Regel nicht preiswert und gerade in vielen ländlichen Regionen eine Zumutung. Radwege sind knapp, nachhaltige Konzepte werden vielerorts nur schleppend umgesetzt, von einer flächendeckenden zukunftsträchtigen, nachhaltigen Mobilität ist das Land weit entfernt. Das 9-Euro-Ticket hätte womöglich das Potenzial, die Menschen wieder stärker an den ÖPNV zu binden und diesen auch für die Zukunft attraktiver zu machen. Dass ein eigentlich edles Vorhaben nun ins Wanken gerät, nehmen nicht wenige mit Humor. Einfach, weil sie es müssen …

 

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