Alle Jahre wieder setzt das Weihnachtsgeschäft Lieferketten wie Händler unter Druck – eine verlässliche Planung ist unmöglich. Die Lösung: Resilienz. 

Ob Corona-Krise, die Havarie der Ever Given im Suezkanal oder Hafenschließungen in China – laut einer aktuellen Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) hatten 74 Prozent der Handelsunternehmen in Deutschland in diesem Jahr mit gravierenden Lieferproblemen und Engpässen zu kämpfen. Dabei traf es Vertreter verschiedener Branchen – unter anderem 100 Prozent der befragten Fahrradhändler sowie 99 Prozent der Baumärkte und Möbelhäuser, die vor allem die hohen Holzpreise des ersten Halbjahres zu spüren bekamen. Elektrogeschäfte litten unter den Engpässen bei Halbleitern und Chips, die wiederum auch in der KFZ-Industrie für Aufregung sorgten. Kurzum: Die Beschaffungsprobleme der Industrie sind längst bei den Kunden angekommen, die damit rechnen müssen, dass manch ein Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr vielleicht nicht lieferbar oder teurer sein wird, so ifo-Umfragenleiter Klaus Wohlrabe. 

Wie sollen Händler jedoch mit diesen vielfältigen Herausforderungen umgehen und letztendlich dafür sorgen, mehr Stabilität in die eigenen Lieferketten zu bringen? 

Lieferketten – störungsanfällig wie nie

Lieferketten gestalten sich heutzutage äußerst komplex und werden zunehmend modalitätsübergreifend, das gilt vor allem bei grenzüberschreitenden Lieferungen. Neben Lieferanten, verschiedenen Logistikpartnern, Redereien, dem Zoll und verschiedenen ERP- und TMS-Systemen sind zudem meist verschiedene Modalitäten notwendig, um Waren effizient von A nach B zu transportieren. Allerdings steigt im Zuge dessen auch die Wahrscheinlichkeit für mögliche Störungen und Verspätungen durch Wetterumbrüche, Staus an Grenzübergängen, Fahrerausfälle oder Verzögerungen an Umschlagplätzen.

Ist die Lieferkette erst einmal unterbrochen, stellt das alle Beteiligten sowohl auf logistischer Seite als auch die finalen Empfänger der Güter vor Herausforderungen. Dazu zählen Störungen im Betriebsablauf, der Rückgang der Produktivität oder Kosten durch das Onboarding neuer Lieferanten. Nachgelagerte Unternehmen sind ebenfalls betroffen, da sie für ihre Produktion auf bestimmte Zulieferteile angewiesen sind. Fehlende Güter bedrohen damit zusätzlich die Reputation des eigenen Unternehmens und strapazieren die Beziehung zu den Kunden. Im schlimmsten Fall wird der Verlust von Einnahmen und Marktanteilen zu einer existenziellen Bedrohung.  

Zurück zu nationalen Lieferketten?

Mit diesem Bild vor Augen stellen sich viele Unternehmen die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, Lieferketten nach Deutschland und Europa zurückzuverlagern. Wieso nicht die Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern reduzieren und die eigene Wirtschaft krisenfester machen, wenn man Corona-bedingt ohnehin Lieferketten und Absatzkanäle umstrukturieren musste? 

Was im ersten Moment durchaus logisch erscheint, ergibt langfristig jedoch wenig Sinn, da sich die Globalisierung in diesem Umfang nicht mehr umkehren lässt. Zum einen führt die Rückverlagerung zum Verlust von Spezialisierungen, einer geringeren Produktvielfalt und dem Wegfall komparativer Kostenvorteile. Laut einer weiteren ifo-Umfrage könnte sogar die reale Wirtschaftsleistung Deutschlands um fast 10 Prozent sinken. Gleiches gilt für die Rückverlagerung der Produktion zu europäischen Nachbarn. In diesem Fall würde die deutsche Wirtschaftsleistung Einbußen von 4,2 Prozent verbuchen. Zum anderen führt die geografische Nähe nicht automatisch zu mehr Versorgungssicherheit, da Disruptionen auch jeder Zeit lokal auftreten können. 

Weg vom klassischen Lieferkettenmanagement

Um in herausfordernden Zeiten also den Warenfluss leichter aufrechterhalten zu können, ist stattdessen ein transparentes und proaktives Lieferkettenmanagement für Handelsunternehmen Pflicht. Ein Schlagwort, das in diesem Zusammenhang genannt werden muss, ist Resilienz, also die Fähigkeit, agil und flexibel auf neue Situationen und Herausforderungen zu reagieren. Sie ist der zentrale Baustein für die Krisenfestigkeit von Unternehmen. Um den Druck auf die eigene Lieferkette zu reduzieren und die eigene Resilienz zu steigern, ist Transparenz ein ausschlaggebendes Kriterium. Dazu gilt es, eine Verknüpfung aller Beteiligten der Lieferkette zu schaffen und deren Zugriff auf relevante Informationen zu gewährleisten.  

Die folgenden vier Faktoren sind dabei essenzielle Bestandteile:

  • Flexibles Ressourcenmanagement 
    Ob Zeitmanagement, Wareneingang oder Rampen-Management – jeder Logistikprozess bedarf regelmäßiger Checks und gegebenenfalls einer Optimierung, um finanzielle und zeitliche Ressourcen gezielter einzusetzen.

  • Informationen in Echtzeit
    Entlang der Lieferkette entstehen tagtäglich unzählige Daten. Werden diese an einer zentralen Stelle gesammelt, verknüpft und analysiert, lassen sich auf dieser Basis voraussichtliche Ankunftszeiten berechnen. So profitieren Unternehmen von reduzierten Pufferzeiten, einer verbesserten Routenplanung und einer optimalen Anlagenauslastung.
  • Reibungsloser und transparenter Informationsfluss
    Genau zu wissen, wo sich ein Transport befindet, bringt viele Vorteile mit sich – unter anderem einen transparenten und reibungslosen Austausch mit Lieferanten und Kunden.  Auf diese Weise lässt sich zudem eine optimale Kapazitätsplanung und mehr Kundenzufriedenheit realisieren.

  • Schnelle proaktive Entscheidungen
    Unvorhergesehene Ereignisse und Störungen gibt es viele, aber deshalb jeden Transport zu überwachen, kostet Zeit, Geld und Personal. Alerts für entsprechende Endpunkte helfen dabei, die Überwachung auf die kritischen Stellen innerhalb der Lieferkette zu konzentrieren, schnell umzuplanen und Transportprozesse effizienter zu gestalten.

Mit Big Data und künstlicher Intelligenz zum Wettbewerbsvorteil

Um ein zukunftsorientiertes Supply Chain Management umzusetzen, empfiehlt sich der Einsatz innovativer, auf künstlicher Intelligenz basierender Lösungen. Sie unterstützen Supply Chain Manager mit handlungsrelevanten Erkenntnissen und Prognosen, die notwendig sind, um Lieferketten flexibel und agil an neue Herausforderungen anzupassen.

Damit das funktioniert, muss sich jedoch das Mindset vieler Unternehmen ändern, denn in puncto Digitalisierung hinken die meisten Handelsunternehmen deutlich hinterher. So sieht sich – egal, ob Einzel- oder Großhandel – 73 Prozent der Unternehmen laut Bitkom eher als Nachzügler beim Thema Digitalisierung. Lediglich zwei Prozent sind überhaupt dazu bereit, dauerhaft in die Digitalisierung zu investieren.

Dabei lohnt es sich: Entsprechende Lösungen sind in der Lage, spezifische transportbasierte Daten mit Standortinformationen sowie externen Störungsquellen zusammenzuführen und mithilfe von Machine-Learning Algorithmen präzise Estimated-Time-of-Arrival-Daten zu berechnen. Die Prognosen lassen sich sogar im Laufe der Zeit noch verfeinern. Mit diesem Wissensvorsprung überwachen Unternehmen alle Transport- und Planungsprozesse und vermeiden finanzielle Verluste sowie Strafzahlungen durch verspätete Transporte. 

Auf diese Weise sind Handelsunternehmen durch den Aufbau eines integrierten Supply Chain Managements, End-to-End-Transparenz, die alle Parteien der Supply Chain miteinschließt, sowie durch intelligente logistische Prozesse ihren Wettbewerbern einen entscheidenden Schritt voraus. Damit gewinnt nicht nur die eigene Lieferkette jetzt und in Zukunft, sondern auch das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr.
 


Synfioo-CEO Marian Pufahl / Bild: Heuser
Bild: Heuser

 

Über den Autor

Marian Pufahl ist CEO und Co-Founder von Synfioo und verantwortlich für Vertrieb, Marketing und Kundenprojekte.

Gemeinsam mit Dr. Andreas Meyer gründete er das Unternehmen 2015 mit dem Ziel, mit Echtzeitdaten maximale Transparenz in globalen intermodalen Lieferketten zu schaffen.