In unserem vierten und letzten Teil der Themenreihe zu den Krankenständen in der Logistik geht es diesmal um die psychische Belastung der Mitarbeiter und den unterschätzen Einfluss der Führungskräfte auf die Mitarbeitergesundheit. Wir versuchen, in diesem Beitrag Ansätze für einen gesunden Führungsstil aufzuzeigen.

Ein gesunder Führungsstil, was bedeutet das eigentlich? Und welche Bedeutung hat er in Auswirkung auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiter? Was sollte bei einer guten Führung der Mitarbeiter eigentlich berücksichtigt werden?

Vielleicht nehmen Sie sich einmal einen Augenblick Zeit und lassen die letzten Stunden oder Tage Revue passieren.

  • Wann haben Sie Ihrem Mitarbeiter oder Ihrer Mitarbeiterin gegenüber das letzte Mal eine Kritik ausgesprochen? Und geschah die Kritik zeitnah zum Vorfall, nachdem Sie diesem gewahr wurden? 
  • Wurde die Kritik in einem kurzen Vieraugengespräch ausgeübt oder vor „versammelter Mannschaft“?
  • Wann wurde der/die Mitarbeiter/in das letzte Mal bewusst für seine guten Leistungen gelobt? 
  • Wurde das Lob in einem Vieraugengespräch ausgeübt oder auch mal vor „versammelter Mannschaft“, um eine „offene Lobkultur“ zu etablieren und gleichzeitig das Team mit einer positiven Stimmung anzustecken?
  • Welches Verhalten konnten Sie in beiden Situationen beobachten?
  • Ist das Verhältnis zwischen Lob und Kritik ausgewogen?

In den oben genannten Fragestellungen wird angenommen, dass der Mitarbeiter grundsätzlich ein Mitarbeiter ist, der mit all seinen natürlichen Leistungsschwankungen für einen guten Mitarbeiter gehalten wird. Denken Sie hierbei jedoch eher an Mitarbeiter, mit denen sie stets wenig zufrieden sind, ist die Frage nach den Gründen zwingend angebracht. Hierfür hat die amerikanische Führungsliteratur eine schnelle Antwort, denn solche Situationen werden dort konsequent als Führungsfehler eingestuft.

Und tatsächlich bestätigt uns ja die Praxis, dass Führungskräfte die Mitarbeiter einstellen und sie für ihre Tätigkeiten auswählen. 

Dennoch: Die Welt hält neben Schwarz und Weiß auch immer Grautöne bereit, sodass es durchaus auch wichtig ist, zwischen den Zeilen lesen zu können. In diesen konkreten Fällen bedeutet es, sich mit dem „warum“ zu befassen. Wo kommt die unzureichende Leistung her, was kann ich dazu beitragen, um diese Situation zu verbessern und was muss der Mitarbeiter dazu beitragen etc.

Die positive Absicht des Menschen

Kommunikationstechniken und Methoden, wie z.B. NLP (das Neuro-Linguistische Programmieren), gehen davon aus, dass Menschen Dinge in einer stets positiven Absicht tun. Und wenn wir hierbei auf unsere eigenen Präferenzen schauen, kann sicherlich die Annahme bestätigt werden, dass ein Lob positiv und belebend auf jeden von uns wirkt und niemand gerne Fehler macht.

Das bedeutet im Gegenzug selbstverständlich nicht, dass das Lob inflationär angewandt werden sollte. Lob muss immer aufrichtig, echt und nachvollziehbar sein, denn sonst ist die Gratwanderung zwischen einem ehrlichen Lob und z.B. Zynismus, der in einer guten Führungskultur keine Verwendung finden sollte, sehr schmal. Und hierzu gehört es auch, eine Entscheidung treffen zu müssen, wenn sich die Situation nicht dauerhaft von beiden Seiten lösen lässt. Werden diese Dinge nicht konsequent und bestmöglich gelöst und werden grundlegende Führungsregeln von den Führungsmitarbeitern missachtet, ist die Gefahr einer „Dienst nach Vorschrift“-Mentalität und steigenden Krankenquoten mehr als hoch.

Frau Tenckhoff, Gesundheitscoach bei dellian-consulting, geht im Rahmen Ihres Vortrags in Frankfurt auf weitere Aspekte und Details zum Thema Führung und "gesund Führen" ein und bringt die Dinge in den folgenden Zeilen noch weiter auf den Punkt. Weitere Informationen zu den gebotenen Seminaren finden Sie auf der Homepage des Unternehmens.

Anwesend ist nicht gleich leistungsbereit

Hohe Krankstände kommen Unternehmen teuer zu stehen. So schlägt ein Langzeitausfall von sechs bis acht Wochen schnell mit einem fünfstelligen Betrag zu Buche. Aber auch bei kürzeren Krankheitsausfällen ist der organisatorische Aufwand alles andere als ressourcenschonend. Die Vermeidung von Krankheitsausfällen ist daher elementar wichtig für Unternehmen. Hier bieten sich mehrere Stellschrauben im Rahmen einer betrieblichen Gesundheitsförderung. Von der ergonomischen Ausgestaltung der Arbeitsplätze über eine optimierte Arbeitsprozessgestaltung bis hin zu Gesundheitsangeboten reichen die Möglichkeiten.

Angesichts der Zunahme psychischer und psychosomatischer Erkrankungen und des zunehmenden Fachkräftemangels im demografischen Wandel geht es mittlerweile im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements allerdings um mehr als die Reduzierung krankheitsbedingter Fehlzeiten. Denn nur die pure Anwesenheit des Mitarbeiters bedeutet noch nicht, dass dieser auch leistungsbereit ist. Gute Leistung und entsprechende Leistungsbereitschaft hängen stark vom Führungsverhalten des Vorgesetzten und der Unternehmenskultur ab! Wer als Arbeitgeber seine Belegschaft leistungsbereit und gesund erhalten will sowie ein attraktives Image für das Unternehmen anstrebt, der muss das Wohlbefinden am Arbeitsplatz nicht nur durch Ergonomie, sondern auch in psychischer und zwischenmenschlicher Hinsicht fördern.  

Studien belegen Zusammenhang zwischen Führungsverhalten und Anwesenheit und Gesundheit

Mehrere Studien belegen den Einfluss der Führungskraft auf die Mitarbeitergesundheit. So befragte das GEVA-Institut Mitarbeiter, die in Abteilungen mit hohen Fehlzeiten arbeiteten, nach den Gründen. 80 Prozent der Befragten gaben an, dass der Chef nicht motivieren kann. Damit war explizit gemeint, dass sie das Gefühl hatten, ihre Leistung wird nicht anerkannt. 

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ermittelte in einer repräsentativen Umfrage die wichtigsten Kriterien für „gute Arbeit“: Direkt nach den Kriterien „verlässliches Einkommen“, „Arbeitsplatzsicherheit“ und „Spaß an der Arbeit“ folgte „vom Vorgesetzten als Mensch behandelt werden“. 

Und die Eidgenössisch Technische Hochschule Zürich wies in Umfrage unter 2.500 deutschen Arbeitnehmern nach, dass Beschäftigte zwei Fehltage weniger hatten, wenn ihre Führungskräfte folgende Verhaltensweise zeigten: loben, Zeit nehmen, eigene Fehler zugeben können und auf Mitarbeitende eingehen. Wo diese vier konkreten Führungsqualitäten fehlten, gaben doppelt so viele Beschäftigte an, erschöpft zu sein.

"Gesund Führen" bedeutet nicht Mehrarbeit. Aber man muss Menschen mögen – auch sich selbst.

Sich und andere gesund führen, gehört zu den Schlüsselqualifikationen im heutigen Berufsalltag. Wer seine Mitarbeiter gesund führen will, muss keine neuen Techniken lernen, sondern ein offenes Ohr für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Auch das Vorbildverhalten der Führungskraft spielt eine große Rolle. Wer selbst krank zur Arbeit erscheint, häufig gestresst ist und dies in seiner Kommunikation zeigt, tut sich auch schwer, auf die Gesundheit und das Wohlbefinden anderer zu achten. 

Die Führungskraft muss durch einen Führungsstil für zwischenmenschliches Wohlbefinden sorgen. Dieser Führungsstil muss sich durch bestimmte Basiskompetenzen auszeichnet und eine  wertschätzende Haltung als Grundlage haben.  

Respekt geben – Respekt erhalten

Menschen wollen als Menschen wahrgenommen werden, nicht als Produktionsfaktor. Eine Führungskraft sollte jedem Mitarbeiter respektvoll begegnen, unabhängig von der Hierarchiestufe. Gesunde Kommunikation geht auf das Gegenüber ein: Der Vorgesetzte sollte die Namen und Geburtstage der Mitarbeiter kennen, ihre Meinung zu bestimmten Themen erfragen – durchaus auch mal zu Themen, die nicht mit der Arbeit zusammenhängen. Freundlichkeit, ein humorvoller Umgang und gleichmäßiger Kontakt zu allen Mitarbeitern sind die Grundelemente dieser gesunden Kommunikation.

Menschen brauchen Anerkennung

Anerkennung steht als Oberbegriff für Lob und Wertschätzung. Lob bezieht sich auf eine bestimmte Leistung oder ein Verhalten in einer bestimmten Situation. Dabei sollte das Lob immer konkret, individuell und echt sein! Eine gesunde Feedbackkultur zu installieren, gehört ebenso dazu. Wertschätzung bezieht sich auf die Person selbst, auf eine Stärke, die diese beruflich einbringt und wirkt daher langfristiger. Auch der persönliche Kontakt durch Rundgänge, ehrlich gemeinten Small Talk und Willkommensgespräche nach längerer Krankheit sind Teil einer wertschätzenden Haltung.

Motivation

Motivation ist das Ergebnis mehrerer Einflussgrößen, die bei Mitarbeitern individuell und unterschiedlich wirken. Aufgabe der Führungskraft ist es, die Rahmenbedingungen für die Motivation der Mitarbeiter zu schaffen: Eine werteorientierte Führung, die auf die individuellen Belange des Mitarbeiters eingeht und für Erfolgserlebnisse sorgt.  

Achtsamkeit für die Belange der Mitarbeiter – und für eigene

Achtsamkeit fördert eine gesunde Haltung bei zunehmend herausfordernden Arbeitsumfeldern und in der Mitarbeiterführung. Die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick zu legen hilft, unter Druck besonnen und klar zu entscheiden. So wird man selbst resistenter gegen Stress und nimmt eher Veränderungen in Verhalten bei Mitarbeitern wahr, die auf zu hohe Belastungen zurückzuführen sind. Im Umgang mit Mitarbeitern sollte die Führungskraft stets präsent sein. Nebentätigkeiten, wie E-Mails lesen oder ans Mobiltelefon gehen, sind in der direkten Kommunikation mit dem Mitarbeiter ebenso schädlich wie respektlos.  

Vertrauen

Durchschaubarkeit und Verstehbarkeit sind wichtig für die Gesundheit: Wer nicht weiß, woran er ist, reagiert verunsichert. Vertrauen hat daher sehr viel mit Berechenbarkeit zu tun. Wechselhaftes Verhalten ist hingegen Gift für den Vertrauensaufbau. Führungskräfte sind oftmals zurückhaltend mit transparenter Kommunikation und befürchten, dass zu viel Offenheit ausgenutzt wird.  

Jedoch: Wer offen zu anderen ist, erntet Vertrauen. 

Unternehmen, die eine Führungskultur entwickeln, die den Menschen in den Fokus rückt und Gesundheit als einen wesentlichen Faktor für wirtschaftlichen Erfolg sieht, ist für die Zukunft gerüstet. Gesunde Führung steht dabei nicht für „Kuschelführung“, sondern für „Wertschätzung der Humanressourcen“. Führungskräfte, die auf die eigene Gesundheit und die ihrer Mitarbeiter achten, werden erfolgreicher sein. Auch unter dem Aspekt des „Employer Branding“ ist die Etablierung einer wertschätzenden Unternehmenskultur, die den Menschen als Mensch wahrnimmt, zukunftsweisend. 

Junge Fach- und Führungskräfte der „Generation Y“ für das Unternehmen zu gewinnen, gelingt zunehmend nur mit einem überzeugenden Gesamtpaket, zu dem neben dem Thema Work-Life-Balance auch eine „gesunde Führungskultur“ gehört. 

Kurz, eine gesunde Führung bedeutet:

  • Anerkennung sowie Lob und Wertschätzung
  • Interesse und Aufmerksamkeit zeigen sowie Kontakte pflegen
  • Einbeziehung der Mitarbeiter und Kommunikation
  • Transparenz, Offenheit und Durchschaubarkeit („Berechenbarkeit der Führungskräfte“ im positivsten Sinne - der Mitarbeiter muss wissen, woran er ist.)
  • Ein gutes Betriebsklima pflegen
  • Unterstützung bei Stressbewältigung anbieten

und…auch auf die eigene Vorbildfunktion achten sowie die eigene Gesundheit pflegen, gehört dazu.

 

Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Nathalie Tenckhoff von der dellian-consulting gmbh.