So schnell wie der E-Commerce wächst, so schnell wandelt er sich auch. Wie können Unternehmen den Überblick über wichtige Investitionen behalten? Wo sollen die Kernkompetenzen gelegt werden, was soll ausgelagert werden?

In der heutigen Zeit des E-Commerce ist es für Unternehmen essenziell wichtig, die vielen unterschiedliche Disziplinen des Versandhandels perfekt zu beherrschen. Das war doch schon immer so werden nun einige denken, und das sicherlich zu Recht.

 

Die vielfältigen (neuen) Anforderungen im Versandhandel verhindern oft eine Fokussierung der Unternehmen

 

Die Praxis zeigt, dass es heute wichtiger denn je ist, sich flexibel an den Marktanforderungen auszurichten. Erschwerend sind in den letzten Jahren neue Aufgaben in den Unternehmen hinzugekommen, die es schlichtweg vorher (in der Ausprägung) noch nicht gab. Hier mussten somit neue Kompetenzen aufgebaut und dauerhaft ins Unternehmen integriert werden.

 

Gemeint ist hier insbesondere das Know-how für Bereiche wie z.B. SEO/SEA (Suchmaschinenoptimierungen/Suchmaschinenmarketing), das mit der Revolution des Internets heute zwingend erforderlich geworden ist. Sie sind kein „nice to have“, sondern entscheiden als Kernkompetenz maßgeblich über Wachstumschancen und Image des Unternehmens.

 

Hinzu kommen zahlreiche Projekte und eine Liste von Aufgaben für die kommenden Jahre, welche zusätzlich eine wichtige Fokussierung der einzelnen Unternehmensbereiche mit sich bringt.

 

Die Frage nach der wirklichen (und benötigten) Kernkompetenz, kann somit eine ganz Entscheidende sein, um den Blick für das Wesentliche weiter zu schärfen.

 

Logistikmanagement: Zwischen Kernkompetenz und Veränderungsanforderungen

 

Die Erfahrung und Entwicklung im Versandhandel zeigt uns, dass auch die Logistik in vielen Unternehmen als eine der Kernkompetenzen bezeichnet wird.

 

Das liegt häufig u.a. auch an der Historie, denn es wurde Ware eingekauft die in allen logistischen Prozessen gemanagt werden musste. Die Logistik hat dem Wachstum standgehalten, sich je nach Anforderungen weiterentwickelt und somit sind viele Unternehmen dort auch gut aufgestellt.


Jedoch zeigt die Praxis auch hier, dass es täglich neue Herausforderungen wie stetige Prozessoptimierungen und das Generieren von Einsparpotenzialen, oder die Realisierung neuer Versandservices wie SDE (Same Day Delivery) gibt, die neben dem Tagesgeschäft bewältigt werden, respektive dort dauerhaft integriert werden müssen.

 

Gleichzeitig gilt es sich heute mit den Besten des Versandhandels zu messen, wo früher eher der Fokus auf die Performance des direkten Wettbewerbs lag. In der Konsequenz kommt es somit immer häufiger zu einem David vs. Goliath-Vergleich, denn der Kunde macht an diesem Punkt heute durch den „Gewöhnungs- und Standardisierungseffekt“, immer weniger Unterschiede. Zumindest dann, wenn er die Wahl hat, wo er das Produkt erwirbt.

 

Somit ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich Unternehmen immer mal wieder mit der Frage „Make or Buy“ (Eigenfertigung oder Fremdbezug) befassen. Also sich in diesem Fall konkret mit der Frage „weiterhin selber machen, oder soll ich meine Ware an einen Dienstleister geben“, beschäftigen.

 

Auch wenn die Antwort auf diese Frage immer höchst individuell ausfällt, und neben den harten Fakten wie z.B. zu erzielende Einsparpotenziale auch immer die weichen Faktoren eine immens wichtige Rolle spielen (sollten). Hierbei stellen sich dann auch Grundsatzfragen wie „möchte ich meine Ware einem Dienstleister anvertrauen, und mich somit in eine Abhängigkeit begeben?“, oder „was passiert wenn das alles nicht läuft?“. Denn ein Umzug zurück in die eigenen Hände ist meist schwer möglich und wäre immer mit einem immensen Aufwand und somit mit Kosten verbunden.

 

Wie so häufig gibt es bei diesen argumentativen Fragestellungen, auch eine andere Seite der Medaille, die betrachtet werden sollte.


Welchen Benefit gibt es für das Unternehmen im Falle einer Outsourcing-Entscheidung?


Daher verwundert es nicht, dass die Fulfillment-Dienstleistung heute eine immer wichtigere Alternative wird und sich Unternehmen wie Fiege, DHL, Loxxess, Fashion Logistics, ecomlogistik etc., darauf spezialisiert haben und eine Vielzahl an logistischen Dienstleistungen anbieten.

 

Folgende Situationen sind ein gutes Beispiel, um sich einmal mit den unterschiedlichen Argumenten zu befassen, weiß Oliver Dahms von Dahms Solutions zu berichten:

 

Ob Windeln, Mode oder Sexspielzeug - wo immer der Versandhandel im Internet schnell aus den Kinderschuhen entwachsen ist, kommt man im E-Commerce-Handel schnell und immer wieder an seine Grenzen. „Lagerkapazitäten unter 100 m² sind kaum zu finden, ein zu überdimensioniertes Lager oder ein falsch ausgehandelter Mietvertrag führen dann schnell zu Verlusten“, weiß Oliver Dahms, der unter anderem die Logistik bei Amazon und dem Buchaufkäufer Momox aufgebaut hat.

 

Momox etwa wuchs innerhalb von vier Jahren auf 600 Mitarbeiter an und kaufte jährlich über 7 Millionen Bücher an – Firmengründer Christian Wegener hatte seinerzeit im heimischen Wohnzimmer in Berlin-Kreuzberg begonnen und Bücher vom Flohmarkt bei eBay verkauft – bis sich nach wenigen Monaten die Bücher bis unter die Decke stapelten und ein normales Wohnen nicht mehr möglich war.

 

Wegener gewann Acton Capital aus München als Kapitalgeber fürs Wachstum und begann mit Dahms Hilfe in Neuenhagen bei Berlin in einem ausgedienten Ersatzteillager von BMW mit dem Aufbau eigener Lagerkapazitäten.

Doch auch hier stieß das Unternehmen schnell wieder an seine Grenzen und musste in Leipzig neue Kapazitäten anmieten – all das innerhalb von vier Jahren.

 

„Solange es nur ein paar Pakete am Tag sind, kann man die Logistik sicherlich inhouse managen“, sagt Oliver Dahms, der seit einem Jahr sein eigenes Logistik-Unternehmen Dahms Solutions betreibt, welches sich auf die StartUp-Unternehmen im Onlinehandel spezialisiert hat.

 

Kritisch, so der Logistiker, wird es dann, wenn auch Retouren zum Tagesgeschäft werden: „Damit sollte man professionell umgehen und diese nicht als Kritik an der eigenen Geschäftsidee werten.“

 

Dahms sieht vier Unternehmenstypen, für die es sich über eine externe Logistiklösung nachzudenken lohnen kann:

 

  1. „Wenn sie stark wachsend sind“.
  2. „Wenn sie die eigene Entwicklung nicht abschätzen können“.
  3. „Wenn ein hoher Automatisierungsgrad auftritt“.
  4. „Wenn das Kapital nicht vorhanden ist, eigenes Personal und Lagerkapazitäten vorzuhalten.“

 

Bei einer eigenen Logistik kommt dann auch schnell – etwa in der Pharmabranche oder beim Versand von Lebensmitteln – noch eine geforderte Zertifizierung dazu, die schnell mal 20.000 Euro an liquiden Mitteln bindet. Doch Investoren, so Dahms Erfahrung, wollen lieber in den Markt, als in die Infrastruktur investieren.

 

Anhand der angeführten Argumente scheint es somit wenig verwunderlich, dass es für ein junges und schnell wachsendes Unternehmen eine spannende Alternative sein kann, sich mit dem Thema Outsourcing zu beschäftigen, sofern die Frage nach der Kernkompetenz gestellt und dauerhaft beantwortet werden kann.

 

Der Umkehrschluss lautet hierbei jedoch nicht, dass sich diese Fragestellungen für etablierte Unternehmen nicht stellen, ggf. lauten sie jedoch anders. Gründe könnten hier z.B. fehlende Erweiterungsflächen sein oder ein Mangel an Flexibilität.

 

Wie bei allen Entscheidungen, bei denen es darum geht sich in eine Form der Abhängigkeit zu begeben, ist es wichtig sich über die wirklichen Anforderungen klar zu sein.

 

Die Frage welcher Dienstleister passt zu mir, lässt sich eben nicht nur über das Pricing entscheiden, bzw. wäre dieser Ansatz zu kurz gedacht.

 

Entscheidend sind die Anforderungen eines Unternehmens an den Dienstleister und diese sollten so definiert sein, dass etwaige Angebote der unterschiedlichen Anbieter auch vergleichbar sind.

 

Think big!

 

Welche Vorteile für den Kunden würde mir ein Wechsel bringen?
Mit welcher Amortisierungszeit muss ich kalkulieren (einmalige Umzugskosten, sowie permanente Kosten im Rahmen einer Make or Buy-Entscheidung)
Welche operativen Vorteile würde das mit sich bringen?
Welche strategischen Vorteile würde es mit sich bringen?
Wäre ich damit zukünftig dauerhaft in der Lage mich verstärkt auf mein Kerngeschäft zu konzentrieren?
Welche Pricing-Modelle bietet der Dienstleister und wie passen diese zu meinem Geschäftsmodell?
Kann der Dienstleister mit meinem geplanten Wachstum skalieren??
Kann ich ggf. Produktsparten aufnehmen, die bisher logistisch inhouse nicht realisierbar waren?

 

Einen guten Ansatz bringt der letztgenannte Punkt bereits mit sich. Sollte es (neue) Produkte geben, die sich jedoch logistisch (inhouse) nur mit erheblichen Aufwänden abbilden lassen, könnte ein Pitch (also eine Ausschreibung der Anforderungen) dieser ersten Teilbereiche interessant werden.

 

So könnte zusätzlich sichergestellt werden, dass der Partner in seiner Arbeitsweise zum eigenen Unternehmen passt, und dass die angekündigten Kompetenzen auch jederzeit eine Verbesserung der heutigen eigenen Performance darstellen.