Nachhaltige Verpackungen sind von Konsumenten gefragt – in der Praxis gibt es aber einiges zu bedenken.

Auf den 29. Juli datierte die Organisation Global Footprint Network in diesem Jahr den jährlichen „Erdüberlastungstag“ (Earth Overshoot Day). Ein Aktionstag, der den Zeitpunkt im Laufe des aktuellen Jahres markiert, an dem die menschliche Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen das Angebot bzw. die Ressourcen oder Reproduktionsmöglichkeiten der Erde übersteigt. Der Umweltschutzinitiative WWF zufolge verlagert sich dieser Tag jährlich auf ein früheres Kalenderdatum im Jahr. 

Diese und weitere Aspekte rund um Umweltschutz und den Umgang mit Ressourcen werden vielen Menschen immer wichtiger – und erwartet wird deshalb von vielen Konsumenten zunehmend auch, dass Unternehmen diesbezüglich reagieren. Eine Umfrage im Juni zeigte, dass inzwischen für drei Viertel aller Online-Shopper umweltfreundliche Verpackungen wichtig sind. 

Doch was gilt es bei einer möglichen Umstellung auf die klimaschonendere Variante überhaupt zu beachten? Wann handelt es sich überhaupt um eine nachhaltige Verpackung und wie zeigen Marken und Händler ihrer Kundschaft am besten, dass sie diese nutzen? Darüber sprachen wir mit Wojtek Sadowski, CEO und Mitgründer des Verpackungsdienstleisters und Softwareunternehmens Packhelp. Das Unternehmen, gegründet 2015 in Warschau, hat u. a. Verpackungsprojekte mit Happy Socks und Local Hero Box umgesetzt.

Wenn sich aus der Verpackung die Verwendung des Produkts ableiten lässt, ist sie nahezu perfekt

Logistik Watchblog: Ohne Verpackung geht im Online-Handel nichts. Was sind – in Kürze – die wichtigsten Anforderungen, die aus Ihrer Sicht grundsätzlich jede Verpackung erfüllen muss?

Wojtek Sadowski: Verpackung hat zuallererst den Zweck, ein Produkt während des Versands vor äußeren Einwirkungen und Schäden zu schützen. Daraus ergibt sich ein weiterer Aspekt, und zwar die Art und Weise, wie ein Produkt mit der Verpackung dargestellt und kommuniziert werden kann. Dazu zählen inhaltlich die Dinge, die in der Verpackung enthalten sind, wie eine Anleitung, die erklärt, wie das Produkt verwendet wird, wo es hergestellt worden ist, eine Auflistung der Inhaltsstoffe, und wie das Produkt im Nachhinein recycelt werden kann. 

Da dies Elemente sind, die zur Verpackung gehören, kann genau hier das Auspacken, das sogenannte „Unboxing“, für Konsument*innen zum Erlebnis gemacht werden. Dieses Erlebnis kann einzigartig und spannend für Kund*innen sein und für manche Unternehmen zum Markenzeichen werden, was wiederum die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Kaufs und den Wiedererkennungswert erhöht. 

Gibt es die perfekte Verpackung?

Die perfekte Verpackung gibt es nicht. Aber je selbsterklärender oder intuitiver die Verpackung, desto besser. Es ist einfach ein großer Vorteil, wenn sich aus der Verpackung die Verwendung des Produkts ableiten lässt, denn das bindet die Kund*innen mit ein und macht einfach Spaß. Und wenn das allein mit der Verpackung und deren Komponenten gelingt, dann  grenzt das nahezu an Perfektion. 

Dennoch bleibt Perfektion bis zu einem gewissen Grad subjektiv, denn es hängt am Ende von den Vorlieben der Kund*innen ab. Diese Vorlieben unterscheiden sich nicht nur individuell, sondern können sich auch im Laufe der Zeit ändern. Deshalb variieren die Erwartungen an die „perfekte Verpackung“ in den unterschiedlichen Branchen. Vor 10 bis 15 Jahren spielte etwa der ökologische Aspekt keine wichtige Rolle. Das hat sich über die Zeit stark gewandelt und viele Konsument*innen sind mittlerweile bei diesem Thema sensibilisiert, sodass das Angebot von nachhaltigen Verpackungsmöglichkeiten für einige heutzutage ein Muss ist.

Diese Eigenschaften sollten nachhaltige Verpackungen haben

Welche Merkmale kennzeichnen denn Ihrer Meinung nach überhaupt eine solche nachhaltige Verpackung? 

Eine Verpackung ist erst dann nachhaltig, wenn klar und deutlich zu verstehen ist, welche Eigenschaften diese hat und Kund*innen auf den ersten Blick erkennen kann, wie die Verpackung hergestellt worden ist. Leider ist es eine gängige Praxis, vage Begriffe wie „grün“ oder „öko“ zu verwenden und Kund*innen über die genauen Eigenschaften bestimmter Verpackungen im Unklaren zu lassen. Mich freut es, dass Sie nach den spezifischen Eigenschaften fragen. 

Folgende Eigenschaften sollten aus meiner Sicht der Standard für nachhaltige Verpackungen sein: 

  • Biologisch abbaubare oder kompostierbare Materialien: Wichtig zu beachten ist, dass die Verpackung auch in der Umgebung der Kund*innen abbaubar ist, zum Beispiel auf dem heimischen Kompost.

  • Alternative Druckerfarben: Das wären entweder Druckerfarben, die eine Basis aus Soja- oder Pflanzenöl statt Erdöl verwenden oder Druckfarben auf Wasserbasis.

  • Natürliche Klebstoffe: Hergestellt aus pflanzlichen oder tierischen Produkten, alternativ zu synthetischen oder erdölbasierten Klebstoffen, die von gewissen Ressourcen abhängig sind. 

Das wichtigste Merkmal einer nachhaltigen Verpackung ist, die Transparenz aller wichtigen Informationen zu gewährleisten. Dabei sollte der Fokus auf den Informationen liegen, die Konsument*innen darüber aufklären, wie die Verpackung recycelt oder wiederverwendet werden kann. 

Wer auf nachhaltige Verpackungen umstellt, sollte sich generell mit Umweltschutz auseinandersetzen 

Was müssen Unternehmen beachten, wenn sie auf nachhaltige Verpackungen umsteigen, zum Beispiel bei den Prozessen? 

Vorab sollten sich Unternehmen bewusst sein, dass ein insgesamt längerer Entwicklungsprozess auf sie zukommen wird. Das dauert oftmals länger, da neue Verpackungen getestet werden müssen. Diese Verpackungen können dabei folgende Tests durchlaufen: Stabilitäts- und Alterungstests, Handhabung im Umgang, Transittests, Verpackungsmigrationstests usw. 

Ein weiterer Punkt, der Zeit in Anspruch nimmt, ist das Erreichen der genauen Zertifizierung. Diese bestätigt bestimmte Eigenschaften der Verpackung und hilft dabei, die Glaubwürdigkeit in den Augen der Kund*innen zu festigen. Obwohl es bereits viele nachhaltige Verpackungsoptionen gibt, sollten sie Kompromisse bei der traditionell wahrgenommenen Ästhetik eingehen, wie zum Beispiel bei bestimmten Arten von Veredelungen, Folien oder Hochglanzdrucken. 

Wenn man sich dafür entscheidet auf nachhaltige Verpackungen umzusteigen, sollte man sich generell mit Richtlinien zur Nachhaltigkeit vertraut machen. Denn die alleinige Umstellung auf Öko-Verpackungen kann den Blick der Öffentlichkeit auch auf die eventuell nicht nachhaltige Produktbeschaffung lenken. 

Müssen Unternehmen mit Mehrkosten rechnen?

In der Regel kommen keine Mehrkosten zustande, denn nachhaltige Projekte zielen häufig auf die Optimierung von Materialien und die Reduzierung der Komplexität ab, was schlussendlich die Kosten senken kann. 

Kostentreiber können aber durch die Umstellung auf neue Materialien entstehen, da es sich meist um neue Materialien handelt, die in der Herstellung weniger effizient sind. Auch Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit erhöhen den Zeit- und Kostenaufwand für die Verpackungsimplementierung und sind potenziell mit IP-Rechten [Intellectual Property Law, gewerbliche Schutzrechte, Anm. d. Red.] verbunden.

So können Händler über die Verpackung Werte und Kundenbindung vermitteln

Nachhaltige Verpackungen gehören bei einigen Händlern und Marken bereits zum eigenen Branding dazu. Wie können Unternehmen über die Verpackung Werte vermitteln?

Die Verpackung ist in vielen Fällen der erste physische Berührungspunkt für Kund*innen. Sie sollte das Image der Marke widerspiegeln und auch die Markenwerte und Mission verkörpern. Die Informationen, Bilder und Formulierungen, die auf der Verpackung platziert werden, vermitteln ein bestimmtes Gefühl dafür, was für Ihre Marke wichtig ist. 

So würden zum Beispiel viele Unternehmen, die Wert auf einen engen Kontakt zu ihren Kund*innen legen, eine Information platzieren, wer dieses Paket für sie verpackt hat. Unternehmen, die auf den eigenen Umwelteinfluss Wert legen, könnten für jedes bestellte Paket einen Baum pflanzen und das auf den Verpackungen mitteilen. Das hat Packhelp zum Beispiel dazu inspiriert, eine Partnerschaft mit One Tree Planted zu starten und es Kund*innen zu ermöglichen, der Umwelt etwas zurückzugeben. Es gibt also unzählige und kreative Möglichkeiten, die Werte eines Unternehmens mithilfe der Verpackung zu kommunizieren. 

Mit welchen Mitteln können Online-Händler über die Verpackung mit ihrer Kundschaft kommunizieren?

Alle Arten von zusätzlichen Notizen, handschriftliche Zettel von Marken, Dankesschreiben oder Willkommensnachrichten werden von Online-Händler*innen häufig verwendet. Sie geben ihnen die Möglichkeit, mit ihren Kund*innen persönlich zu werden und ihnen für den Kauf zu danken. Es gibt auch Marken, die QR-Codes auf ihren Verpackungen verwenden, um die Produktinformationen zu optimieren. Gleichzeitig bietet diese Idee Platz, um das intelligente Design zu verbessern. Diese QR-Codes enthalten oft detaillierte Anweisungen zu bestimmten Produkten. Dort finden sich auch Verlinkungen zu speziellen Marketing-Aktionen, Promo-Codes und auch Feedback-Formularen. 

Um einer Verpackung Elemente hinzuzufügen, die auf den ersten Blick nicht zu sehen sind, kann der Einsatz von Augmented Reality (AR) helfen, diese Elemente sichtbar zu machen. Ein großer Vorteil der Augmented Reality ist, dass der Inhalt virtuell ist und sich automatisch aktualisieren lässt und damit kein vorheriger Schritt der Planung verloren geht. 

Wenn die Verpackung so gestaltet ist, dass sie dem Kund*innen länger erhalten bleibt, ist das ein großer Vorteil für den weiteren Nutzen. Die Verpackungen können recycelt werden und eine Schachtel kann zum Beispiel im Nachhinein als Puppenhaus oder Malbuch verwendet werden. 

Verpackungsdesign: Minimalismus ist mehr als ein Trend

Gibt es Fehler beim Design und Branding der Verpackung, die lieber vermieden werden sollten – und warum?

Weniger ist mehr – das gilt auch für nicht klar zusammenhängende Informationen auf Verpackungen. Das ist tatsächlich einer der häufigsten Fehler, die Unternehmen machen.  Sie lassen nicht klar erkennen, welche genaue Botschaft dahintersteckt und welche Bedeutung sie für die Kund*innen hat. Das sorgt bei vielen zunächst für Verwirrung. Es gibt viele Möglichkeiten, notwendige Informationen gut zu integrieren und dabei die Produktverpackung sauber und einfach zu halten. Minimalismus in der Verpackungsgestaltung ist ein Trend, auf den man bei der Gestaltung achten sollte. Dabei geht es nicht nur um den rein ästhetischen Aspekt, sondern um die Klarheit der Botschaft, die damit an Kund*innen gesandt werden soll. 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass virtuell designte Verpackungen nicht zu 100 Prozent so umgesetzt werden können, wie sie auf dem Bildschirm aussehen. Das hat den Grund, dass Farben und Materialien virtuell einfach anders wirken als bei dem produzierten physischen Produkt. Die Intensität der Farbe, die Größe bestimmter grafischer Elemente und die Materialstruktur haben einen Einfluss auf die Kund*innen und ihre Wahrnehmung der Marke. Alle Arten von Prototypen und fertigen Verpackungen sollten deshalb vorher unbedingt gesichtet und vor der Freigabe nochmals gründlich kontrolliert werden. Letztendlich ist es uns wichtig, dass wir unseren Kund*innen nicht das Gefühl geben, unsere Verpackungen seien nicht ordentlich umgesetzt worden oder sie die beigelegten Zutatenlisten mit einer Lupe lesen müssen. 

Vielen Dank für das Gespräch!


Wojtek Sadowski

Wojtek Sadowski, CEO Packhelp
Wojtek Sadowski, CEO Packhelp

ist CEO und Mitgründer von Packhelp. Er hat über 12 Jahre Erfahrung in der Software-, Marketing- und Druckindustrie, leitet bei Packhelp ein Team von über 170 Beschäftigten und entwickelt das Unternehmen kontinuierlich weiter – mit dem Ziel, mit modernster Technologie für jedes Produkt die passende Verpackung zu kreieren und bereitzustellen. Dafür hat das Unternehmen eine Software entwickelt, mit der sich Verpackungen in Größe und Design individuell gestalten und so auf das Notwendigste reduzieren lassen. Sadowski ist zudem Angel Investor und Berater für andere StartUps.