Verbraucher beschwerten sich in den vergangenen Jahren zunehmend über die Qualität bei den hiesigen Post- und Paketzustellung. Darüber haben wir mit Klaus Knab von der Bundesnetzagentur gesprochen.

In den letzten Jahren gab es regelmäßig neue Rekorde bei den Beschwerden über die deutschen Zustelldienste. Was meinen Sie, woran das liegt? 

Tatsächlich steigen die jährlich bei der Bundesnetzagentur eingehenden Beschwerden zu Brief- und Paketdienstleistungen in den letzten Jahren kontinuierlich an. Waren es im Jahr 2017 noch rund 6.100 Beschwerden, so verdreifachte sich die Zahl im Jahr 2019 auf rund 18.000 Beschwerden. Auch die zum ersten Halbjahr 2020 vorliegende Zahl von über 10.000 Beschwerden gibt Anlass zur Vermutung, dass sich zum Jahresende 2020 ein neuer Rekordwert einstellen wird. 

Die Gründe für diese Entwicklung sind nach meinem Eindruck vielfältig. Zunächst spiegelt sich darin die Bedeutung hochwertiger Brief- und Paketdienstleistungen auch im Zeitalter der Digitalisierung wider. Für den Paketbereich gilt das schon aufgrund des boomenden Online-Handels und der damit einhergehenden Zuwächse der Paketsendungen. Aber auch Briefe spielen trotz E-Mail und Messengerdiensten noch eine sehr wichtige Rolle für die Kommunikation und genießen ein besonderes Vertrauen. 

Nicht zu unterschätzen ist auch eine zunehmende Sensibilisierung der Bevölkerung mit Blick auf Verbraucherthemen. Politik und öffentliche Medien rücken diese Themen häufig in den Fokus. Dazu gehört auch die Brief- und Paketzustellung. Dadurch werden Fragen zur Qualität der Postzustellung vermehrt in die breite Öffentlichkeit getragen. Auch ist über die letzten Jahre hinweg der Verbraucherservice Post der Bundesnetzagentur im Bekanntheitsgrad gestiegen. 

Hat Ihrer Meinung nach die Qualität der Logistiker tatsächlich abgenommen oder sind die Erwartungen der Kunden zu hoch (Stichwort: Kostenloser Versand und Retouren)? 

In Deutschland steht den Menschen und den Unternehmen eine qualitativ hochwertige Postversorgung zur Verfügung. Die gesetzlichen Qualitätsanforderungen werden vollumfänglich erfüllt, häufig sogar übererfüllt. In einer im Jahr 2017 von der Bundesnetzagentur durchgeführten Befragung zeigte sich der überwiegende Teil der befragten Privatpersonen und Unternehmen mit den Postdienstleistungen in Deutschland zufrieden. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Gesamtzufriedenheit als auch auf einzeln abgefragte Merkmale wie Zustellhäufigkeit, Laufzeit sowie Briefkasten- und Filialdichte. Der Weltpostverein sieht in seinem jährlichen Qualitätsvergleich der Postdienste von 173 Ländern Deutschland auf Platz 3 nach der Schweiz und den Niederlanden und gefolgt von Japan und Frankreich. 

Dennoch nimmt die Bundesnetzagentur die Beschwerdeentwicklung sehr ernst. Leistungsfähige Infrastrukturen im Postbereich sind von zentraler Bedeutung für die Versorgung der Menschen und der Wirtschaft. Das muss auch für die Zukunft sichergestellt sein.

Was müssen die KEP-Dienstleister unternehmen, um die Kunden in Zukunft wieder zufriedener zu stellen? 

Die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur zeigen, dass es den Unternehmen nicht immer gelingt, ihre Leistungsversprechen vollständig einzuhalten. Trotz des hohen Qualitätsstandards bei der Beförderung von Briefen und Paketen wird sich schon aufgrund der enormen Brief- und Paketmengen nicht vollständig vermeiden lassen, dass es auch zukünftig immer wieder zu einzelnen zeitlichen oder regionalen Mängeln kommen wird. Hier sind die Unternehmen aufgefordert, Hinweisen auf Qualitätsmängel konsequent nachzugehen und Mängel zügig zu beseitigen. Von entscheidender Bedeutung sind diesbezüglich Transparenz und ein kompetentes, gut erreichbares und verbindliches Beschwerdemanagement. Das ist auch wichtig, um das Vertrauen der Menschen in die Unternehmen und ihre Dienstleistungen zu erhalten. 

In den letzten Jahren sind immer mehr Liefer-StartUps gegründet worden. Auch Amazon will sich von den großen Dienstleistern unabhängig machen und stellt bereits jetzt einen großen Teil seiner Pakete selber zu. Meinen Sie, dass sich diese Entwicklung positiv oder negativ für die Kunden und den gesamten Markt auswirken wird? 

Die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs gehört mit zu den Kernaufgaben der Bundesnetzagentur. Wettbewerb sorgt in der Regel für neue Impulse und Innovationen. Den Kunden kommt zusätzlich zugute, dass sie meistens auch mehr Auswahlmöglichkeiten haben. 

Amazon nimmt beim Vergleich mit anderen Postdienstleistern eine besondere Stellung ein. Das gilt vor allem deshalb, weil Amazon als bedeutender Versandhändler auch auf anderen Wertschöpfungsstufen aktiv ist. Hier müssen die weitere Entwicklung und die Auswirkungen auf den Wettbewerb im Postsektor sorgfältig im Blick behalten werden. 

Welchen Einfluss haben Änderungen wie eine Portoerhöhung Ihrer Erfahrung nach auf die Anzahl und Art der Beschwerden? 

Portoerhöhungen können in der Regel zu einem kurzzeitigen leichten Anstieg der eingehenden Beschwerden beim Verbraucherservice Post der Bundesnetzagentur führen. Portobeschwerden fallen aber mit Blick auf das gesamte Jahr kaum ins Gewicht. Der Großteil der Beschwerden entfällt nach wie vor auf Zustellmängel. 

Werden die Beschwerdedaten an die jeweiligen Zustellunternehmen übermittelt? Wenn ja, wie und in welchem Turnus erfolgt das? 

Die bei der Bundesnetzagentur eingehenden Beschwerden zum Postbereich werden alle statistisch erfasst und bezüglich einzelner Beschwerdekategorien zeitlich wie auch regional ausgewertet. Ergeben sich aus Beschwerden Hinweise auf anhaltende bzw. wiederkehrende Mängel, die Auswirkungen auf die gesetzlichen Qualitätskriterien haben können, fordert die Bundesnetzagentur das Postunternehmen auf, den Sachverhalt zu prüfen und bestehende Mängel zeitnah zu beseitigen sowie die gesetzlich geforderte Qualität herzustellen. 

Die Bundesnetzagentur hat allerdings bislang keine gesetzlichen Sanktionsmöglichkeiten. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht Auswertungen und Informationen zu den Beschwerden in ihren Jahresberichten und den alle zwei Jahre erscheinenden Tätigkeitsberichten. Außerdem sind viele Informationen zu Postthemen auf der Internetseite der Bundesnetzagentur abrufbar. So sind z. B. unter dem Link www.bundesnetzagentur.de/post-faq viele Themen aufgelistet, die auch immer wieder Gegenstand von Beschwerden oder Anfragen an die Bundesnetzagentur sind. 

Wie beurteilen Sie die bisherige Reaktion der Zustelldienste auf die Beschwerden? 

Die bisherige Reaktion der Postdienstleister auf die von der Bundesnetzagentur weitergeleiteten Verbraucherbeschwerden ist unterschiedlich. Mängel werden vielfach, wenn auch teilweise zeitversetzt, abgestellt. Des Öfteren ist die Mängelbeseitigung der Postunternehmen aber leider nicht von Dauer. Vor allem Zustellprobleme treten womöglich nach einiger Zeit wieder auf. 

Welche Erfahrung haben Sie mit der Schlichtung von Beschwerden? Werden entsprechende Verfahren von KEP-Dienstleistern und Kunden genutzt? Wie werden diese jeweils bewertet? 

Die Zahl der Schlichtungsanträge nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Waren es im Jahr 2016 noch 40 Anträge, so lagen der Bundesnetzagentur im Jahr 2019 bereits 1.453 Schlichtungsanträge vor. Auch in diesem Jahr wird mit einem weiteren Anstieg der Anträge gerechnet. In der Schlichtung geht es meistens um Probleme bei der Paketbeförderung. In den steigenden Antragszahlen spiegelt sich daher auch das Wachstum des Paketmarktes wider. 

Die Entwicklung zeigt das Bedürfnis der Postkunden nach einer außergerichtlichen Streitbeilegung. Das Verfahren kommt insbesondere bei Verlust, Beschädigung oder Entwendung einer Sendung in Betracht. Im Postbereich scheidet der ordentliche Rechtsweg aufgrund der meist geringen Streitwerte in vielen Fällen faktisch aus. Hier bietet die Schlichtung die Möglichkeit, zumindest im Wege einer umfassenden Abwägung kostengünstig und schnell einen Ausgleich der Interessen zu finden. Leider schließen die meisten Postdienstleister eine Teilnahme an Schlichtungsverfahren in entsprechenden Klauseln ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus. 

 

Vielen Dank für das Gespräch.