Am 9. Juni ist Europawahl und dementsprechend werden die Parteien derzeit auf ihre Inhalte abgeklopft. Im Fokus steht dabei auch die Digitalpolitik, die nicht wenige für einen entscheidenden Faktor halten – gerade in Deutschland, das nicht eben als Digitalisierungs-Vorreiter bekannt ist. Eine Bitkom-Umfrage belegt, dass sich die deutsche Politik in den Augen der Wähler:innen damit nach wie vor schwertut. Die beste Schulnote in Sachen Digitalpolitik erhält dabei die CDU/CSU – für die das Fazit mit 2,8 aber auch nur befriedigend ausfällt. Dahinter folgen die Grünen mit einer Durchschnittsnote von 2,9.

Die Grünen erhalten damit von den derzeitigen Regierungsparteien das größte Vertrauen. Die FDP erhält eine 3,6 und die SPD nur eine 3,9 – das wäre zwar nicht versetzungsgefährdet, es zeugt aber nicht unbedingt von großem Vertrauen in die digitalpolitische Expertise der Parteien. „Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich zwar eine anspruchsvolle digitalpolitische Agenda verordnet, allerdings verfängt dies in der Bevölkerung offenkundig kaum. Die Menschen wollen nicht nur gute Programme, sie wollen praktische Erfolge sehen“, legt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst den Finger in die Wunde.

Kein Vertrauen in die Opposition

Um ihre digitalpolitische Agenda bis zu den nächsten Wahlen umzusetzen, müsse die Bundesregierung Tempo machen. Von den insgesamt 334 Vorhaben, die sich die Ampel-Fraktionen im Koalitionsvertrag und in der Digitalstrategie gegeben haben, sind aktuell 91 umgesetzt, weitere 205 befinden sich in Bearbeitung. 38 Vorhaben wurden noch nicht begonnen. Bitkom trackt die Umsetzung der digitalpolitischen Vorhaben der Bundesregierung in einem interaktiven Dashboard.

Abgesehen von der CDU/CSU, die in der repräsentativen Umfrage noch am besten wegkommt, traut die Bevölkerung den Oppositionsparteien aber sogar noch weniger zu als der aktuellen Regierung. Sowohl das Bündnis Sahra Wagenknecht (Durchschnittsnote 4,0) als auch AfD (4,1) und die Linke (4,2) können die Menschen mit ihren digitalpolitischen Konzepten nicht überzeugen.

Bitkom spricht sich einmal mehr für ein eigenes Digitalministerium aus, das sich komplett auf digitalpolitische Themen konzentriert. Derzeit fallen digitale Themen weitgehend in den Arbeitsbereich von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), wobei auch andere Ressorts an ihren eigenen digitalpolitischen Themen arbeiten – ein Flickenteppich, der dem Stellenwert der Digitalisierung nicht gerecht wird. „Nach den Wahlen 2025 gehört ein starkes Digitalministerium ganz oben ins Pflichtenheft der Bundesregierung“, so Wintergerst.

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Reform der DSGVO und grüne Digitalpolitik

In ihren digitalpolitischen Inhalten und auch in ihrer Gewichtung unterscheiden sich die Parteien teils enorm. Die vergleichsweise gute Bewertung der CDU/CSU in der Bitkom-Befragung überrascht dabei umso mehr, denn im Kern sieht sich die Union nicht als Digitalpartei. Im Wahlprogramm für die anstehende Europawahl werden digitale Themen „oft nur kurz angeschnitten, wenn sie für andere christdemokratische Kernthemen wie Sicherheit oder Wettbewerbsfähigkeit relevant sind“, so Basecamp. Die Union bleibt dabei oft vage. Konkret wird es allerdings bei der Forderung nach einer Reform der DSGVO und einem einheitlichen Datenschutzrecht.

Bei den Grünen werden digitalpolitische Themen dagegen sehr ausführlich besprochen (mit 114 Seiten haben sie auch das umfangreichste Wahlprogramm). Wenig überraschend stehen Forderungen hier häufig im Kontext des übergeordneten Ziels der Klimaneutralität. So fordern die Grünen etwa einen „Digital Sustainability Act“ für digitale Nachhaltigkeitsstandards. Zudem ist eine wirksame KI-Regulierung ein wichtiger Fokus. Die Grünen sprechen sich darüber hinaus strikt gegen Massenüberwachung aus.

Digitalisierung für den Menschen und für die Freiheit

Dafür will sich auch die SPD einsetzen. Die aktuelle Kanzlerpartei fokussiert in dem eigenen Unterkapitel „Digitalisierung für die Menschen“ Themen wie Datenschutz und Privatsphäre und den Kampf gegen Desinformation. Die SPD will die DSGVO weiterentwickeln und Bürokratie mit technologischer Hilfe abbauen. Der Digital Services Act (DSA) und der AI Act sollten im Sinne des Schutzes der Menschen im digitalen Raum umgesetzt werden.

Die FDP geht in eine völlig andere Richtung. Das oberste Ziel ist bei den Liberalen der „freie, selbstbestimmte Bürger“, der vor staatlichen Eingriffen und Bürokratie geschützt wird. Die Digitalisierung gilt als eines der Kernthemen der Partei und soll stets einer starken Wirtschaft und der Freiheit der Bürger:innen dienen. Die DSGVO müsse entbürokratisiert werden, die EU soll zu einem „Hotspot für KI“ werden und Vorratsdatenspeicherung lehnt die Partei ab.

Recht auf „analoges Leben“ und Wohl der Gesellschaft

Bei BSW, AfD und Linken spielen digitale Themen insgesamt eine untergeordnete Rolle. Die Digitalisierung ist kein klassisch linkes Thema und soll eher ein Werkzeug für das Wohl der Gesellschaft sein. Die Linke lehnt staatliche Datenausspähung und Datenspeicherung ab und will generell die weitere Kommerzialisierung von Daten verhindern. KI müsse bei Grundrechtseingriffen grundsätzlich verboten werden. Die Linke fordert digitale Teilhabe für alle und ein Recht auf analoges Leben.

Das fordert auch die AfD, damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon wieder auf. Die AfD setzt auch bei digitalpolitischen Inhalten auf ihre Kernthemen. Überstaatliche Regulierung wird abgelehnt. Mit Blick auf den Fachkräftemangel werden technische Lösungen (z. B. KI und Robotik) vor menschlicher Zuwanderung priorisiert. Soziale Medien und Plattformen müssten unabhängig bleiben, eine „Zensur“, etwa durch die DSGVO oder den DSA, wird abgelehnt. Ein komplett digitalisierter Unterricht wird aus „Sorge ums Kindeswohl“ ebenfalls abgelehnt.

Beim BSW spielen digitale Themen kaum eine Rolle. Digitalisierung sei vor allem ein gesamteuropäisches Projekt zum Umbau der EU. Der DSA müsse als „staatliche Umsetzung der Cancel Culture“ zurückgenommen und die Macht von Digitalkonzernen begrenzt werden.

Digitalpolitik vor allem zwischen den Zeilen

Bei der Analyse der Wahlprogramme zeigt sich, warum die Deutschen insgesamt eher wenig Vertrauen in die digitalpolitischen Kompetenzen der Parteien haben. Digitalisierung und Digitalpolitik spielen zwar in vielen Bereichen eine Nebenrolle, aber kaum eine Partei setzt sich dezidiert mit dem Digitalen als eigenem wichtigen Politikfeld auseinander.

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