Es ist ein typisches Phänomen des Online-Handels: Kunden bestellen Waren – und ja… senden sie aus vielerlei Gründen zurück. Amazon hat jedoch bei einigen Kunden die Notbremse gezogen und Konten gesperrt. Doch die Kontensperrungen sind teilweise unzulässig, wenn sie den ehemaligen Kunden einen Zugriff zu ihren gekauften digitalen Diensten verwehren.

 

Zu hohe Retouren: Kontoschließungen vergraulen Nutzer

Bereits 2013 ist Amazon – neben anderen Online-Shops wie Tchibo – in die Schlagzeilen geraten, weil unzählige Kundenkonten gesperrt wurden. Scheinbar ohne Vorwarnung und kompromisslos wurden die Konten zahlreicher Kunden geschlossen. Die Begründung durch Amazon lag damals in der „Überschreitung der haushaltsüblichen Anzahl an Retouren“. Betroffenen Kunden der Amazon-Kontensperrungen wurden zukünftige Bestellungen versagt. Auf eine Neuanlegung von Konten solle außerdem verzichtet werden.

Obwohl Amazon auf „Ausnahmefälle“ und „eingehende umfassende Prüfung“ verwies, haben sich immer mehr Betroffene bei der Verbraucherzentrale NRW über die Geschäftspraktik beschwert. Amazon hatte die Vorwürfe jedoch bis zum Schluss zurückgewiesen und auch nach einer entsprechenden Abmahnung nicht eingelenkt. Schließlich entschied das Oberlandesgericht Köln vergangene Woche und brachte zumindest zeitweilige Klärung.

Rauswurf: Kein Entzug der gekauften digitalen Inhalte

Es gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit (Vertragsautonomie). Dieser besagt, dass jeder – in gewissen Grenzen - das Recht hat, frei darüber zu entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen er Verträge abschließen will. Brisant an der Kontensperrung bei Amazon ist jedoch die damit einhergehende Zugriffsbeschränkung auf gekaufte digitale Inhalte (z. B. Kindle Ebooks oder Musik). Der Grundsatz der Vertragsfreiheit kann nicht so weit reichen, dass mit einer Kontensperrung auch automatisch alle gekauften digitalen Inhalte wertlos werden.

Ähnlich sah es das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 26.02.2016, Az.: OLG Köln 6 U 90/15 - nicht rechtskräftig). Die maßgebliche Klausel, die Amazon bei Verstößen gestattet, "Services auf der Website vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern" ist nicht zulässig.

Verbraucherzentrale stellt Musterschreiben an Amazon zur Verfügung

Anders als reine Warenversender bietet Amazon umfassende digitale Dienste wie Musik, Hörbücher und E-Books an. Als Besitzer eines Kindle haben sich Amazon-Kunden jedoch an das Unternehmen (und seine Cloud) gebunden. Wird man auf Amazon mit seinem Kundenkonto gesperrt, können somit keine Kindle-Bücher mehr gekauft werden bzw. die in der eigenen Bibliothek abgespeicherten Bücher nicht mehr abgerufen werden. Die Einschränkung beim Zugriff auf das Kundenkonto kommt damit einer Enteignung gleich.

Weil es nur sehr weniger Nutzer wagen, sich gegen Amazon zu wehren, eilte die Verbraucherzentrale NRW zu Hilfe. Sie möchte betroffene Nutzer aktiv unterstützen und stellt eigens ein Musterschreiben zur Verfügung. Ob Amazon dieses ernst nimmt, bleibt abzuwarten.
Auch Händler sind häufig von Kontensperrungen bei Amazon betroffen. Besonders kritisch bei der Suspendierung des eigenen Accounts sind die drohenden Umsatzeinbußen. In diesem Whitepaper finden Sie Tipps zur ersten Hilfe.