Amazon sperrt erneut zahlreichen Sellern das Guthaben und die Emotionen kochen hoch.

Dass Händler:innen ihr Amazon-Konto aufrufen und plötzlich lesen „Ihr Account wurde vorübergehend deaktiviert“, ist nichts Neues, denn dieses Vorgehen praktiziert Amazon schon immer. Viele Betroffene fühlen sich jedoch nicht nur gegängelt, sondern sogar in ihrer Existenz bedroht und das europäische Recht spielt Amazon dahingehend sogar in die Karten. Jüngst kam es wieder zu Sperrungen von Guthaben zahlreicher Seller und man fragt sich, was wirklich dahintersteckt.

Des Pudels wahrer Kern

Amazon, der Gigant des Online-Handels, scheint mal wieder seine Verantwortung (und Macht) auszuspielen und sperrt die Accounts seiner Marketplace-Händler:innen. Das alles geschieht unter dem Deckmantel der Einhaltung von Gesetzen und hauseigenen Vorschriften. Ob kleiner oder großer Shop: Sowohl Amazon selbst als auch das deutsche und europäische Recht legen, da beißt die Maus keinen Faden ab, Unternehmen Vorschriften auf, die einzuhalten sind. Punkt.

Angefangen bei Amazons hauseigenen Bilder-Richtlinien bis hin zu hochkomplexen EU-Steuergesetzen. Nicht immer fällt es da leicht, alle Richtlinien zu wahren. Verständlich. Doch warum macht Amazon dann so einen Stress? Ganz einfach: Um seiner Mithaftung zu entgehen. Zumindest ist das die offizielle Version.

Seit einigen Jahren holt der deutsche Gesetzgeber Plattformen wie Amazon ins Boot, weil man es hierzulande selbst nicht schafft, sich um die Gesetzestreue seiner Bürger:innen zu kümmern (*an dieser Stelle bitte einen tiefen Seufzer einfügen*) Ergo: Für die Einhaltung der diversen Verpflichtungen haftet Amazon im Zweifel mit, wenn der Marktplatz nichts gegen diese tut, sie aktiv verhindert und/oder duldet, und möchte sich also lediglich rechtlich absichern.

Und das kommt auch den Endkund:innen zugute, denn sie profitieren von einem sicheren, transparenten und fairen Marktplatz, bei dem sie ruhigen Gewissens einkaufen können, indem potenziell betrügerische Händler:innen oder minderwertige Produkte schnellstmöglich aus dem Angebot entfernt werden.

Doch diese ganzen an sich legalen Sanktionen nutzt der Marktplatz, und das könnte des Pudels wahrer Kern sein, womöglich vollkommen unbehelligt zu seinen Gunsten.

Erst schießen, dann fragen?!

Jüngst setzte Amazon wieder die Daumenschrauben bei seinen Händlern an, die offenbar bei der Einhaltung von Steuervorschriften Nachholbedarf haben. Dabei wirft vor allem die Umsetzung Fragen auf. Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle ist besser, denkt sich offenbar der Algorithmus und würfelt bei Ungereimtheiten einen Textbaustein aus, der in seiner Härte ganze Existenzen bedrohen kann. Ob die Vorwürfe überhaupt begründet sind, wird dabei offenbar gar nicht berücksichtigt. „Alles, außer meine Socken habe ich dorthin geschickt“, kommentierte ein Betroffener seine Verteidigungsversuche. Ein Schelm, wer Böses denkt, wenn es einen kleinen Spielzeughändler mitten in der Vorweihnachtszeit trifft.

Tatsächlich sind nicht alle Verdächtigungen auch Täter:innen. Die Betroffenen hingegen bleiben im Dunkeln zurück, ohne zu wissen, was sie falsch gemacht haben sollen oder wie sie sich verteidigen können. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch äußerst bedrohlich für die Existenz vieler Kleinhändler:innen, die von ihrem Amazon-Geschäft abhängig sind. In vielen Fällen würde es genügen, einfach mal zu fragen, statt gleich die gelbe Karte zu ziehen. „Uns wäre fast die Puste ausgegangen“, teilt ein Händler seine Erfahrungen zu zwei Monaten Guthabensperrung im Weihnachtsgeschäft. 

Ökonomischer Geniestreich oder Arroganz?

Niemand will Amazon die Verantwortung gegenüber seinen Händler:innen und damit gegenüber einem fairen und sicheren Handeln absprechen, denn dieser hat vor allem auch Verbraucher:innen im Fokus und nützt damit einem fairen und sicherem E-Commerce im Ganzen. Doch jede Händlerin mehr, bedeutet mehr Einnahmen. Jeder Händler weniger ist auch ein Konkurrent weniger. Dafür braucht man keine Experten.

Holterdiepolter Kontensperrungen und -sanktionen sind jedoch kein sinnvoller Weg, um potenzielle Missstände zu bekämpfen. Durch die vielen Sanktionen und die Abkehr der vielen Händler:innen verlieren auch die Kund:innen den Zugang zu bestimmten Produkten oder Marken, die sie schätzen und denen sie vertrauen. Daher könnten die Kontensperrungen zu einem Mangel an Vielfalt und Wettbewerb auf der Plattform führen, was letztendlich zu höheren Preisen führen könnte. Die zahlreichen Händler:innen, die den Marktplatz so bunt und vielfältig machen, wenden sich schon jetzt mehr und mehr ihren eigenen Shops zu. Aber wir alle wissen: Wenn es so einfach wäre, Amazon das Feld zu überlassen, könnte sich der Marktplatz die vorgeworfene Überheblichkeit gar nicht leisten, weil dann die Händler:innen schon weg wären.

Neben den umfangreichen Leistungen in puncto Rechtssicherheit im Online-Handel bietet der Händlerbund schnelle Hilfe, wenn Guthaben einbehalten oder das (komplette) gewerbliche Verkäuferkonto bei Amazon.de gesperrt wurden. Mit dem Professional-Paket stehen Unternehmen neben vielen weiteren Leistungen nicht nur eine Rechtsberatung, die Übernahme der Kommunikation mit Amazon Deutschland, sondern auch die gerichtliche Vertretung zu. Weitere Informationen finden Sie hier.

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