Weil die Plattform Kundenkonten ohne vorherige Warnung löscht, sind viele Kunden verärgert. Ist das überhaupt erlaubt und was kann man tun?

Als rigide und kundenfeindlich könnte man die Verfahrensweise, die Amazon in Sachen Kundenkonten anwendet, umschreiben. „Ihr Konto wurde gesperrt. Wir senden Ihnen eine Nachricht mit dem Grund für die Sperrung und informieren Sie darüber, wie Sie das Konto wieder aktivieren können.“ oder „Wir müssen Sie darauf hinweisen, dass wir aufgrund der Überschreitungen der haushaltsüblichen Anzahl von Retouren in Ihrem Kundenkonto zukünftig leider keine weiteren Bestellungen entgegennehmen können und Ihr Amazon Konto mit sofortiger Wirkung schließen“ lauten die Nachrichten, die Amazon dann ohne Vorankündigung versendet.

Die Gründe, die dahinter stehen, werden den Kunden jedoch oft nicht nachvollziehbar mitgeteilt und können daher von einer zu hohen Retourenquote, deren Grundlage ungewiss ist, bis hin zur betrügerischen Verwendung des Accounts gehen. Aufhalten können betroffene Kunden die Entscheidung jedoch offenbar nicht mehr.

Sperrung von Amazon-Konten: Vertragsfreiheit versus Kundenservice

Der erste Ansatz, den man bei den Kontensperrungen betrachten muss, ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit (Vertragsautonomie). Dieser besagt, dass jeder in gewissen Grenzen das Recht hat, frei darüber zu entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen er Verträge abschließen will. Das kennt man schon aus dem Miet- oder Arbeitsbereich, wo Verträge regulär immer gekündigt werden können oder aus diversen Gründen gar nicht erst abgeschlossen werden. Dieser Aspekt wird auch für die Zulässigkeit der Kontensperrung bei Amazon herangezogen.

Zudem hat Amazon auch das Recht, die Bedingungen in gewissen Grenzen in seinen AGB festzulegen. Wer damit nicht einverstanden ist, muss sich auf der Plattform nicht anmelden oder kann kündigen. Problematisch bei den Kontensperrungen ist jedoch in den meisten Fällen genau diese fehlende und unklare Regelung zur Kontensperrung in den AGB. Dort heißt es auszugsweise (Stand Juni 2021):

„Sie dürfen einen Amazon Service nicht verwenden: (i) in einer Weise, die dazu geeignet ist, den Amazon Service oder den Zugang dazu zu unterbrechen, zu beschädigen oder in sonstiger Art zu beeinträchtigen, oder (ii) für betrügerische Zwecke oder in Verbindung mit einer Straftat oder rechtswidrigen Aktivität oder (iii) um Belästigung, Unannehmlichkeiten oder Angst zu verursachen.

Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Amazon Services vorzuenthalten oder Konten zu kündigen, wenn Ihr Verhalten berechtigten Grund dazu gibt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Sie gegen anwendbares Recht, vertragliche Vereinbarungen, unsere Richtlinien oder unsere Grundsätze verstoßen, die sämtlich auf unserer Webseite zugänglich sind. Ungeachtet einer solchen Einschränkung oder Kündigung haben Sie weiterhin Zugriff auf von Ihnen zuvor erworbene Inhalte und Dienstleistungen.”

Zu viele Retouren dürften also allein nicht der Grund sein, dass Kunden ihre Accounts vorenthalten werden, denn dazu konnten wir gar keine Hinweise oder Beschränkungen in den Grundsätzen finden. Auch andere Gründen, die zur Vorenthaltung der Services oder der Accountsperrung führen könnten, sind für den Durchschnittskunden kaum bis gar nicht nachvollziehbar.

Fazit: Amazon darf sehr wohl einer missbräuchlichen Verwendung der Konten widersprechen und schlimmstenfalls das Konto sperren. Das aber nur, wenn vorab klar und transparent informiert wird, was denn dazu führen kann. Das tut Amazon aber derzeit nicht, denn die Regelungen sind unklar und unübersichtlich oder finden sich, wie im Falle der Retouren wegen Überschreitung der haushaltsüblichen Menge, gar nicht in den Bedingungen wider.

Kontensperrung nicht grenzenlos

Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Selbst wenn Amazon im konkreten Fall dazu berechtigt wäre, einen Account endgültig zu schließen, geht das nicht grenzenlos und uneingeschränkt. Wichtig ist dafür der letzte Satz der zitierten Klausel („Ungeachtet einer solchen Einschränkung oder Kündigung haben Sie weiterhin Zugriff auf von Ihnen zuvor erworbene Inhalte und Dienstleistungen.”), denn Amazon darf auch nach einer Sperrung, aus welchen Gründen auch immer, den Zugang zu bereits erworbenen digitalen Inhalten nicht verwehren. Dieser Satz ist das Resultat aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 26.02.2016, Az.: OLG Köln 6 U 90/15), welches die Verbraucherzentrale erfolgreich erstritten hatte.

Auch wenn Nutzer Zugriff auf ihre erworbenen digitalen Inhalte haben, können sie für die Zukunft keinen weiteren digitalen Inhalt erwerben, kritisiert die Verbraucherzentrale. Amazon-Prime-Nutzern stehe daher ein anteiliger Erstattungsanspruch des gezahlten Jahresentgeltes zu.

Musterschreiben der Verbraucherzentrale soll Betroffenen helfen

Immer noch ist die Verbraucherzentrale aktiv im Einsatz gegen die Sperrungen. Nur wenige betroffene Kunden haben den Nerv oder die Zeit, sich gegen die Macht (und subjektiv gefühlte Ungerechtigkeit) des US-Riesen Amazon zur Wehr zu setzen. Zu gering scheinen die Chancen auf Erfolg. Nichtsdestotrotz ist die Plattform nach wie vor ein attraktiver Anlaufpunkt und für viele Menschen erste Adresse bei Online-Bestellungen.

Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt will betroffene Kunden daher weiterhin aktiv unterstützen und stellt eigens ein Musterschreiben zur Verfügung. Dieses ist hier editier- und abrufbar. Nutzer von Amazon Service-Diensten sollten im Fall der Kündigung sofort prüfen, ob ihnen der Zugang zu ihren bereits erworbenen digitalen Inhalten weiterhin gewährt wird. Ist das nicht der Fall, dann können die Verbraucher mit Hilfe dieser interaktiven Briefvorlage darauf reagieren, so der Rat der Verbraucherschützer.

Ob sich Amazon davon beeindrucken lässt?