In den USA muss Amazon gerade für den Mangel an einem FBA-Produkt gerade stehen. Unsere zwei Rechtsexperten diskutieren, ob Amazon haftbar gemacht werden sollte oder nicht.

 

Bei dem Amazon-Dienst FBA (Fulfillment by Amazon) erfolgt das Verpacken und das Versenden durch Amazon, der Verkauf allerdings durch einen Händler. Dieser muss für die Beschaffenheit der Produkte gerade stehen – eigentlich, denn: Gerade hat ein US-amerikanisches Gericht entschieden, dass Amazon hier für den Schaden haften muss, der durch ein explodiertes Notebook-Akku entstanden ist. Könnte dieser Fall zur Blaupause für Deutschland werden?

Pro Haftung: Ein rosa Elefant namens Amazon

- von Sandra May


Tritt an einem Produkt ein Sachmangel auf, greift das Gewährleistungsrecht. Der Kunde kann sich hier also direkt an den Verkäufer wenden, um Ansprüche geltend zu machen. In der Regel wird es dabei um die Nacherfüllung gehen. Wird der Kunde aufgrund eines Mangels, wie etwa eines explodierten Notebook-Akkus verletzt, kommen außerdem noch Schadensersatzansprüche in Frage. 

Dabei ist erst einmal grundsätzlich egal, ob das mangelhafte Produkt aus dem händlereigenen oder aber via Fulfillment bei Amazon versendet wurde. Das erscheint logisch, denn es handelt sich bei der Gewährleistung nun einmal um einen vertraglichen Anspruch und der Vertrag ist zwischen dem Käufer und dem Verkäufer zustande gekommen. Amazon hat da erst mal wenig mit zu tun.

Allerdings erscheint das teilweise etwas unfair: Immerhin räumt sich Amazon viel Spielraum ein. Der Marktplatz fungiert eben nicht nur als stiller Vermittler zwischen den Parteien, von dem man nichts mitbekommt. Amazon ist laut und riesig. Eben der rosa Elefant im Raum, der so präsent ist, dass der Käufer teilweise gar nicht mehr mitbekommt, dass dahinter noch der kleine Händler steht. Es erscheint also schon etwas unfair, dass allein der Händler in der Haftung ist, zumal nie ganz ausgeschlossen ist, dass ein Mangel eben auch durch die Lagerung bei Amazon entstanden sein kann. 

Momentaufnahme: Ansprüche gegen Amazon schwierig durchsetzbar

Im Moment ist der Weg der folgende: Der Käufer macht seine Ansprüche beim Händler geltend und dieser kann – sollte der Fehler auf der Seite von Amazon liegen – eben dort auf Grundlage des FBA-Vertrages den Schaden wieder rein holen. 

In der Theorie könnte der Käufer aber bei einer Verletzung am Körper, der Gesundheit oder dem Eigentum auch direkt Ansprüche an Amazon stellen. Dazu muss er allerdings nachweisen, dass der Schaden durch Amazon schuldhaft, also durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit, verursacht wurde. Dies wird praktisch kaum möglich sein. Es ist einfacher, Schadensersatz beim Verkäufer geltend zu machen.

Dieser muss erst mal unabhängig davon, ob er was für den Schaden kann, zahlen. Hier mag man vielleicht denken, dass dies gut für den Käufer ist: Schließlich ist das einfacher und er hat erstmal sein Geld. Kommt es allerdings zu teuren Schäden – und das muss nicht einmal die durch einen explodierten Akku verbrannte Hand sein, auch der Schaden durch eine auslaufende Waschmaschine kann schnell sehr hoch sein – hat der Käufer möglicherweise das Problem, dass der Anspruch gegen den Händler zwar besteht, dieser aber einfach nicht liquide ist. Amazon hingegen wäre in Sachen Vermögen wohl das attraktivere Ziel.

Amazon ist Richter und Henker in einem

Neben den praktischen Erwägungen, die für eine Haftung von Amazon für FBA-Produkte sprechen, kommt aber noch hinzu, dass Amazon nun einmal eine sehr große Rolle spielt. Amazon greift in jeder Hinsicht stark in das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer ein. Dramatisch ausgedrückt ist der Marktplatz Richter und Henker in einem. Amazon behält es sich vor, im Falle eines Streites zu entscheiden, wer welche Rechte hat. Dass dabei nicht unbedingt die Gesetzeslage zu Grunde gelegt wird, ist längst kein Geheimnis mehr. Im Fokus steht das Fördern der Kauffreude und diese wäre getrübt, wenn die Käufer häufiger nicht mehr Recht bekommen würden. Tanzt der Händler nicht nach Amazons Nase, droht die Kontensperrung. Wieso sollte Amazon also aus der Haftung heraus sein? Wer sich so in das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer einmischt, sollte auch zumindest mithaften, wenn etwas schief geht. Den Erfolg schreibt sich der Marktplatz ja schließlich gern auf die Fahne. 

Contra Haftung: Rolle als Plattform

– von Melvin L. Dreyer

Eltern haften für ihre Kinder, Verkäufer für ihre Waren. Während ersteres nur mit mindestens einem Auge zugedrückt halbwegs richtig ist, gilt letzteres aus dem Hintergrund des Vertrags heraus: Da hat sich jemand verpflichtet, jemandem eine Leistung zu bringen, also muss er oder sie das auch erfüllen. Zu dieser Leistung gehört nicht nur, dass sie im Zeitpunkt der Vertragserfüllung hübsch da steht und vielleicht ein bisschen edel glänzt, sondern dass sie den künftigen Eigentümer auch nicht verletzt, weil sie mangelhaft ist.


Das ist eine mögliche Option, warum jemand „haften“ muss. Dann gibt es natürlich auch den Aspekt des Delikts: Auch wer zumindest fahrlässig bestimmte Rechtsgüter eines anderen beschädigt, muss unter Umständen haften. Etwa, wenn man seinem Nachbarn einen Ziegelstein durch das Wohnzimmer wirft – auch dann, wenn dessen Klingel nicht funktioniert hat. Weiter gibt es auch die Möglichkeit, als Hersteller eines Produkts für bestimmte Schäden aufkommen zu müssen, die durch die Fehlerhaftigkeit der Ware veranlasst wurden. Wer in irgendeiner Art haften muss, tut das in aller Regel aus einer Verantwortung heraus.

Es geht natürlich um Verantwortung

Hier nun hat Amazon zu haften. Nicht offenbar, und das ist wichtig festzustellen, nur auf Grund der bloßen Funktion als Marktplatz, sondern weil das Unternehmen auch das Fulfillment übernommen hat, was das entscheidende Gericht dazu veranlasst hat, Amazon in dieser Funktion einen eigenen Platz in der Lieferkette zu geben. Den leitet es also, soweit sich das erkennen lässt, vor allem aus Aspekten ab, die das Verhältnis Amazon und Dritthändler betreffen. Wo der Händler nun auf Amazon zurückgreift und sich Amazon im Gegenzug in das Geschäft des Händlers, zu nicht geringen Teilen einmischt, sollte es gegenüber dem Händler auch eine gewisse Verantwortung tragen.

Produkthaftung für Marktplätze?

Im Verhältnis zum Kunden wird Amazon zwar mitunter auch dann als Anbieter des Produkts wahrgenommen, wenn dieses in Wirklichkeit von einem Dritthändler verkauft wird. Doch prinzipiell und abgesehen von dieser Fehlvorstellung ist Amazon das nicht. Anbieter bleibt der den Marktplatz nutzende Händler. Vor diesem Hintergrund bräuchte es nun Gründe, Amazon in die Rolle zu bringen, in welcher es eine Haftung für Schäden übernehmen muss, die eines der durch ein Dritten verkauften Produkte ausgelöst hat.

Ein valider Grund wäre etwa, dass Amazon selbst nicht deutlich macht, wer der eigentliche Verkäufer der Ware ist – sich die Haftung also quasi aus einem selbst erzeugten Rechtsschein heraus ergibt. Das „bloße“ Auftreten als Marktplatz gegenüber dem Käufer liefert aber doch recht wenig Ansätze, welche eine Produkthaftung in dieser Konstellation rechtfertigen. Keine Frage, dass Amazon auch in dieser Beziehung Fäden in der Hand hält. Und ist ein Produkt zum Beispiel im Fulfillment falsch gelagert worden und in Folge dessen ein Schaden entstanden, dann gibt es wiederum gute Gründe dafür, dass Amazon dafür aufkommen sollte. Doch dies vielleicht eher gegenüber dem Verkäufer, der sich mit den Ansprüchen des Käufers auseinandersetzen muss.

Plattform noch mehr zum Gatekeeper machen?

Zöge man Amazon nun direkt gegenüber dem Käufer in die Verantwortung, die eigentlich jene eines Händlers, ggf. auch Herstellers ist, dann hat das auch Einfluss auf die Bedeutung des Unternehmens und lässt die Grenzen beim Auftreten der Plattform in der Doppelrolle als Marktplatz und Verkäufer weiter verschwimmen – eine Entwicklung, die schon besteht und irgendwo auch zur wachsenden Bedeutung des Unternehmens beiträgt. Ob man diese weiter wachsen lassen möchte, in dem man der Plattform zu noch mehr praktischer Bedeutung gegenüber Verbrauchern und Kunden verhilft, das ist eben eine Frage, die man sich auch stellen muss.