Ein Gericht hatte Amazon die Sonntagsarbeit in der Weihnachtszeit vor einiger Zeit erlaubt. Ein anderes Gericht widersprach dem ersten Urteil. Und die Frage nach der Rechtmäßigkeit beschäftigt die deutschen Gerichte auch weiterhin. Unsere Juristin Yvonne Bachmann hat sich mit dem Thema beschäftigt und kommt zu dem Schluss: Pro Sonntagsarbeit!

Der Sonntag ist Ruhetag! (Eigentlich müsste arbeitsfrei bitteschön an einem „Frei“tag sein, aber das nur mal so am Rande). Den heiligen Sonntag gab es vielleicht noch vor fünfzig Jahren. Die Realität sieht ganz anders aus: Waren Sie schon einmal an einem Sonntag auf dem Leipziger Hauptbahnhof? Der quillt dann aus allen Nähten und ist nur etwas für ganz Hartgesottene. Jeder zweite Leipziger schleppt Kind und Kegel mit in die dort auch an regulären Sonntagen geöffneten Geschäfte, um noch etwas gaaaanz Wichtiges einzukaufen oder um schlicht und einfach die Zeit totzuschlagen. 

Wenn die Konsumlust beim Tatort eskaliert...

Die Menschen möchten sonntags nichts bei Oma auf dem Kanapee rumsitzen und sich an die Gurgel gehen. Und wenn sie doch auf dem heimischen Sofa kleben bleiben, shoppen sie in den 24/7 geöffneten Shops, dass sich die Balken biegen. Es gibt ihn nicht mehr, den heiligen Sonntag … Warum also nicht gleich noch etwas fürs Bankkonto tun?

Ich selbst musste schon an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen ran – mit Kleinkind und Familie und einem Leben und so … und ich habe es überlebt. Ich habe mich nicht darum gerissen. Aber Arbeit ist nun mal Arbeit und wie ich meine 40 Stunden verteile, ist doch egal. Also warum nicht auch mal abseits der ausgetretenen sonntäglichen Pfade wandern und ein paar Pakete im Amazon-Lager packen, damit die Kollegen in der ersten Montagsschicht nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil die Konsumlust der Deutschen während des Tatort-Schauens eskaliert ist ...

Auch der Blick über die Landesgrenze zeigt: Unsere europäischen Nachbarn öffnen ihre Geschäfte das ganze Wochenende, an heiligen christlichen Feiertagen oder auch bis in die späten Abendstunden. Die Dänen setzen einfach ein paar Schüler hinter die Supermarktkasse, sogar an den Weihnachtsfeiertagen. Und auch die Spanier scheinen den heiligen sonntäglichen Kirchgang irgendwie einzutakten. 

Redakteurin Yvonne Bachmann

Mittlerweile rücken auch die Behörden hierzulande immer mehr von ihrem Weltbild ab. Im Falle von Amazon resultiert das in einem ständigen Auf und Ab. Die Sonntagsarbeit wird erlaubt und später von der x-ten Instanz wieder einkassiert. Der Mitarbeiter im Bahnhofssupermarkt hat auch eine Familie. Die ist aber nicht so wichtig wie die des Amazon-Pickers, oder was?

Liebe Obrigkeit und liebe Sonntagsprediger! Wir haben eine EU-Grundrechtecharta. Da steht schon drin, dass alle Arbeitnehmer wöchentliche Ruhezeiten haben sollen. Die will, kann und soll ihnen auch niemand nehmen. Man kann auch an Wochentagen ein paar Augenblicke Sonntag haben und ein gepflegter Mittwoch verspricht nicht weniger Ruhe als der Sonntag mit quengelnden Kindern und einer nörgelnden Schwiegermutter am Mittagstisch? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin auch gegen Ausbeutung und so – und viele Menschen befürchten genau das bei der Sonntagsarbeit. Doch wer an Werktagen ausbeutet, beutet auch an Sonntagen aus und umgekehrt. Mit fairen Regelungen zu Überstunden, Ruhezeiten und einem netten Zuschlag ist gegen das Arbeiten am Sonntag doch nichts zu sagen.