Amazon hat ein Problem mit gekauften Bewertungen, die nicht als solche gekennzeichnet sind. Das ist vollkommen okay, schließlich steht die Aufrichtigkeit des Inhalts in Frage, wenn für das Ergebnis Geld geflossen ist oder es ähnliche Vorzüge gab. Rechtlich gegen gegen solche Rezensionen vorzugehen, ist daher ganz grundsätzlich gesehen ebenfalls legal. 

Was war passiert? Amazon begehrte vor dem Landgericht Frankfurt am Main (AZ.: 2-06 O 474/18) im Wege des Eilverfahrens das Verbot der Veröffentlichung von Produktrezensionen, die bezahlt, aber nicht derart gekennzeichnet waren. Wie sich dem Beschluss des Gerichts entnehmen lässt, holte das Unternehmen dabei argumentativ weit aus: Es handele sich um eine „Irreführung wegen Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks einer geschäftlichen Handlung“, zusätzlich werde der Verkehr durch die Veröffentlichung in die Irre geführt. Außerdem sei so etwas als „unzulässige getarnte Werbung“ zu betrachten, und schließlich als „gezielte Behinderung“, weil Amazons Ruf auf diese Weise beeinträchtigt würde – „Kunden könnten insofern das Vertrauen in die auf Amazon veröffentlichten Bewertungen verlieren“, heißt es im Beschluss weiter.

Amazon holt aus

Amazon packt also die Keule aus. Nur will es „den Richtigen“ damit schlagen? Denn wenn nun der Ruf des Unternehmens geschädigt wird, ist es dafür an irgendeinem Punkt selbst verantwortlich: Jemand, der eine gekaufte Bewertung bei Amazon veröffentlicht, kann alles richtig machen und einen Hinweis auf die geschäftliche Handlung hinter der Rezension angeben, und sich am Ende doch mit Amazon vor Gericht treffen. Der Konzern lässt nämlich keine Hinweise auf gekaufte Bewertungen zu, und ein Algorithmus sorgt für die vorankündigungslose Löschung entsprechender Klauseln.
Das gilt natürlich nur für gekaufte Bewertungen, die nicht Amazons eigenem Programm „Vine“ für derartige Rezensionen entstammen. Hier dürfen die Rezensionen und die entsprechenden Hinweise bestehen bleiben.

Seiten einer Medaille

Zungen, die wohl gar nicht mal so böse sein müssten, würden jetzt wahrscheinlich formulieren: Amazon will seine eigenen gekauften Bewertungen supporten, andere Anbieter solcher Bewertungsprogramme aber nicht als Konkurrenz zulassen – weshalb es sich des Rechtswegs bedient. Diesen Eindruck kann man ohne schlechtes Gewissen haben. Selbstverständlich könnte man die Sache auch anders sehen: Amazon hat die Herrschaft über diesen Bereich seiner Webseite, und weist in den Bedingungen auf das Verbot von als gekauft gekennzeichneten Bewertungen hin. Wenn sich jemand nicht daran hält, kann Amazon dagegen vorgehen. Und sein eigenes Geschäft zu unterstützen, das ist jedermanns gutes Recht, im Rahmen des Rechts.
Hier schlägt dieses Recht nun mit der geballten Härte der wirtschaftlichen Interessen zu, und das darf durchaus auch nicht gefallen. Und was wohl zuletzt festgehalten werden kann: Einen guten Ruf verteidigt man mit diesem Vorgehen schätzungsweise eher wenig erfolgreich.

Update (06.03.2019): Vermutlich Fehler im Beschluss des Gerichts

Es liegen Hinweise vor, die nahelegen, dass sich in den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main ein bedeutender Fehler eingeschlichen hat. Demnach sorgt der Amazon-Alghorithmus nicht für die Löschung nur des Hinweises auf die bezahlte Bewertung, sondern für die Löschung der kompletten (bezahlten) Bewertung. Diese Reaktion ergibt vor dem Hintergrund, dass das Unternehmen entsprechendes in seinen Geschäftsbedingungen vorsieht, Sinn. Sollten sich die Hinweise bewahrheiten, wovon zur Zeit ausgegangen werden kann, kommt es dadurch nicht zu der oben beschriebenen Situation, dass die Bewertungen praktisch erst durch den Eingriff des Algorithmus rechtswidrig wird.