Meistens sind es die Händler:innen, die abgemahnt werden. An dem Riesen Amazon scheint sich niemand verheben zu wollen. Nun könnte ein aktuelles Urteil die Praxis ändern. 

In der Vergangenheit war es oft so, dass eher gegen Händler:innen vorgegangen wurde, statt gegen Amazon als Marktplatz. Das galt selbst in Fällen, wo der Fehler eindeutig nicht bei den Händler:innen lag. Ein gutes Beispiel dafür ist Amazons Check-out. Dieser entsprach nicht den Anforderungen des Verbraucherschutzes. Hier wurde zwar die deutsche Niederlassung von Amazon abgemahnt; die Praxis zeigt aber, dass man durchaus auch die entsprechenden Seller hätte abmahnen können.

Umso spannender ist ein aktuelles Urteil (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2023, Aktenzeichen: 6 U 154/22), bei dem der Marktplatz in die Pflicht genommen wurde.

Die verbotene Sojamilch

In dem Fall ging es um einen Händler, der beharrlich Sojamilch auf dem Marktplatz anbot. Das Problem daran ist, dass man pflanzliche Milchersatzprodukte nicht mit dem Namenszusatz „Milch“ bewerben darf. Die korrekte Bezeichnung wäre daher eher Sojadrink gewesen. Über Sinn und Zweck der Regelung lässt sich streiten. Sie dient wohl dem Verbraucherschutz. Darauf erstmal ein Schlückchen Scheuermilch!

Jedenfalls in aller Kürze: Die Wettbewerbszentrale wies Amazon auf die rechtswidrigen Angebote hin. Amazon entfernte diese, tat aber nicht mehr. Daraufhin mahnte die Wettbewerbszentrale das Unternehmen ab, da auch an anderen Stellen Angebote mit der bösen Bezeichnung auftauchen. Das Ganze landete vor Gericht, weil Amazon die Unterlassungserklärung nicht abgeben wollte. Das Oberlandesgericht Frankfurt gab der Wettbewerbszentrale aber Recht. Amazon könne ja schließlich ohne unzumutbaren Aufwand über einen Wortfilter nach solchen Angeboten suchen und diese sperren. Wer den Fall im Detail lesen möchte, kann einen Blick auf unseren OHN-Beitrag werfen. 

Warum das Urteil gut für Händler:innen ist

Wie eingangs erwähnt, sind normalerweise die Händler:innen die Gelackmeierten auf dem Marktplatz. Das gilt auch dann, wenn sie gar nichts für die konkrete Rechtsverletzung können. Spielt Amazon beispielsweise eine falsche UVP ein, haftet der Händler oder die Händlerin. Auch beim Anhängen herrscht das gleiche Prinzip: Alle haften für das Angebot und zwar unabhängig davon, ob sie beispielsweise eine wettbewerbswidrige Aussage zu einer Produktbeschreibung selbst hinzugefügt haben oder nicht (BGH, 03.03.2016, Aktenzeichen: I ZR 110/15). Selbst für die automatische Bebilderung durch Amazon können Händler:innen abgemahnt werden (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.03.2021, Az. 6 W 8/18).

Der Grund dafür ist einfach der: Die Rechtsprechung besagt, dass niemand gezwungen ist, Amazon als Vertriebskanal zu nutzen. Nutzt man ihn doch, so akzeptiert man die Risiken. Ein anderes Beispiel: Wenn ich mich proaktiv dafür entscheide, auf einem Marktplatz zu verkaufen, auf dem ich keinerlei Möglichkeit habe, Rechtstexte auch nur annähernd rechtssicher einzubinden, darf ich mich am Ende nicht beschweren, wenn ich abgemahnt werde. Ich habe mich immerhin für diesen Weg entschieden.

Allerdings hinkt der Vergleich etwas: Amazon ist eben nicht irgendein Marktplatz, sondern aktuell (noch) der wichtigste Marktplatz. Ein einfacher Verzicht ist für viele aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Umso unbefriedigender ist es, wenn durch einen so wichtigen Hebel im E-Commerce Abmahnfallen generiert werden. 

Dieses Urteil ist daher wichtig. Amazon kann eben doch in die Haftung genommen werden. Vielleicht werden. Man kann nur hoffen, dass Vereine künftig eher gegen den Marktplatz vorgehen, statt gegen Händler:innen, die, je nach Einzelfall, nichts zum Wettbewerbsverstoß beigetragen haben.

Transparenzhinweis vom 22. Januar 2024: In der ersten Fassung des Artikels hieß es, dass wegen des Check-outs nicht Amazon, sondern direkt ein Händler abgemahnt wurde. Tatsächlich wurde aber die deutsche Niederlassung von Amazon abgemahnt und verurteilt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. 

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