Professionelle Produktfotos bei Amazon gehören zum Standard, denn sie sagen mehr als tausend Worte. Schwierig wird es nur, wenn durch einen Fehler im Amazon-Algorithmus Bilder vertauscht werden.

Am wichtigsten: Gibt es einen verbindlichen Vertrag?

Es gilt im deutsche Recht der Grundsatz, dass nur geschlossene Verträge erfüllt werden müssen. Der Fokus liegt hier auf „geschlossene Verträge“. Zunächst ist im Falle eines Falles die Frage zu beantworten, ob tatsächlich ein verbindlicher Kaufvertrag geschlossen wurde, der zur Lieferung verpflichtet, wenn der Händler den Fehler rechtzeitig vor dem Versand bemerkt.

Im Falle einer Bestellung über Amazon läuft der Vertragsschluss wie folgt ab: Mit der Bestellung bzw. Bestellbestätigung des Kunden kommt noch kein Kaufvertrag zustande, da die Angebote unverbindlich sind. Hier irren viele Kunden. Die Annahme des Angebots (und damit der Vertragsabschluss) erfolgt erst durch eine E-Mail von Amazon, in welcher dem Kunden der Versand der Ware durch den Anbieter bestätigt wird. Erst jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Was hat der Kunde gekauft?

Nun geht es an die genaue Auslegung, was der Kunde denn überhaupt gekauft hat. Gerade erst musste sich ein Händler für solch ein vertauschtes Bild vor Gericht verantworten. Ein Angebot wurde durch Amazons Algorithmus automatisch mit originalverpackten Druckerpatronen bebildert. Tatsächlich handelte es sich nur um eine unverpackte Druckerkassette von einem Drittanbieter. Was nun hat der Kunde tatsächlich gekauft? Darf er allein nach dem Produktfoto gehen oder hätte er den Widerspruch zur Artikelbeschreibung erkennen können?

Es ist im deutschen Recht so, dass Fotos für den Kaufvertrag genauso bindend sind wie die Artikelüberschrift sowie die Artikelbeschreibung. Das hat sogar der BGH in einem Grundsatzurteil klargestellt (Urteil vom 12. Januar 2011, Az. VIII ZR 346/09). Kommt es zu Abweichungen, ist ein Artikel, der in seiner Ausstattung vom Foto abweicht, in der Regel mangelhaft. Zu berücksichtigen ist natürlich das Gesamtpaket aus Foto(s), Titel, Beschreibung und gewählter Produktkategorie. Besonders in der aktuellen schnelllebigen Zeit, in der Kunden nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben, kommt dem Foto aber eine sehr große Bedeutung zu. Kunden können dann, wie im Beispiel der Druckerpatronen, das Original verlangen oder in einem anderen Fall eben das, was auf dem Foto abgebildet war.

Nun könnte der Händler den Vertrag nur noch durch eine Anfechtung wegen Irrtums (worunter auch Systemfehler zählen) auflösen. Als Folge einer wirksamen Anfechtung wird der Kaufvertrag aufgelöst und gilt als von Anfang an nichtig.

Zubehör, Ersatzteile, Deko ...

Das gilt übrigens nicht nur, wenn ein gänzlich anderes Produkt abgebildet/angeboten wird, sondern auch, wenn Zubehör oder Dekorationen auf dem Artikelbild zu sehen sind, die gar nicht zum Lieferumfang gehören. Mit anderen Worten: Was auf dem Bild zu sehen ist, darf der Kunde auch erwarten. Ist auf einem Produktbild eines Staubsaugers eine Bürstendüse zu sehen, darf er auch auf diese bestehen. Wenn Händler Dekor auf den Produktbildern zeigen, müssen sie an einer Stelle in der Produktbeschreibung zumindest darauf hinweisen, dass die Dekoration nicht zum Lieferumfang zählt.

Ein entscheidender Nachteil im Online-Handel ist, dass der Kunde das Produkt vor dem Kauf nicht in den Händen halten kann. Das tiefe Burgunderrot eines Pullovers kann bei einem Interessenten einen Blaustich haben, beim nächsten jedoch einen warmen Rotton. Auch Weiß ist nicht gleich Weiß. Maßgeblich sind die verschiedenen Bildschirme und Monitore, die eine unterschiedliche Darstellung erzeugen können. In vielen Shops findet man deshalb den Hinweis, dass das Foto die Farbe nicht richtig wiedergeben könnte oder farbliche Abweichungen vom Original möglich seien. Oft verwendete Formulierungen wie „Aufgrund der Lichtverhältnisse bei der Produktfotografie und unterschiedlichen Bildschirmeinstellungen kann es dazu kommen, dass die Farbe des Produktes nicht authentisch wiedergegeben wird“ sind daher stets nur eine Notlösung und befreien den Händler nicht von der Rücknahme, wenn der Kunde etwas anderes erwartet hat.

Kunden dürfen Fehler nicht ausnutzen

Der Fehler kann jedoch beachtlichen finanzielle Folgen für den Händler haben, wenn auf dem Foto fünf Druckerpatronen abgebildet waren, aber nur eine verkauft wird. Dem schadenfrohen Besteller kann die Lieferung der Waren, für ihn dann zu einem Schnäppchenpreis, jedoch verwehrt werden: Bestünde der Kunde auf eine Auslieferung, würde er gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen und damit missbräuchlich handeln. Das ist insbesondere bei offensichtlichen Diskrepanzen zwischen Foto und Artikelbeschreibung der Fall.

Wer haftet für den Algorithmus-Fail?

Wie so oft muss auch beantwortet werden, wer für den Fehler einstehen muss. In dem Fall, der es sogar bis zu Gericht schaffte (s. o.), war die ganz klare Ansage, dass der Händler gegenüber dem Kunden für den Fehler verantwortlich ist. Er muss sich diesen, so heißt es im deutschen Recht, zurechnen lassen. Tritt nach außen der Marketplace-Händler also als Verkäufer und Vertragspartner auf, muss er auch gegenüber dem Kunden Rede und Antwort stehen. Selbstredend ist Amazon, soweit es sich um einen durch Amazon direkt angebotenen Artikel handelt, in diesem Fall selbst Ansprechpartner.