Die Ergebnisse für das zweite Quartal 2024 dürfte Amazon mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten: Ein satter Gewinnsprung und gut laufende Geschäfte in Segmenten wie Werbung und Cloud stechen positiv hervor. Doch vor allem die Umsätze und Marktplatz-Entwicklungen trüben das Bild: Einmal mehr wird durch die aktuelle Bilanz deutlich, wie stark der einst so unangreifbare Online-Riese gegen Billiganbieter aus der Branche, namentlich vor allem konkurrierende Plattformen wie Temu und Shein, zu kämpfen hat.

Zunächst die Kernzahlen: Der Nettoumsatz kletterte im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum um zehn Prozent auf 147,98 Milliarden US-Dollar. Allerdings konnte Amazon damit die Erwartungen der Analysten nicht erfüllen: Sie hatten auf einen Wert von rund 148,56 Milliarden US-Dollar gehofft, wie CNBC schreibt. Einen beachtlichen Sprung legte der Nettogewinn hin: Lag dieser im zweiten Quartal 2023 noch bei 6,75 Milliarden Dollar, verdoppelte er sich in Q2 2024 auf 13,49 Milliarden Dollar.

Amazon schwächelt im Einzelhandelssegment

Im Kerngeschäft, dem Online-Handel, sind die Zahlen hingegen weniger furios: Die Geschäfte mit Online-Shops wuchsen im zweiten Quartal um fünf Prozent auf 55,4 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal 2024 wurde noch ein Plus um sieben Prozent vernommen. Dies könnte eine Folge des wachsenden Drucks durch Billiganbieter sein, die in China verwurzelt sind: Temu und Shein lassen nicht locker und sind auf steigende Anteile am Markt aus.

Laut Brian Olsavsky, Finanzchef von Amazon, zeigen sich die Kundinnen und Kunden aktuell sehr preissensibel. Er verwies darauf, dass sie „weiterhin vorsichtig bei ihren Ausgaben seien und auf niedrigere Preise setzen würden“, zitiert Reuters den CFO. „Sie sind auf der Suche nach Schnäppchen.“ 

Dass dieser Trend zeitnah abflaut, ist wohl nicht zu erwarten. Auch weiterhin rechnet Amazon mit einem schleppenden Wachstum. Doch tatenlos bleibt der Konzern nicht: Als Maßnahme des Gegenangriffs hatte er erst im Juni angekündigt, den Bedürfnissen der Kundschaft künftig mit einer eigenen Billig-Sparte gerecht werden zu wollen.

Auch Werbung kann mit Erwartungen nicht mithalten

Eine Steigerung ist im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum auch bei Diensten rund um Provisionen, Versandgebühren oder Einnahmen durch Aufträge sichtbar. Amazon fasst diese unter dem Stichwort „Dienstleistungen für Drittanbieter“ zusammen: Das entsprechende Plus fiel mit 12 Prozent aus. Insgesamt 36,2 Milliarden Dollar wurden hier generiert.

Noch größer ist das Plus im Werbebereich: Die Umsätze kletterten an dieser Stelle auf 12,77 Milliarden Dollar, was einem Wachstum von deutlichen 20 Prozent entspricht. Reuters verweist darauf, dass die Analysten trotz dieses Anstiegs nicht einhellig begeistert waren, da die durchschnittliche Schätzung bei etwa 13 Milliarden Dollar lag. Finanzchef Olsavsky sah das anders und äußerte Zufriedenheit über dieses Ergebnis.

Die Cloud strahlt

Übertroffen hat Amazon die geschätzten Zahlen und damit die Erwartungen der Analysten im Cloud-Bereich. Im Segment der Amazon Web Services wurde laut CNBC ein Umsatz von 26 Milliarden Dollar erwartet, auf den Tisch legte Amazon schließlich 26,3 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum ergibt sich ein Anstieg um satte 19 Prozent.

Amazon befindet sich im Cloud-Sektor und dem damit verbundenen Bereich rund um künstliche Intelligenz (KI) in einem starken Konkurrenzkampf. Mit Unternehmen wie Microsoft, Google und OpenAI ringt der Konzern um Marktanteile, weshalb Amazon hier auch große Investitionen getätigt hat: Um die Infrastruktur zu stützen und die KI-Entwicklung voranzutreiben habe man laut dem Finanzchef in den ersten sechs Monaten dieses Jahres rund 30,5 Milliarden Dollar investiert, schreibt Reuters. Mit innovativen Tools, Sprachmodellen und einem neuen Chatbot namens Rufus will das Unternehmen Services anbieten, die sich in unterschiedlichen Ausprägungen an verschiedene Zielgruppe, etwa Unternehmen, Händlerinnen und Händler oder auch die Kundschaft richten.

Prognosen sind schwierig

Ein Blick auf das aktuell laufende Quartal und den Rest des Jahres gestaltet sich laut Brian Olsavsky eher schwierig. Verbraucherinnen und Verbraucher seien demnach durch das Weltgeschehen, darunter sportliche, aber auch politische Ereignisse, abgelenkt.

„Egal, was Sie einem Kundenstamm verkaufen oder anbieten, die Aufmerksamkeit der Kunden ist begrenzt. Bei Ereignissen wie den Olympischen Spielen, die zwar nicht so häufig stattfinden, sehen wir jedoch unterschiedliche Verkehrsmuster rund um diese Ereignisse“, wird er zitiert. „Wenn Dinge passieren, die im Rampenlicht stehen, oder der Mordanschlag [auf Donald Trump, Anm. d. Red.] vor ein paar Wochen, sieht man, dass die Leute ihre Aufmerksamkeit auf die Nachrichten richten.“

Im aktuellen dritten Quartal peilt Amazon einen Umsatz in einer Spanne zwischen 154 und 158,5 Milliarden Dollar an. Dies würde gegenüber dem Vorjahr einem Zuwachs zwischen acht und elf Prozent entsprechen. Der Mittelwert dieser Spanne, konkret 156,25 Milliarden Dollar, könne die Analysten laut CNBC nicht zufriedenstellen, da sie im Schnitt von deutlich höheren 158,24 Milliarden Dollar ausgegangen waren.

Die Reaktion auf dem Börsenparkett fiel empfindlich aus: Im nachbörslichen Handel sei die Aktie von Amazon um bis zu sechs Prozent gefallen.

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