Welche Rolle spielt Amazon wirklich in Deutschland? Gefühlt gibt Amazon den Ton im deutschen E-Commerce an. Analysen zeigen jetzt jedoch: Amazon macht nur um die 38 Prozent im deutschen E-Commerce aus. Dieser Wert ergibt sich aus dem aktuellen Geschäftsbericht von Amazon.

Amazon Icon auf Geldscheinen

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Für 2016 erklärte Amazon in seinem Jahresbericht, dass man einen Gesamtumsatz von 135,98 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet hat. Die Zahl ist groß – doch daraus Rückschlüsse über Amazon als Händler bzw. als Marktplatz zu ziehen, ist nur teilweise richtig.

Handelsvolumen auf dem Marktplatz im dreistelligen Milliardenbereich

Der Umsatz, den Amazon als Händler erwirtschaftete, liegt bei 91,4 Milliarden US-Dollar. Einnahmen durch Drittanbieter für die Nutzung des Marktplatzes liegen bei 22,9 Milliarden US-Dollar. Nach Angaben von Marketplace Analytics setzen sich diese vor allem aus Verkaufsprovisionen und den Gebühren für die Nutzung der Amazon Warenhäuser (“FBA”) aber auch aus weiteren Seller Services zusammen. Erstmals führt Amazon auch die Kategorie „Retail Subscription Services“ auf. Diese umfasst alle Einnahmen, die über Abonnements generiert werden – also die Prime-Mitgliedschaft, aber auch Audible, Kindle Unlimited und Music Unlimited Abos. Der generierte Umsatz liegt bei 6,4 Milliarden US-Dollar.

Das Ärgerliche: Amazon selbst macht keine Angaben, welchen Umsatz die Marketplace-Händler direkt machen bzw. welcher Umsatz so generiert wird. Amazon weist nur die eingenommene Verkaufsprovision aus. Nach Angaben von Marketplace Analytics entsprechen die Einnahmen, die bei Amazon allein durch Provisionen generiert wurden, 13 Milliarden US-Dollar. Zudem wird angenommen, dass die durchschnittliche Provision – die Werte basieren auf Schätzungen – zwischen 9,5 und 12 Prozent liegt. Entsprechend ergibt sich daraus ein Handelsvolumen auf dem Amazon Marktplatz in 2016 in einer Spanne von 108 bis 137 Milliarden US-Dollar. Das gesamte Transaktionsvolumen beläuft sich demnach auf 200 bis 228 Milliarden US-Dollar für alle globalen Amazon-Seiten.

Umsatz in Deutschland?

Der Umsatz, den Amazon in Deutschland gemacht hat, lag 2016 bei 14,14 Milliarden US-Dollar, was 12,78 Milliarden Euro entspricht. Weiter geht Amazon allerdings nicht auf den Markt ein und unterteilt den Wert nicht in einzelne Kategorien. Um Amazons GMV (Gross merchandise volume) zu berechnen, mussten Peter Höschl und Mark Steier deshalb mit zwei Unbekannten rechnen: Es ist weder bekannt, wie sich der Gesamtumsatz auf die einzelnen Bereiche, wie etwa Retail, verteilt, noch wie hoch der Umsatz der Marketplace-Händler ist. Allerdings ist bekannt, dass jedes zweite Produkt, das auf Amazon verkauft wird, nicht von Amazon direkt vertrieben wird.

Unter der Annahme, dass „sich der Umsatz proportional zum weltweiten Umsatz verhält und zugleich Marketplace-Händler 50% des Umsatzes erzielen“, ergibt sich nach Höschl folgendes Bild: Die Marketplace-Händler in Deutschland erzielten einen Umsatz von 8,59 Milliarden Euro Umsatz.

Nach Angaben von Franz Jorden von Marketplace Analytics liegt der Umsatz der externen Händler in Deutschland zwischen 13,3 und 16,9 Milliarden US-Dollar (entspricht bei einem Wechselkurs von 1 US-Dollar = 0,94 Euro: 12,5 – 15,94 Milliarden Euro). Damit liegt der Wert bei weitem höher. Und auch das komplette Transaktionsvolumen (eigener Verkauf + Marktplatz Verkäufe) liegt höher – nämlich zwischen 27,5 bis 31,1 Milliarden US-Dollar.

Zahlen basieren auf Annahmen und Schätzungen

Dass die Werte von Höschl/Steier und Jordan so weit auseinander liegen, hat genau einen Grund: Amazon hält sich mit aussagekräftigen Werten sehr bedeckt. Entsprechend ist auch die Aussage von Höschl, dass Amazon „mit seinem eigenen Handelsgeschäft 19,25% des gesamten E-Commerce-Umsatzes erzielt und weitere 19,25% die Marketplace-Händler beitragen“, mit Vorsicht zu genießen. Zudem: Höschl selbst verweist darauf, dass die Zahlen vom bevh, an denen er sich beim E-Commerce-Umsatz in Deutschland orientiert, nicht „zwingend der letzten Wahrheit entsprechen müssen“.