Zwischen Februar und März kam es zu mehreren Vorfällen, bei denen gefährliche Gesundheitszustände nicht entsprechend erkannt werden konnten.

Mit einem neu eingerichteten Callcenter im US-Bundesstaat Arizona wollte Amazon die Versorgung älterer Patient:innen ausweiten. Doch das teilweise nicht medizinisch geschulte Personal konnte in mehreren Fällen potenziell gefährliche Symptome nicht entsprechend einordnen. Statt die Fälle direkt an medizinisches Fachpersonal zu eskalieren, wurden Patient:innen stattdessen Termine in den folgenden Tagen gesetzt. Wie die Washington Post anhand interner Dokumente und Insider-Aussagen schreibt, kam es zwischen dem 19. Februar und dem 18. März zu Dutzenden solcher Fälle.

Personal wird lediglich zwei Wochen geschult

Anfang vergangenen Jahres übernahm Amazon für 3,9 Milliarden US-Dollar den Telemedizindienst One Medical. Mit einer Jahresmitgliedschaft von 200 US-Dollar erhalten Patient:innen hierüber Zugang zu einem großen Netz an Polikliniken sowie digitalen Arztterminen. Um die hohe Auslastung des Dienstes zu supplementieren, eröffnete Amazon bereits wenige Monate nach der Übernahme ein zusätzliches Callcenter in Tempe, Arizona.

Das Callcenter sollte speziell die Belange der älteren Patient:innen abfangen. Doch wie aus jetzt öffentlich gewordenen Dokumenten hervorgeht, ist das dort arbeitende Personal hierfür kaum bis gar nicht geschult. So berichtet die Washington Post von einem Mix aus Vollzeitangestellten und Leiharbeitenden, welche über die Personalagentur Teksystems gebucht werden. Wie aus einer Stellenausschreibung hervorgeht, werden von den Leiharbeitenden dabei gerade einmal rudimentäre PC- und Telefonkenntnisse erwartet. Erfahrungen im medizinischen Bereich sind nicht notwendig.

Vor ihrem ersten Arbeitsantritt bekommen neue Angestellte eine Schulung, die gerade einmal zwei Wochen dauert. Im Rahmen der Schulung werden 17 wichtige Notfallsymptome definiert, bei welchen die Angestellten Patient:innen direkt an das medizinische Fachpersonal weiterleiten sollten. Doch diese Symptome im Gespräch mit älteren Personen auch fehlerfrei identifizieren zu können, ist teilweise gar nicht so einfach.

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Amazon hält sich aus der Patientenbetreuung heraus

Angesprochen auf die besagten Vorfälle erklärte eine Unternehmenssprecherin gegenüber der US-Zeitung, dass Amazon sich nicht in die Patientenbetreuung durch One Medical einmischen würde. Das mag grundsätzlich stimmen, doch Personalkürzungen (wir berichteten) und die Auswahl von Personalagenturen für Callcenter haben trotzdem auch einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der vom Dienst gebotenen medizinischen Betreuung.  

Grundsätzlich ist gegen eine Aufstockung durch Callcenter-Agent:innen für die Zuordnung von Fällen zunächst nichts einzuwenden. Doch wie die Fälle, bei welchen glücklicherweise letzten Endes niemand zu Schaden kam, zeigen, sollte dieses Personal doch wenigstens über grundlegende medizinische Kenntnisse verfügen. Anstatt dies ernst zu nehmen, sollen 

Angestellte Fragen nach ihrer Qualifikation damit besänftigen, dass sie „geschulte und qualifizierte One Medical Support Spezialisten und Teil des Pflegeteams“ seien.

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